Blick in ein Lehrerzimmer
ORF.at/Carina Kainz
Bürokratie in der Schule

„Wie in ‚Asterix erobert Rom‘“

Oft wurde in den letzten Jahren angekündigt die Schulverwaltung zu entrümpeln, an den Schulen ist die Belastung dennoch hoch – besonders an Volksschulen und NMS, in denen es keine eigenen Sekretariate gibt. „Viele Schulleiter versinken in Bürokratie“, schlug unlängst die Lehrergewerkschaft Alarm. Eine Schulleiterin fühlt sich an die Absurditäten eines berühmten „Asterix“-Films erinnert. Das Bildungsministerium kündigte gegenüber ORF.at Verbesserungen an.

„Formulare einholen und einordnen, Schulbesuchsbestätigungen ausstellen, den Schülerbogen am Laufenden halten, Einträge zu Stundenplan und Lehrausgängen im Schulverwaltungsprogramm ,WiSion‘, das auf den alten Computern aber oft nicht gut funktioniert“, so beschreibt eine Wiener Volksschullehrerin gegenüber ORF.at ihren Arbeitsalltag als Pädagogin.

„Es gibt Vormittage, da könnte man meinen, ich sei ein Callcenter“, sagt die Schulleiterin einer NMS in Oberösterreich. Da es an Pflichtschulen wie Volksschulen und NMS im Normalfall keine fixen administrativen Kräfte und Sekretariate gibt, sei der Job der Schulleiterin eine „absolute One-Woman-Show“: „Wir müssen alles ohne Sekretariate organisieren – ein paar hundert Kinder, ein paar Dutzend Lehrerinnen und Lehrer und zum Teil noch die Gebäudeverwaltung.“

Erhalte sie E-Mails von Bildungsdirektion oder -ministerium, die mit „bitte nehmen Sie sich zehn bis fünfzehn Minuten Zeit“ beginnen, wisse sie schon: „Da kommt wieder eine Befragung, die viel mehr Zeit kosten wird.“

„Bürokratischer Aufwand stark gestiegen“

„Schulleiterinnen und Schulleiter verrichten Arbeiten, die billigere Arbeitskräfte leisten könnten. Zu den eigentlichen Aufgaben kommt man nur mehr am Rande oder wenn man enorm viel Freizeit investiert“, so Andrea Walach, Schulleiterin der NMS Gassergasse in Wien. Der bürokratische Aufwand sei in diesem Schuljahr sehr stark gestiegen.

Ein Mitarbeiter für administrative Aufgaben wäre deshalb „dringend notwendig“, so Walach gegenüber ORF.at: „Denn die Qualität der Schule hängt von den Zeitressourcen ab, die ich für die Schülerinnen und Schüler investieren kann.“ Und diese werden durch Routineaufgaben gekürzt. So nimmt die Schulleiterin jedes Telefonat entgegen – „egal ob Werbefirma oder wichtige Elterngespräche“ –, sortiert Post in die Fächer der Lehrenden und erledigt Kopierarbeiten.

Neben einer administrativen Kraft wünscht sich Walach unter anderem „einfache, klare und überschaubare Strukturen und Formulare, die über einen längeren Zeitraum Gültigkeit haben“. Manchmal komme man sich als Schulleiterin vor wie in „Asterix erobert Rom“, so Walach mit Verweis auf jenen „Asterix“-Film, in dem Julius Cäsar Asterix und Obelix zwölf Aufgaben stellt, mit deren Lösung sie ihre Göttlichkeit beweisen sollen.

„Direktoren fühlen sich alleine gelassen“

„Die Schulen versinken noch immer in Verwaltung und Bürokratie, von der angekündigten Flurbereinigung merkt man an den Schulen nichts“, sagte Anfang Oktober der oberste Lehrergewerkschafter Paul Kimberger. Auch die mit Anfang des Jahres begonnene Umwandlung der Landesschulräte in Bildungsdirektionen läuft aus Kimbergers Sicht „suboptimal“. Trotz der langen Übergangsphase von Jänner bis zum Start des laufenden Schuljahrs sei noch immer nicht klar, wer wofür zuständig ist.

Die Folge: Es gebe in pädagogischen und organisatorischen Fragen teilweise keine Ansprechpartner. Dass das Schulsystem dennoch funktioniere, sei nur dem Engagement der Direktoren zu verdanken. Diese fühlten sich allerdings „alleine gelassen“. Neben einer Entlastung der Schulleiterinnen und Lehrer von Verwaltung und Bürokratie fordert auch Kimberger mehr Unterstützungspersonal an den Schulen.

Aufzeigende Schüler in einer Klasse
ORF.at/Zita Klimek
Neben dem eigentlichen Unterricht haben Lehrerinnen und Lehrer viele administrative Aufgaben zu erledigen

Viel Bürokratie – wenig Personal

Denn das Problem hat zwei Seiten: Einer hohen Zahl an bürokratischen Auflagen und Anforderungen, die zu bewältigen sind, steht eine geringe Zahl an administrativen Kräften gegenüber. Dass Österreich bei der administrativen Unterstützung im internationalen Vergleich schlecht abschneidet, zeigte auch die im Juni veröffentlichte OECD-Lehrerstudie TALIS 2018. So kommt in Österreich ein Dienstposten für administratives Personal, wie etwa Sekretariatskräfte, auf 15 Lehrerinnen und Lehrer – im EU-Schnitt auf lediglich sieben.

Bildungsministerium kündigt Verbesserungen an

Wie die „Presse“ berichtete, kündigte Bildungsministerin Iris Rauskala bei der Präsentation der TALIS-Studie an, dass der Einsatz von Sekretariatskräften in NMS diskutiert werden müsse. Auf Nachfrage von ORF.at, was seither passiert sei, hieß es vom Bildungsministerium, dass derzeit eine Erhebung zu Unterstützungspersonal durchgeführt werde, mit dem Ziel, den Status quo festzustellen und mögliche Verbesserungspotenziale mit den Ländern zu besprechen.

„Dass – wie vielfach heute noch der Fall – Lehrerinnen und Lehrer für administrative Aufgaben eingesetzt werden, soll zukünftig der Vergangenheit angehören“, so das Bildungsministerium.

„Aufgabe der Schulleitung ist pädagogische Arbeit“

Doch nicht nur Pflichtschulen ohne eigenes administratives Personal sind betroffen, sondern auch Bundesschulen wie AHS und BHS. „In den Schulen fehlt das mittlere Management, um die Leitung von den administrativen Tätigkeiten zu entlasten“, sagt Rainer Graf, Direktor des Schulzentrums Ybbs in Niederösterreich, das eine HAK, eine Handelsschule und eine HTL umfasst.

„Abseits der Durchforstung von Gesetzen und Erlässen muss eigentlich jedem klar sein, dass man als Einzelperson nicht einen Mitarbeiterstab von achtzig Personen alleine führen kann“, so Graf gegenüber ORF.at. Zu seinen täglichen Aufgaben gehören „Mitarbeitergespräche, wertschätzende Worte, Krisengespräche und disziplinäre Unterstützung“ ebenso wie „strategische Planung, PR-Arbeit, Personalentwicklung und das Leiten von Arbeitsgruppen“.

Der bürokratische Aufwand nehme laufend zu und habe bereits ein Ausmaß erreicht, das nur noch schwer zu handhaben sei. Auch Graf wünscht sich von der Politik zusätzliches administratives Personal. Denn: Aufgabe der Schulleitung sei „vor allem die pädagogische Arbeit“.