EU-Parlament stoppt Macrons Kandidatin für Kommission

Das Europaparlament hat die Kandidatin des französischen Präsidenten Emmanuel Macron für die neue EU-Kommission abgelehnt. Die frühere französische Verteidigungsministerin Sylvie Goulard bekam gestern bei einer Abstimmung des zuständigen Parlamentsausschusses für Industrie und Binnenmarkt nicht die erforderliche Mehrheit.

 französische Verteidigungsministerin Sylvie Goulard
APA/AFP/Kenzo Tribouillard

„Betrügerische Absicht“ bestritten

Nach Angaben aus dem Parlament stimmten lediglich 29 Abgeordnete für und 82 gegen sie. Grund für die Ablehnung waren unter anderem laufende Ermittlungen gegen Goulard zu einer Affäre um Scheinbeschäftigung eines Assistenten auf Kosten des Europaparlaments. Auch in Frankreich beschäftigt die Angelegenheit die Justiz. Goulard hat inzwischen 45.000 Euro an das EU-Parlament zurückgezahlt. Sie bestreitet jegliche „betrügerische Absicht“.

Auch aufgrund einer mehrjährigen hoch dotierten Beratertätigkeit für die Denkfabrik eines Privatinvestors wird ermittelt. Die EU-Abgeordneten gaben sich in zwei Anhörungen mit den Antworten der Kandidatin insbesondere zur Assistenten-Causa nicht zufrieden. Sie störten sich vor allem daran, dass Goulard ausschloss, automatisch zurückzutreten, sollte Anklage gegen sie erhoben werden.

„Opfer eines politischen Spiels“

In einem ersten Statement sah Macron in Goulard „ein Opfer eines politischen Spiels“, wie es aus seinem Büro hieß. Er kündigte Gespräche mit der künftigen Kommissionschefin Ursula von der Leyen an. Von ihr zeigte er sich enttäuscht: Es machte die Deutsche für die Ablehnung seiner Kandidatin verantwortlich.

Es sei von der Leyen gewesen, die auf Goulard bestanden habe, da sie die frühere Verteidigungsministerin persönlich kenne, betonte Macron. Macron führte bei einer Pressekonferenz in Lyon aus, er habe von der Leyen drei Kandidatinnen und Kandidaten für das Ressort Industrie und Binnenmarkt in Brüssel vorgeschlagen, das für Frankreich sehr wichtig sei. „Sie hat mir gesagt, ich will mit Sylvie Goulard arbeiten, ich kenne sie und weiß, was sie wert ist“, sagte Macron.

„Das muss man mir schon erklären“

Er selbst habe von der Leyen dann vor möglichen „Diskussionen“ über Goulard gewarnt, gegen die Betrugsermittlungen laufen. Die künftige Kommissionschefin habe jedoch erwidert, sie werde mit den Vorsitzenden der EU-Parlamentsgruppen sprechen. Später habe die Deutsche ihm versichert: „Alles gut, Madame Goulard passt ihnen.“ Dass Goulard nun mit breiter Mehrheit durchgefallen sei, verstehe er nicht, sagte Macron. „Das muss man mir schon erklären.“ Es handle sich womöglich um „Ressentiments, vielleicht auch um Engstirnigkeit“ vonseiten der Parlamentarier.

Von der Leyen: „Demokratisches und transparentes Verfahren“

Von der Leyen rief zu Besonnenheit auf: „Wir gehen durch ein demokratisches und transparentes Verfahren“, sagte sie in Brüssel. Von den 26 Kandidatinnen und Kandidaten, die ihr aus den Mitgliedsstaaten vorgeschlagen wurden, seien immerhin 23 akzeptiert worden. Man dürfe nun nicht vergessen, worum es „in einem größeren Sinn“ gehe. „Es geht um die nächsten fünf Jahre für Europa, die entscheidend sein werden in einem schwierigen weltweiten Umfeld“, sagte von der Leyen.

Eine Art „Superkommissarin“

Die liberale Politikerin Goulard, die in der neuen EU-Kommission als eine Art „Superkommissarin“ die Bereiche Binnenmarkt, Industrie und Verteidigung übernehmen sollte, ist bereits die dritte Kandidatin, die das EU-Parlament abgelehnt hat. Ebenfalls zurückgewiesen wurden bisher die Rumänin Rovana Plumb und der Ungar Laszlo Trocsanyi. Goulard kam wegen laufender Ermittlungen wegen einer Scheinbeschäftigungsaffäre im EU-Parlament unter Druck.