SPÖ-Politiker Pamela Rendi-Wagner und Christian Deutsch
APA/Robert Jaeger
„Nicht alles in Frage stellen“

SPÖ ringt um Linie bei „Erneuerungsprozess“

Nach der Wahlniederlage vom Sonntag brodelt es nach wie vor heftig in der SPÖ. Der neue Bundesgeschäftsführer und damalige Wahlkampfleiter Christian Deutsch hat nun einen „Erneuerungsprozess“ ausgerufen, der kommende Woche beginnen soll. „Wir müssen Bewegung in die Bewegung bringen“, sagte Deutsch dazu am Samstag in der Ö1-Reihe „Im Journal zu Gast“. Aber auch: „Man muss deshalb nicht alles in Frage stellen.“ Das dürfte Teilen der Partei wohl zu wenig sein.

Vor allem die SPÖ-Jugend, aber auch Teile der Basis und der Landesorganisationen rufen seit Sonntag nach tiefgreifenden Veränderungen. Gefordert werden in teils harter Kritik ein neues inhaltliches Profil, ein Ende der Personaldebatten und eine Reform des Parteiapparats: Max Lercher, Bundesgeschäftsführer unter Ex-Kanzler Christian Kern, sprach sich diese Woche etwa für eine Neugründung der SPÖ aus. Der burgenländische Landeshauptmann Hans Peter Doskozil sieht laut „Österreich“ „tiefgründige“ Probleme in der Partei – mehr dazu in burgenland.ORF.at. Und auch der Linzer Bürgermeister Klaus Luger sagte gegenüber dem „Standard“, dass die SPÖ keine Volkspartei mehr sei.

Im Zentrum der Debatte steht auch SJ-Vorsitzende Julia Herr, die sich mit der Parteijugend schon in den vergangenen Jahren immer wieder gegen die Linie der SPÖ stellte. Um Herr hatte es diese Woche das Gerücht gegeben, sie könnte Deutsch im Bemühen um Erneuerung als zweite Bundesgeschäftsführerin zur Seite gestellt werden. Herr wies das zurück und sprach auf Twitter von durch Insider gestreute „falsche Gerüchte“. Auch Deutsch dementierte nun in Ö1, dass es derartige Pläne gebe. Herr solle aber fixer Bestandteil der von der SPÖ geplanten Erneuerungsbewegung werden, sagte er – Audio dazu in oe1.ORF.at.

Bundesgeschäftsführer Deutsch zur SPÖ-Krise

Es sei nicht gelungen, deutlich zu machen, wofür die SPÖ stehe, meint Christian Deutsch. Nun werde eine tabulose inhaltliche Diskussion geführt und die Partei für alle gesellschaftlichen Gruppen geöffnet.

Er wisse, dass es „ganz wichtig ist, sich um den politischen Nachwuchs zu kümmern“. Allerdings kritisierte er mit einem Seitenhieb, dass Herr am Montag eine Sitzung des Bundesparteivorstandes frühzeitig verlassen hatte: „Die eigenen Sitzungen muss man ernst nehmen. Man kann nicht aus einer Sitzung weggehen und nachher sagen, dass man eine andere Meinung gehabt hat.“ Letztlich gelte es, offen zu sprechen, die interne Kommunikation zu verstärken.

Drozda-Rücktritt: „Niemand hat damit gerechnet“

Das Ergebnis von 21,2 Prozent – das schlechteste in der Geschichte der Zweiten Republik – bezeichnete Deutsch als „höchst dramatisch“, aber auch als überraschend: „Wir haben am Sonntag ein Ergebnis bekommen, mit dem wir alle nicht gerechnet haben.“ Unter anderem sei die Zeit für den Wahlkampf zu kurz gewesen. Überraschend sei im Anschluss auch der Rücktritt von Thomas Drozda als Bundesgeschäftsführer gewesen: „Niemand hat damit gerechnet.“ Er selbst habe eine gute Stunde Zeit gehabt, um zu überlegen, ob er das Amt übernehmen will.

Deutschs Ernennung wird von Teilen der SPÖ nicht nur als zu überstürzt kritisiert. Der Wahlkampfleiter gilt als enger Vertrauter des ehemaligen Kanzlers Werner Faymann und der Parlamentspräsidentin Doris Bures – vor allem für die Parteijugend ist seine Ernennung das Gegenteil eines Zeichens der Erneuerung. In der vergangenen Woche drang zudem aus mehreren Ecken der Partei Kritik an einer „Clique“, die Veränderung blockiere und produktive Vorstöße für Veränderung versanden lasse. Kommunikationsberater und Ex-SPÖ-Mitglied Rudolf Fußi nannte Deutsch in einer viralen Wutrede einen „Super-Apparatschik“.

SPÖ-Politikerin Julia Herr
APA/Barbara Gindl
SJ-Vorsitzende Julia Herr soll eng in die Neuorientierung der Partei eingebunden werden

„Rendi-Wagner fest im Sattel“

Deutsch betonte unterdessen, dass die SPÖ-Vorsitzende Pamela Rendi-Wagner ihm das Vertrauen geschenkt habe. Rendi-Wagner selbst habe weiterhin die „Autorität“ und sitze fest im Sattel. Seine Aufgabe bestehe nun darin, „mit den Ländern, Organisationen und Bezirken“ Erneuerung umzusetzen. Dass Rendi-Wagner ausgetauscht wird, schloss er aus: „Ich bin mir sicher, dass wir mit ihr in die nächste Nationalratswahl gehen.“ Dass sie ein Durchgriffsrecht zur Neuorganisation wie seinerzeit ÖVP-Chef Sebastian Kurz kriegen könnte, müsse man „ernsthaft diskutieren“.

Am Freitag wird es nun ein Bundesparteipräsidium geben, bei dem ein „tabuloser, inhaltlicher Diskussionsprozess stattfinden soll“. Diskutiert werden solle aber nicht nur intern, die Partei müsse sich allen „gesellschaftlichen Strömungen“ öffnen. Ebenfalls besprochen werden sollen „organisatorische Maßnahmen“.