Volksschüler in einer Klasse, eine Lehrerin an der Tafel
ORF.at/Carina Kainz
Studie

Lesen trotz Reformen weiter Sorgenkind

Die bereits vor Längerem vollzogenen Reformen, um die Leseleistung von Volksschülern und -schülerinnen zu verbessern, greifen offenbar nicht wie gedacht. Lesen bleibe ein Sorgenkind, zeigt eine nun veröffentlichte Analyse von Forscherinnen des Bundesinstituts für Bildungsforschung (BIFIE).

Die Senkung der Klassenschülerhöchstzahl im Herbst 2007 führte nicht zu der gewünschten Steigerung der Leseleistung in der Volksschule. Auch weitere Reformen wie Gratiskindergartenpflicht und die Bildungsstandards zeigen nicht die gewünschte flächendeckende Auswirkung. So profitierten davon wiederum nur einheimische Kinder und nicht Kinder mit Migrationshintergrund.

Für ihren im neuen Sammelband „Lesekompetenz der 10-Jährigen im Trend – Vertiefende Analysen zu PIRLS“ erschienenen Beitrag untersuchten Silvia Salchegger und Iris Höller den Einfluss diverser Reformmaßnahmen der vergangenen Jahre auf die Ergebnisse der Kinder mit bzw. ohne Migrationshintergrund in der Lesestudie PIRLS (Progress in International Literacy Study), für die alle fünf Jahre Kinder der vierten Klasse Volksschule getestet werden. Dafür herangezogen wurden die Resultate der PIRLS-Studien 2006, 2011 und 2016.

„Sogar signifikant niedriger als 2006“

Für die Untersuchung wurde dabei zwischen Kindern der ersten (Kind nicht in Österreich geboren) und zweiten Zuwanderergeneration (Kind in Österreich, beide Eltern im Ausland geboren) unterschieden, da Erstere bei späterer Zuwanderung unter Umständen nicht den Gratispflichtkindergarten besuchten. Kinder mit deutschen Eltern wurden wiederum aufgrund des gleichen sprachlichen Hintergrunds den einheimischen Kindern zugerechnet.

Resultat: „Entgegen der politischen Intention geht die Senkung der Klassenschülerhöchstzahl nicht mit gestiegenen Schülerleistungen einher. Tatsächlich waren die Leistungen von Kindern ohne Migrationshintergrund sowie von jenen der zweiten Migrantengeneration nach Kontrolle des sozialen Hintergrunds 2011 sogar signifikant niedriger als 2006.“

Pflichtkindergartenjahr hilft offenbar nicht

Etwas anders verhält es sich mit den Maßnahmen im Kindergartenbereich (2008/09: Start der sprachlichen Frühförderung, 2009/10: bundesweiter Bildungsrahmenplan, 2010/11: Pflichtkindergartenjahr) sowie den Bildungsstandards (ab 2010): Deren Auswirkungen waren erstmals bei PIRLS 2016 messbar.

„Unerwartet ist, dass zwar bei einheimischen Kindern, die bereits von diesen beiden Reformmaßnahmen profitierten, die Lesekompetenz höher ist als bei jenen der Vorgängerkohorte, bei Kindern mit Migrationshintergrund ergibt sich allerdings keine positive Veränderung“, heißt es etwa. Das ist insofern überraschend, als etwa Kinder einheimischer Eltern schon vor 2010 häufiger den Kindergarten besuchten als Kinder mit Migrationshintergrund. Insofern wäre zu erwarten gewesen, dass Letztere vom Pflichtkindergartenjahr bzw. sprachlicher Frühförderung stärker profitieren und nicht umgekehrt.

Rätseln über Gründe

Über die Gründe für diese Entwicklung könne nur spekuliert werden, so die beiden Forscherinnen in ihrem Beitrag. Möglicherweise sei in Schulen und Kindergärten mit geringem Migrantenanteil die Unterrichts- bzw. pädagogische Qualität stärker gestiegen als in solchen mit hohem Ausländeranteil. Außerdem besuchen einheimische Kinder den Kindergarten im Schnitt länger als Kinder mit Migrationshintergrund. Die Forschung deute darauf hin, dass erst der längere Besuch einer hochwertigen Einrichtung langfristig positiv wirke.