Jaroslaw Kaczynski (PiS)
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Exit-Polls

Regierungspartei gewinnt Polen-Wahl

Die nationalkonservative polnische Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) hat bei der Parlamentswahl am Sonntag Prognosen zufolge einen klaren Sieg errungen und bleibt somit stärkste politische Kraft. Damit könnte der Streit zwischen Warschau und Brüssel über die umstrittenen Justizreformen anhalten.

Laut Nachwahlbefragungen des Institutes Ipsos kam die Partei von Ministerpräsident Mateusz Morawiecki auf 43,6 Prozent. Sie dürfte damit ihre absolute Mehrheit ausbauen. „Dieses Ergebnis gibt uns einen großen gesellschaftlichen Auftrag, wir haben Vertrauen gewonnen“, sagte Morawiecki vor jubelnden Anhängern und Anhängerinnen.

Das stärkste Oppositionsbündnis, die liberal-konservative Bürgerkoalition (KO) der ehemaligen Regierungspartei Bürgerplattform (PO), kam mit Spitzenkandidatin Malgorzata Kidawa-Blonska lediglich auf 27,4 Prozent der Stimmen. Die 62-Jährige sagte nach der Abstimmung, es gebe viele Bürger, die nicht wollten, dass Polen in zwei Teile zerbreche. „Wir werden mit jedem zusammenarbeiten, der ein demokratisches Polen aufbauen möchte, der die Macht mit allen Bürgern teilen möchte, statt sich in einem Gebäude einzuschließen und allein zu regieren.“

Robert Biedron (Lewica) jubelt
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Das Linksbündnis SLD freute sich über knapp zwölf Prozent

Ultrarechte schafften Einzug

Ein heimlicher Gewinner der Wahl ist das Linksbündnis SLD, das mit 11,9 Prozent laut Prognosen drittstärkste Kraft wurde. Das Bündnis besteht aus der postkommunistischen Sozialdemokratischen Partei, der neuen linksliberalen Gründung Wiosna (Frühling) des Homosexuellen-Aktivisten Robert Biedron sowie der linken Bewegung Razem (Gemeinsam). Bei der Wahl 2015 waren die Kräfte des linken Spektrums zersplittert angetreten und hatten den Einzug ins Parlament verpasst.

Parlamentswahl in Polen

In Polen waren am Sonntag 30 Millionen Menschen aufgerufen, ein neues Parlament zu wählen. Stärkste Partei bleibt den Prognosen zufolge die Regierungspartei PiS.

Die konservative Polnische Koalition der Bauernpartei (PSL) erhielt 9,6 Prozent der Stimmen. Auch der Bund der Ultrarechten (Konfederacja) schaffte mit 6,4 Prozent den Einzug ins Parlament. Nach den ersten Prognosen könnte Morawiecki wie bisher ohne Koalitionspartner regieren: Der PiS wurden 239 Sitze im neuen Parlament vorhergesagt, für die absolute Mehrheit sind 231 Mandate im Sejm, der ersten Kammer des Parlaments, notwendig.

Grafik zeigt die Sitzverteilung bei der Parlamentswahl in Polen
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA

Streit mit Brüssel

Vor vier Jahren erzielte die Partei 37,6 Prozent und sicherte sich die absolute Mehrheit der Sitze (235 von 460). Im Senat hielt die PiS 61 von 100 Sitzen. Den Rest teilte sich die Opposition. Die PiS erlebt seit Jahren einen Erfolgslauf. Seit der Gründung im Jahr 2001 spielen die Nationalkonservativen stets im politischen Spitzenfeld mit. Während man 2001 bei der Parlamentswahl mit 9,50 Prozent an vierter Stelle lag, gewann man die Wahl 2005 mit 27 Prozent.

Bei der EU-Wahl erreichte die PiS 45,4 Prozent – was als Reaktion auf Klagen der EU-Kommission gewertet werden kann. Wegen der von der PiS-Regierung umgesetzten umstrittenen Justizreform wurde Polen vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) geklagt. Außerdem startete die Kommission ein Rechtsstaatsverfahren nach Artikel 7 gegen das Land. Die PiS hat die Justizreformen damit begründet, dass das Rechtswesen effizienter werden und sie zudem die letzten Überreste des Kommunismus beseitigen müsse.

Das Wahlprogramm der PiS sieht vor, die Immunität von Richtern und Richterinnen sowie Staatsanwälten und Staatsanwältinnen künftig generell aufzuheben. Im Falle einer Anklage soll die Entscheidung darüber der Generalstaatsanwaltschaft vorbehalten sein, über eine Inhaftierung eines Richters oder Staatsanwalts soll nur der Oberste Gerichtshof entscheiden dürfen. Damit will PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski die umstrittenen Justizreformen fortsetzen.

Viele Versprechen im Sozialbereich

Im Wahlkampf setzte die PiS auf die nationale Karte und versprach insbesondere ärmeren Bevölkerungsschichten mehr Wohlstand durch kräftig steigende Sozialausgaben. Polen müsse beim Sozialstaat zu Westeuropa aufschließen, so Kaczynski und versprach Prämien für Pensionisten, einen höheren Mindestlohn und Steuererleichterung für Kleinunternehmer. Aber Kaczynski, der als Mandatar im Parlament sitzt, ventiliert auch konservative Botschaften. „Eine normale Familie, das sind Mutter, Vater und Kinder“, sagte der 70-Jährige und wetterte gegen die Ehe für alle.

PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski und polnischer Ministerpräsident Mateusz Morawiecki
Reuters/Agencja Gazeta
Morawiecki (l.) ist zwar Ministerpräsident Polens, aber PiS-Chef Kaczynski hat laut Beobachtern das Sagen

Die Partei stilisierte den Urnengang zudem zu einer Art Schicksalswahl. Die Bürgerinnen und Bürger müssten wählen zwischen einer Gesellschaft nach traditionellen katholischen Werten und einer liberalen Einstellung, die nur ein paar Ausgewählte unterstütze und das Familienleben unterwandere. Die Opposition bezeichnete Kaczynski als Gefahr für die „Moral und kulturelle Ordnung“ in Polen. Die PO-Spitzenkandidatin Kidawa-Blonska warf der PiS vor, das Land in den Untergang zu führen.

Ernst Gelegs (ORF) über die Wahl in Polen

ORF-Korrespondent Ernst Gelegs berichtet unter anderem, ob die PiS die Wahl trotz oder gerade wegen ihrer harten Politik gewonnen hat.

PiS-Chef „mächtigster Mann Polens“

Für Beobachter und Beobachterinnen gilt Kaczynski schon lange als die tragende Figur der Regierung. Gemeinsam mit seinem Zwillingsbruder Lech Kaczynski, der als Staatspräsident 2010 bei einem Flugzeugabsturz ums Leben kam, gründete er die Partei vor 18 Jahren. Kaczynski hat zwar kein Staatsamt inne (2006 und 2007 war er Ministerpräsident), wird von Medien aber als „mächtigster Mann“ Polens beschrieben. Er regiere die Partei und somit die Regierung von der „Rückbank“ aus, schrieb etwa der deutsche „Spiegel“.

Dass Kaczynksi die Fäden zieht, war auch 2017 erkennbar, als er die Regierungsspitze quasi im Alleingang tauschte. Beata Szydlo musste gehen, mit Morawiecki kam nicht nur ein Vertrauter Kaczyinskis an die Schalthebel, sondern auch ein Wirtschaftsexperte. Kommentatoren werteten den Schritt als Kurswechsel der PiS. Der Ton sei gemäßigter, sowohl nach innen als auch nach außen. „Aus der aggressiven PiS wurde die gemäßigte, wählbare PiS“, so der „Spiegel“.