Das Bundeskanzleramt in Wien
ORF.at/Roland Winkler
WIFO/IHS

Tipps für die nächste Regierung

Die kommende Regierung muss den Spielraum für die geplante nächste Steuerreform erst schaffen. Durch die jüngsten Parlamentsbeschlüsse vor der Wahl falle nämlich der Budgetüberschuss 2020 geringer aus als bisher gedacht, sagten die Chefs von Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO) und Institut für Höhere Studien (IHS) am Freitag. Doch auch sonst gibt es Tipps für die Regierung.

Zudem verlangten sie Reformen bei Bildung und Gesundheit. Auch Taten zugunsten des Klimaschutzes forderten sie. Eine Partei, die sich im Wahlkampf gegen den Klimawandel starkgemacht habe, müsste jetzt eigentlich in die Regierung kommen, wünschte sich der Leiter des WIFO, Christoph Badelt. Klimaschutz sei eines der großen Themen, die angegangen werden müssten. Auch wenn hier nichts getan werde, müsse man zahlen, nämlich Strafe. Nötig sei ein umfassendes klimapolitisches Programm, so Badelt bei der Vorlage der neuen Konjunkturprognosen.

In einer Regierung von ÖVP und Grünen wären für Badelt die wirtschaftlichen und die ökologischen Aspekte abgedeckt – man müsste sich hier leichter einigen können, denn bei anderen bestünde vielleicht die Gefahr, dass die Ökologie zu kurz komme, ergänzte Badelt im Ö1-Mittagsjournal. Bei der Abgabenreform der früheren Regierung habe die ökologische Orientierung gefehlt – Audio dazu in oe1.ORF.at.

„Nicht freiwillig in die Defizite gehen“

Auf der Einnahmen- und speziell der Ausgabenseite müsse sich die künftige Regierung für eine Steuertarifreform größere Spielräume verschaffen, sagte der WIFO-Chef weiter, denn solange die Konjunktur nicht besser sei, würde er „nicht freiwillig in die Defizite gehen“. Eine Senkung der Abgabenbelastung wäre schon gut, Geld könne man aber nur einmal ausgeben, so Badelt. Auf der Ausgabenseite sollte man Effizienzsteigerungen heben, das betreffe die Bereiche Gesundheit und Bildung.

Eine Tarifreform, wie sie früher angedacht war, „hätte zwei bis drei Milliarden Euro gekostet“, rechnete IHS-Chef Martin Kocher in dem Pressegespräch vor. Kocher plädierte ebenfalls dafür, dass es – insbesondere beim Faktor Arbeit – eine Entlastung geben sollte. Nun sei der Spielraum, der im Jahr 2020 bestanden hätte, aber auf 1,2 bis 1,3 Mrd. Euro nach IHS-Rechnung bzw. auf 1,6 Mrd. Euro aus Sicht des WIFO geschmolzen. Denn durch die jüngsten Beschlüsse im Nationalrat dürfte der Maastricht-Überschuss kommendes Jahr auf 0,4 Prozent des BIP laut WIFO und laut IHS auf 0,3 Prozent sinken; noch im Juni gingen die beiden Institute von 0,6 bzw. 0,5 Prozent Überschuss für 2020 aus.

Schwerpunktsetzung vorgeschlagen

„Bis vor einigen Monaten war es leichter“, so der WIFO-Chef: „Nun muss man ein bis zwei Milliarden substanziell auftreiben.“ Die seien aber „schwer zu bekommen“. Am besten wäre es nach Meinung Badelts, das Jahr 2020 dafür zu nutzen, um 2020 im Budget Spielraum für eine Tarifreform 2021 zu schaffen. Ein Konjunkturprogramm sei aber nicht notwendig.

Die „großen Themen“, die die Politik angehen sollte, würden sich aus der Struktur Österreichs und aus der Demografie ergeben, so Kocher. Für den IHS-Chef sollte ein Koalitionsvertrag bzw. ein Regierungsprogramm zumindest folgende vier Punkte enthalten: Digitalisierung (in Bezug auf Arbeitskräfte, Innovationen); Bildung/Forschung („in der Struktur Effizienzen heben“), die Pariser Klimaziele und den demografischen Wandel (Pensionsversicherung, Pflege, Fachkräfte).

Österreichs Wirtschaft gebremst

Die Wirtschaft in Österreich erfährt einen Dämpfer. Vor allem die Industrie leidet unter geringeren Exporten ins Ausland. Die finanziellen Auswirkungen des Dämpfers werden auch die nächste Regierung beschäftigen.

WIFO-Chef Badelt verwies ebenfalls auf Bildung und Forschung – und bedauerte, dass diese Themen im Wahlkampf überhaupt nicht vorgekommen seien. Dem Fachkräftemangel müsse man mit Bildungsinvestitionen begegnen. Und es seien auch „Tabus aufzulösen“ – der Experte plädierte für eine „vernünftige und konsistente Migrationspolitik“, bei der gesagt werde, welche Menschen mit welchen Qualifikationen erwünscht seien. Insgesamt erwarte er sich von der neuen Regierung ein umfassendes Programm, das von Klima über Soziales und Pflege bis zu den „kernökonomischen Anliegen“ reicht.