Jurist dürfte Tunesien-Wahl klar gewonnen haben

Bei der zweiten Runde der Präsidentschaftswahl in Tunesien sehen die Nachwahlbefragungen einen deutlichen Sieger. Der parteilose Verfassungsrechtler Kais Saied kommt nach einer Befragung von Emrhod Consulting auf 72,5 Prozent der Stimmen.

Der bis vor Kurzem inhaftierte Medienunternehmer Nabil Karoui kommt laut den Angaben auf 27,5 Prozent, wie der staatliche Fernsehsender Watania gestern berichtete. Das Meinungsforschungsunternehmen Sigma Conseil sieht den Juristen sogar bei knapp 77 Prozent. Ein amtliches Endergebnis wird innerhalb der kommenden zwei Tage erwartet.

Politisches System vor tiefgreifendem Umbruch

Tunesien hatte nach dem „arabischen Frühling“ vor acht Jahren zwar tiefgreifende demokratische Reformen eingeleitet. Das Land kämpft aber mit großen wirtschaftlichen Problemen und hoher Arbeitslosigkeit. Die Unzufriedenheit in der Bevölkerung ist groß.

Tunesiens politisches System steht vor einem tiefgreifenden Umbruch. Innerhalb weniger Wochen wurden sowohl der Präsident als auch das Parlament neu gewählt. Bei der Parlamentswahl in der vergangenen Woche wurden die etablierten Parteien deutlich abgestraft.

Die moderat islamistische Ennahda sicherte sich zwar 52 der insgesamt 217 Sitze im Parlament, verlor aber deutlich an Zuspruch. Auf Platz zwei folgte die von Präsidentschaftskandidat Karoui neu gegründete Partei Qalb Tounes (Herz von Tunesien) mit 38 Sitzen. Beide Parteien schließen eine Koalition aus. Das Parlament ist stark zersplittert, was eine Regierungsbildung nach Ansicht schwierig machen könnte.

Politische Außenseiter

Auch die erste Runde der Präsidentschaftswahl hatte mit Saied und Karoui zwei Außenseiter in die Stichwahl gebracht. Der Medienunternehmer Karoui saß bis Mitte vergangener Woche wegen des Verdachts auf Steuerhinterziehung und Geldwäsche in Untersuchungshaft.

Die Wahlbeteiligung lag nach Angaben der unabhängigen Wahlbehörde ISIE über der Beteiligung bei den vergangenen Wahlgängen. Es gaben mindestens 58 Prozent der registrierten Wählerinnen und Wähler ihre Stimme ab. Allerdings lagen am Abend zunächst nur die Daten aus 70 Prozent der Wahllokale vor.

Bei der ersten Runde der Präsidentschafts- und der anschließenden Parlamentswahl beteiligten sich allerdings lediglich 45 und 41 Prozent. Insgesamt sind rund sieben Millionen Tunesier als Wähler registriert.