„Die vier Gespräche mit den Parteichefs sind sehr gut verlaufen. Wir haben die Möglichkeit genutzt, uns über die wichtigen Zukunftsfragen für Österreich auszutauschen“, so Kurz: „Die FPÖ hat bereits klar gesagt, dass das Wahlergebnis kein Auftrag sei zu regieren und es für sie in Richtung Opposition gehe, um sich dort innerparteilich neu aufzustellen.“
Die anderen drei Parteichefs hätten jedoch Bereitschaft signalisiert, einer nächsten Bundesregierung potenziell anzugehören und mitzugestalten. Kurz kündigte zudem an, dass Sondierungen „in größerer Runde“ am Mittwoch starten sollen.
Kurz’ Einschätzung wurde von der FPÖ bestätigt: Man werde sich nicht an weiteren Sondierungen beteiligen. Hofer hatte zuletzt wiederholt gesagt, dass das schlechte Abschneiden der Freiheitlichen nicht als Regierungsauftrag zu sehen sei. „Bei einem Wahlergebnis von über 20 Prozent wäre ein sofortiger Eintritt in Regierungsverhandlungen möglich gewesen“, meinte Hofer am Donnerstag in einer Aussendung. Die FPÖ erreichte bei der Nationalratswahl nur 16,2 Prozent.
Hofer: Nein „zu diesem Zeitpunkt“
„Das tatsächliche Wahlergebnis gibt uns zu diesem unmittelbaren Schritt keine Legitimation. Die Wähler haben Türkis und Grün gestärkt. Die Folge wird, wie im Wahlkampf von uns klargemacht, dann auch Türkis-Grün sein.“ Hofer warnte weiters vor einer „Linkswende in türkisem Mantel“. Die FPÖ lässt sich freilich alle Möglichkeiten offen: Sollte eine Regierungsbildung scheitern, werde er „den Bundesparteivorstand der FPÖ einberufen, um die Situation neu zu bewerten“, so Hofer am Dienstag nach dem Treffen mit Kurz.

Kurz will „in engem Austausch bleiben“
Über den weiteren Fahrplan will der Obmann der bei der Nationalratswahl siegreichen Parlamentspartei in den nächsten Tagen informieren. Kurz will „mit allen Parteichefs in engem Austausch bleiben und nächste Woche die Gespräche fortsetzen“. Exklusive Gespräche nur mit einer Partei dürfte es in dieser Phase der Regierungsverhandlungen noch nicht geben. Allgemein wird erwartet, dass die ÖVP nun zu vertiefenden Sondierungsrunden mit Grünen, SPÖ und möglicherweise NEOS einlädt.
Als erster Ansprechpartner für eine Regierungsbildung unter Kurz werden unter Politikexperten und Politikexpertinnen derzeit die Grünen gehandelt. Neben dieser Variante hätte auch eine ÖVP-geführte Koalition mit der SPÖ oder der FPÖ eine Mehrheit im Nationalrat. NEOS kommt für eine Zweierkoalition nicht infrage, es könnte nur als ergänzender Partner in einer Dreierkoalition fungieren.
Kogler will „ernsthafte Sondierungen“
Kogler sprach sich am Mittwoch nach dem rund zweistündigen Gespräch für „vertiefende Sondierungen“ aus. Über Inhalte habe man noch nicht gesprochen, so der Grünen-Chef nach seiner Unterredung mit Kurz. „Wir werden uns jetzt weiter vorbereiten auf ernsthafte Sondierungen. Ich gehe davon aus, dass der Ex-Kanzler in den nächsten Wochen einen bestimmten Sondierungsfahrplan vorlegen wird“, sagte Kogler.
Kogler verwies auch auf die nun anstehenden innerparteilichen Beratungen bei den Grünen. Anfang kommender Woche werde er bei einer Pressekonferenz Details bekanntgeben. Zum Gespräch mit Kurz sagte Kogler, er habe mitgenommen, „dass wir in echte Gespräche einsteigen wollen und werden“. Es werde notwendig sein, sich die wichtigsten Kapitel vorzunehmen und eine „Agenda fürs Sondieren vorzunehmen“. Die Grünen werden daher damit beginnen, ein „Sondierungsteam“ zusammenstellen.
Sinn von Koalitionsverhandlungen abklären
Er fühle sich den Wählern verpflichtet, sagte Kogler. Es gelte die Fragen, die den Grünen wichtig sind wie Umweltpolitik, Klima- und Naturschutzfragen, aber auch Fragen der Wirtschaft in diese Sondierungen einzubringen. Es gehe darum festzustellen, „ob das dann einen Sinn hat, in echte Regierungsverhandlungen einzutreten“. Angesichts des Stimmenzuwachses der Grünen von rund zehn Prozentpunkten sei es „völlig logisch“, dass sich die Partei auf vertiefende Sondierungsgespräche vorbereite. In der Sache, dass man das mit der ÖVP tue, verwies Kogler auf die starken Zugewinne der Volkspartei.
ÖVP-Sondierungsgespräche mit Grünen und NEOS
ÖVP-Chef Sebastian Kurz hat am Mittwoch die Spitzenkandidaten von NEOS und der Grünen zu ersten Sondierungsgesprächen nach der Wahl getroffen.
Wichtig bei diesen von ihm gewünschten Sondierungsgesprächen sei, dass man den Wählern und der Öffentlichkeit nach einer gewissen Zeit sagen könne: „Ja, es hat einen Sinn, dass wir in diese Verhandlungen (die echten Koalitionsverhandlungen, Anm.) eintreten. Das ist das Ziel der nächsten Zeit.“ Wie lange die Sondierungsgespräche gehen könnten, darauf wollte sich Kogler nicht festlegen. Die Hoheit über den weiteren Fahrplan liege jedenfalls beim ÖVP-Chef, sagte er.
Noch keine Inhalte besprochen
Einen Exklusivanspruch auf Sondierungen forderte Kogler nicht. Er wolle da nicht überheblich sein, meinte er. „Es ist ein begrifflicher Unterschied: Wenn es jemals zu Verhandlungen käme, würden wir uns überlegen, welchen Exklusivitätsanspruch das hat.“ Inhalte habe man noch nicht besprochen, sagte Kogler. Es sei um die Atmosphäre gegangen und darum, „wie wir die Situation sehen nach der Wahl“. Und auch darum, wie man nach dem Wahlkampf wieder versucht, ernsthaft miteinander zu reden. Es gehe jetzt einmal um eine „Erkundung“, ob Koalitionsverhandlungen überhaupt möglich sind, weniger um eine „kompetente Tiefbohrung“, hatte Kogler schon vor dem Gespräch gesagt.
Meinl-Reisinger: „Rote Linien definiert“
Wie schon Rendi-Wagner und Hofer am Dienstag legte am Mittwoch neben Kogler auch NEOS-Vorsitzende Meinl-Reisinger ihre Vorstellungen vor. Sie sagte nach ihrem Treffen mit Kurz, sie habe bei dem Gespräch „rote Linien“ definiert, etwa dass NEOS nicht in einer Regierung mitarbeiten werde, die grundsätzliche Menschenrechte infrage stellt.
Auch habe sie einmal mehr die vier Koalitionsbedingungen dargelegt, sagte Meinl-Reisinger. Das beinhalte die Forderung nach Transparenz und sauberer Politik, mehr Maßnahmen im Bildungsbereich, einer Entlastung von Arbeitnehmern und Wirtschaft sowie einem Klima- und Umweltpakt. Auf die Frage, ob nach dem knapp zweistündigen Treffen mit Kurz ihre Lust auf eine Koalitionsbeteiligung gestiegen sei, sagte Meinl-Reisinger, das sei „keine Frage der Lust“. „Wäre es eine Frage der Lust, würde das Ganze ganz anders ablaufen“, scherzte sie.

Kein Einlassen auf Spekulationen
Auf allfällige Koalitionsspekulationen wollte sich keiner der Gesprächspartner einlassen. Der Ball liege jetzt bei Kurz, meinten sowohl Rendi-Wagner als auch Meinl-Reisinger nach ihren Gesprächen. Die SPÖ-Chefin hatte am Dienstag von einem „freundlichen Austausch“ berichtet, inhaltlich habe man „sehr an der Oberfläche die wichtigsten Themenbereiche besprochen“. Ob sich die SPÖ am Ende eher in der Koalition oder in der Opposition befinden wird, hänge davon ab, „wie man uns jetzt begegnet“. Auf keinen Fall würde die SPÖ für „Scheingespräche“ zur Verfügung stehen, so Rendi-Wagner. Sollte die SPÖ von der ÖVP zu Gesprächen eingeladen werden, möchte sie konstruktiv zusammenarbeiten.