Sebastian Kurz und Bundespräsident Alexander Van der Bellen
APA/Helmut Fohringer
Startschuss für Sondierungen

Van der Bellen wird Kurz beauftragen

Bundespräsident Alexander Van der Bellen erteilt ÖVP-Chef Sebastian Kurz am Montagvormittag den Auftrag zur Regierungsbildung. Informationen darüber, wann Kurz die anderen Parteiobleute treffen wird, gibt es noch nicht. Gespräche will der Parteichef jedenfalls mit allen führen, wie die ÖVP seit ihrem Wahlsieg mehrfach betonte.

Die Treffen werden in der Reihenfolge nach der Stärke der Parteien im Nationalrat erfolgen. Zuallererst spricht der ÖVP-Chef somit mit der SPÖ, gefolgt von der FPÖ, den Grünen und NEOS. Eine Zweierkoalition wäre mit allen Parteien mit Ausnahme von NEOS möglich. Als unwahrscheinlich gilt dabei eine Koalition mit der zweitplatzierten SPÖ, die ihr historisch schlechtestes Ergebnis bei einer Nationalratswahl einfuhr.

Sollte die SPÖ dazu eingeladen werden, wolle sie dem „offen begegnen“, sagte Parteichefin Pamela Rendi-Wagner nach einem Gespräch mit dem Bundespräsidenten Mitte der Woche. Sie möchte eventuelle Gespräche „konstruktiv anlegen“. Rote Kernanliegen wie etwa eine Erbschaftssteuer wären mit der ÖVP nicht möglich. Unwahrscheinlich ist wohl auch, dass die ÖVP etwa mit einer Abschwächung des Zwölfstundentages entgegenkommen würde.

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Für die SPÖ-Chefin sei es wichtig, dass „der Kurs der letzten Regierung nicht fortgesetzt wird“. Kurz legte auch im Wahlkampf fest, künftig an der Mitte-rechts-Politik festhalten zu wollen. Uneinigkeit in der Frage herrschte in den Ländern: Sah etwa der burgenländische SPÖ-Landeshauptmann Hans-Peter Doskozil nach der Wahl ganz klar „keinen Auftrag“ der Wähler, meinte der Tiroler SPÖ-Landesparteichef Georg Dornauer, man sei im Fall der Fälle aufgefordert, „ernsthafte Gespräche“ zu führen.

„Nein, aber“ von FPÖ

Für die FPÖ, die im Wahlkampf stets für eine neuerliche Koalition mit Kurz geworben hatte, stand mit Bekanntwerden der ersten Hochrechnung am Wahlabend fest, dass die Partei keinen Auftrag zur Regierungsbildung bekommen habe. Dass man sich auf die Opposition vorbereite, sagte auch FPÖ-Chef Norbert Hofer nach dem Treffen in der Hofburg Mitte der Woche. Eine Tür ließ sich Hofer aber dennoch offen – für den Fall, dass es für Kurz „unmöglich“ wäre, einen Partner zu finden.

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Die Dauer der Koalitionsverhandlungen wäre hierbei entscheidend, immerhin bekäme die FPÖ bei langen Sondierungen mehr Zeit, sich nach der Wahlschlappe und der Spesen- sowie „Ibiza-Affäre“ rund um den inzwischen suspendierten Ex-Vizekanzler Heinz-Christian Strache neu aufzustellen. Heikel ist ferner aber auch die Personalie Kickl. Denn Kurz hat mehrmals erklärt, dass er Ex-Innenminister Herbert Kickl nicht als Minister akzeptieren will.

Inhaltlich gibt es bei den beiden Parteien jedenfalls nach wie vor die größten Überschneidungen – etwa in der Migrations-, Bildungs- und Sicherheitspolitik. So war es auch wenig überraschend, dass circa ein Fünftel jener Menschen, die 2017 noch ein Kreuz bei FPÖ machten, nun doch ÖVP wählten.

Wenig Überschneidungen mit Grünen

Für viel Diskussionsstoff sorgt hingegen eine mögliche Koalition mit der viertstärksten Partei – den Grünen. Denn anders als mit der FPÖ, beziehen ÖVP und Grüne in vielen Punkten sehr unterschiedliche Positionen. Dass man es der ÖVP bei Verhandlungen nicht leicht machen werde, darauf verwiesen zahlreiche Grünen-Politiker in den vergangenen Tagen ebenso. In puncto Umwelt-, Klima- und Naturschutz verlangt Grünen-Chef Werner Kogler eine „ordentliche Kurve“ von der ÖVP, wie er nun gegenüber oe24 sagte.

Auf die Frage, ob eine Koalition zwischen der ÖVP und den Grünen gut gehen könne, meinte Kogler gegenüber der „Krone“: „Wenn wir Politik mit zehn Feldern beschreiben und in fünf Feldern bleibt der Status quo und in den anderen wird es grüner, dann ja.“ Und: „Schwarz-Grün, das haben wir gesehen, geht gut (…) Aber Türkis-Grün müssen wir schauen, das wissen wir nicht.“ Auch die Grünen im Westen Österreichs zeigten sich skeptisch. Um „überhaupt sinnvolle Verhandlungen“ führen zu können, müsse sich die ÖVP „von ziemlich weit rechts in die Mitte bewegen“, sagte der grüne Innsbrucker Bürgermeister Georg Willi im Ö1-Morgenjournal – Audio dazu in oe1.ORF.at.

NEOS: „Ball liegt nicht bei uns“

Theoretisch möglich wären nicht zuletzt auch eine Dreierkoalition – vielfach disktutiert wurde im Vorfeld der Wahl bereits das „Salzburger Modell“ ÖVP-Grüne-NEOS – sowie eine Minderheitsregierung. „Der Ball liegt nicht bei uns“, meinte die NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger nach einem Gespräch mit dem Bundespräsidenten am Donnerstag und fügte an: „Wir können beides. Wir können Opposition gut, aber wir können auch regieren wie in Salzburg.“ Beobachtern zufolge könnte NEOS in der Variante als Brücke zwischen ÖVP und Grünen fungieren. Die letzte Variante – eine Minderheitsregierung – würde bedeuten, dass sich die ÖVP für jeden Beschluss eine Mehrheit suchen müsste.