Wahlveranstaltung der PiS-Partei
APA/AFP/Wojtek Radwanski
Polen wählt

Regierungspartei PiS vor Durchmarsch

In Polen sind am Sonntag mehr als 30 Millionen Bürger und Bürgerinnen zur Wahl eines neuen Parlaments aufgerufen. Wenn man den letzten Umfragen Glauben schenkt, steht die Siegerin schon fest: Die nationalkonservative Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) steuert auf ihren nächsten Wahlsieg zu.

Laut Umfragen liegt die PiS mindestens zehn Prozent vor der stärksten Oppositionspartei. Die absolute Mehrheit der Sitze im Parlament, die sich die Partei vor vier Jahren holte, wird man verteidigen – und mit großer Wahrscheinlichkeit auch ausbauen. Am Ende könnte die PiS die Hälfte aller abgegeben Stimmen gewinnen. Eine der letzten Umfragen bescheinigte der Regierungspartei nämlich bis zu 48 Prozent, somit einen Stimmenzuwachs von knapp elf Prozent im Vergleich zu 2015.

Damals erzielte die Partei, die dieses Mal mit Ministerpräsident Mateusz Morawiecki als Spitzenkandidat antritt, 37,6 Prozent und sicherte sich die absolute Mehrheit der Sitze (235 von 460) in der Sejm, der ersten Kammer im Parlament. Im Senat, der auch zur Wahl steht, hält die PiS 61 von 100 Sitzen. Den Rest teilt sich die Opposition. Selbst wenn die PiS nur auf 41,7 Prozent käme, wie eine Umfrage von Freitag ergab, liegt sie noch immer weit vor der Opposition.

Viele Versprechen im Sozialbereich

Die PiS hat seit Jahren einen Erfolgslauf hinter sich. Seit der Gründung im Jahr 2001 spielen die Rechtskonservativen stets im politischen Spitzenfeld mit. Während man 2001 bei der Parlamentswahl mit 9,50 Prozent an vierter Stelle lag, gewann man die Wahl 2005 mit 27 Prozent. Bei der EU-Wahl erreichte die PiS 45,4 Prozent – was als Reaktion auf Klagen der EU-Kommission gewertet werden kann. Wegen der von der PiS-Regierung umgesetzten umstrittenen Justizreform wurde Polen am Europäischen Gerichtshof (EuGH) geklagt. Außerdem startete die Kommission ein Rechtsstaatsverfahren nach Artikel 7 gegen das Land.

Grafik zur Parlamentswahl in Polen 2015
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA/Gazeta Wyborcza

Im Wahlkampf setzte die PiS auf die nationale Karte und versprach insbesondere ärmeren Bevölkerungsschichten mehr Wohlstand durch kräftig steigende Sozialausgaben. Polen muss beim Sozialstaat zu Westeuropa aufschließen, argumentierte PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski und versprach Rentnerprämie, höheren Mindestlohn und Steuererleichterung für Kleinunternehmer. Aber Kaczynski, der als Mandatar im Parlament sitzt, ventiliert auch erzkonservative Botschaften. „Eine normale Familie, das sind Mutter, Vater und Kinder“, wetterte der 70-Jährige gegen die Ehe für alle.

PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski und polnischer Ministerpräsident Mateusz Morawiecki
Reuters/Agencja Gazeta
Morawiecki (li.) ist zwar Ministerpräsident Polens, aber PiS-Chef Kaczynski hat laut Beobachtern das Sagen

Das Wahlprogramm sieht außerdem vor, die Immunität von Richtern und Richterinnen sowie Staatsanwälten und Staatsanwältinnen künftig generell aufzuheben. Im Falle einer Anklage soll die Entscheidung darüber der Generalstaatsanwaltschaft vorbehalten sein, über eine Inhaftierung eines Richters oder Staatsanwalts soll nur der Oberste Gerichtshof entscheiden dürfen. Damit will PiS-Chef Kaczynski die umstrittenen Justizreformen fortsetzen.

Ex-Präsidenten stellen sich auf Oppositionsseite

Für Beobachter und Beobachterinnen gilt Kaczynski schon lange als die tragende Figur hinter der polnischen PiS-Regierung. Gemeinsam mit seinem Zwillingsbruder Lech Kaczynski, der als Staatspräsident 2010 bei einem Flugzeugabsturz ums Leben kam, gründete er die Partei vor 18 Jahren. Kaczynski hat zwar kein Staatsamt inne (von 2006 bis 2007 war er Ministerpräsident), wird von Medien aber als „mächtigster Mann“ Polens beschrieben. Er regiere die Partei und somit die Regierung von der „Rückbank“ aus, schrieb etwa der „Spiegel“.

Dass Kaczynksi die Fäden zieht, war auch 2017 erkennbar, als er die Regierungsspitze quasi im Alleingang tauschte. Beata Szydlo musste gehen, mit Morawiecki kam nicht nur ein Vertrauter Kaczyinskis an die Schalthebel, sondern auch ein Wirtschaftsexperte. Kommentatoren werteten den Schritt als Kurswechsel der PiS. Der Ton sei gemäßigter, sowohl nach innen als nach außen. „Aus der aggressiven PiS wurde die gemäßigte, wählbare PiS“, so der „Spiegel“.

Ehemalige polnische Präsidenten Lech Walesa, Aleksandr Kwasniewski und Bronislaw Komorowski
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Die Ex-Präsidenten Walesa (re.), Kwasniewski (Mitte) und Komorowski (li.) stellen sich gegen die PiS

Die PiS-Übermacht in Sejm und Senat und die Tatsache, dass die Partei mit Andrzej Duda einen Vertrauten im Amt des Präsidenten hat, machen es der Opposition freilich nicht einfach. Vor zwei Wochen richteten deshalb die drei ehemalige Präsidenten Lech Walesa, Aleksandr Kwasniewski und Bronislaw Komorowski einen Appell an unabhängige Kandidaten und Kandidatinnen für den Senat. Diese sollten doch ihre Kandidatur zurückstellen, um die drei Oppositionsparteien im Rennen gegen die PiS zu stärken.

Ultrarechte vor Einzug ins Parlament

Sechs Wochen vor dem Urnengang stellte das liberalkonservative Bündnis Bürgerkoalition (KO) mit Malgorzata Kidawa-Blonska eine frühere Parlamentspräsidentin gegen die PiS auf. Im Wahlkampf warb sie für eingetragene Partnerschaften, die es in Polen noch nicht gibt. Den Umbau der Justiz will sie rückgängig machen. Aber sie konnte die Stimmung im Land nicht zu ihren Gunsten drehen. Das größte Oppositionsbündnis liegt laut Umfragen zwischen 26 bis 29 Prozent. Der Linksblock Lewica kommt auf 13 Prozent.

Spitzenkandidatin der Bürgerkoalition (KO) Malgorzata Kidawa-Blonska
AP/Czarek Sokolowski
Kidawa-Blonska tritt für das größte Oppositionsbündnis an, hat aber vermutlich das Nachsehen gegenüber der PiS

An der Fünfprozenthürde könnten letzten Endes die Volkspartei (PSL) und der Bund der extremen Rechten (Konföderation) scheitern. Gelingt ihnen allerdings der Einzug ins Parlament, wäre die absolute Mehrheit der PiS fraglich. Ein bekanntes Gesicht der Konföderation ist der ehemalige EU-Mandatar Janusz Korwin-Mikke, der schon öfters mit homophoben und frauenfeindlichen Aussagen für Aufregung sorgte. So sagte der 76-Jährige etwa, Frauen verdienten zu Recht weniger als Männer. Sie seien durchschnittlich weniger intelligent.

Zwar wetterte Korwin-Mikke im Wahlkampf gegen die PiS, allerdings willigte die Konföderation bereits ein, Koalitionsverhandlungen mit der Regierungspartei zu führen, falls diese die „Absolute" verpasst. So zitierte der Deutschlandfunk Robert Winnicki, einen Spitzenpolitiker der Ultrarechten: „Wir stellen Bedingungen. Wir wollen nicht, dass EU-Recht weiterhin unreflektiert übernommen wird. Wir wollen, dass das ungeborene Leben von der Zeugung an geschützt wird. Ich bezweifle, dass andere Parteien auf diese Forderungen eingehen werden.“