Großbritanniens Premier Boris Johnson US-Geschäftsfrau Jennifer Arcuri
Screenshot youtube.com
Nicht nur Brexit-Stress

Fördergeld, Pole-Dance und ‚Alex der Große‘

Der britische Premierminister Boris Johnson muss sich derzeit nicht nur mit dem politischen Brexit-Chaos herumschlagen. Seit Ende September ist er auch in einer anderen Affäre unter Bedrängnis. Er soll während seiner Zeit als Londoner Bürgermeister die US-Unternehmerin Jennifer Arcuri begünstigt haben. Nun äußerte sich Arcuri erstmals zu den Vorwürfen – und musste sich ebenso pikanten Fragen stellen wie schon zuvor Johnson.

Acuris Unternehmen Innotech hatte unter Johnson insgesamt rund 26.000 Pfund (etwa 29.000 Euro) Förderungen erhalten. Der damalige Londoner Bürgermeister hielt zudem mehrere Vorträge bei Firmenevents und nahm Arcuri auf drei offizielle Auslandsreisen mit – obwohl sie offenbar Bedingungen dafür nicht erfüllte.

Zudem erhielt ihre neue Firma Hacker House erst heuer eine Förderzusage über 100.000 Pfund (rund 112.000 Euro), obwohl die Firma ihren Sitz in den USA hat und die Subvention nur britischen Unternehmen zusteht. Seit rund zwei Wochen ist die Affäre nun in den britischen Medien. Gemutmaßt wird, dass Arcuris „Freundschaft“, so die Sprachregelung der beiden, durchaus etwas mit der Unterstützung aus Steuergeldern zu tun haben könnte.

Nur ein „guter Freund“?

Die 34-jährige Arcuri sagte am Montag dem Fernsehsender ITV, Johnson habe sie nie begünstigt. „Ich habe ihn auch nie um einen Gefallen gebeten.“ Sie bestätigte, dass Johnson viermal bei Firmenveranstaltungen gesprochen habe. Die Auftritte sind ohnehin auch auf dem YouTube-Kanal des Unternehmens dokumentiert. Arcuri bezeichnete Johnson in dem Interview als „guten Freund“.

Demonstrantin mit Protestschild, auf dem Großbritanniens Premier Boris Johnson US-Geschäftsfrau Jennifer Arcuri
APA/AFP/Oli Scarff
Auch auf Anti-Brexit-Demonstrationen macht die Causa die Runde

Er habe sie zwischen fünf- und zehnmal in ihrer Wohnung besucht, in der sich auch ihr Büro befand. Gesprochen hätten sie unter anderem über die Pole-Dance-Stange, die sich auch in der Wohnung befinde, so Arcuri. Zudem hätten sie eine Liebe zu Shakespeare und klassischer Literatur insgesamt geteilt. Sie bestätigte einen Medienbericht, wonach sie den Premierminister auf ihrem Handy unter dem Namen „Alex der Große“ gespeichert habe. Johnsons vollständiger Name ist Alexander Boris de Pfeffel Johnson.

Fragen nach intimer Beziehung

Mehrfach wurde sie von ITV gefragt, ob sie auch eine intime Beziehung mit Johnson gehabt habe. Dazu wollte sie sich nicht äußern: „Es geht niemanden etwas an, was für ein Privatleben wir hatten.“ Und sie wolle Johnsons Gegnern auch nicht in die Hände spielen. Auch Johnson wurde zuletzt diese Frage mehrfach gestellt, auch er wollte darauf nicht antworten. Er wies bisher aber alle Anschuldigungen zurück.

Der Kontakt zu Johnson habe nachgelassen, als sie Ende 2016 schwanger geworden sei, sagte Arcuri. Seit Bekanntwerden der Anschuldigungen habe sie keinen Kontakt zu Johnson gehabt, sagte sie. Das tue ihr zwar leid, aber der Premier habe derzeit wohl genug zu tun: „Ich brauche ihn derzeit nicht, Großbritannien braucht ihn.“

Sie wünsche ihm, dass er glücklich ist – und wünsche auch seiner Lebensgefährtin Carrie Symonds alles Gute, so Arcuri auf ITV. Er solle sich jetzt darauf konzentrieren, Großbritannien wieder großartig zu machen, sagte sie in Anspielung auf den Wahlspruch von US-Präsident Donald Trump, der ja die USA „great again“ machen will.

Mehrere Untersuchungen laufen

In der Causa laufen laut „Guardian“ mittlerweile mehrere Untersuchungen. Der Londoner Bürgermeister Sadiq Khan hat eine unabhängige Untersuchung eingeleitet, die klären soll, wie die Mittelvergabe und auch die Auslandsreisen Acuris zustande kamen. Es lägen Indizien für eine Straftat vor, teilte die Stadtverwaltung mit. Damit könnte die Polizeiaufsicht ermitteln – sie ist zuständig, weil Johnson als Bürgermeister denselben Dienstpflichten wie Polizisten unterlag.

Eine Untersuchungskommission des Londoner Stadtparlaments forderte Johnson auf, bis nächste Woche seine Sicht der Dinge zu dem möglichen Interessenkonflikt darzulegen. Auch das Ministerium für Digitales, Kultur, Medien und Sport, von dem die Förderzulage über 100.000 Pfund stammt, prüft die Angelegenheit – und hält derzeit die Auszahlung von mehr als der Hälfte des Betrags zurück.