Gergely Karacsony
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FIDESZ geschlagen

Opposition erobert Budapest

Bei den Kommunalwahlen in Ungarn hat die Opposition die Hauptstadt Budapest gewonnen. Der Mitte-links-Kandidat Gergely Karacsony führte nach Auszählung fast aller Stimmen Montagfrüh mit 50,78 Prozent. Vor allem in den innerstädtischen Bezirken wurde die rechtspopulistische FIDESZ überholt – auch in anderen Teilen des Landes gingen Hochburgen verloren.

Amtsinhaber Istvan Tarlos, der von FIDESZ von Ministerpräsident Viktor Orban unterstützt wurde und das Bürgermeisteramt in Budapest seit 2010 innehatte, kam – Stand Montagfrüh – lediglich auf rund 44,19 Prozent. Die Wahlbeteiligung lag bei etwa 48 Prozent. Gewählt wurden Bürgermeister und Gemeinderäte von mehr als 3.000 Kommunen. Ein Sprecher Karacsonys sagte der Nachrichtenagentur AFP, Tarlos habe seinem 44-jährigen Herausforderer telefonisch gratuliert.

Orban wandte sich an seine Anhänger, um die Tragweite des Ergebnisses herunterzuspielen. Er sagte, er sehe das Wahlergebnis als Sieg seiner Partei, die nach wie vor laut Listenstimmen die stärkste in Ungarn sei. Budapest habe zwar seinen Bürgermeister verloren, er jedoch „einen ausgezeichneten Berater gewonnen“. Der künftig von der Opposition regierten Hauptstadt bot er vage eine „Zusammenarbeit“ an, ohne in Einzelheiten zu gehen. Im Wahlkampf hatten Orbans Gefolgsleute damit gedroht, dass Gemeinden, die an die Opposition fallen, keine Gelder von der Regierung mehr bekommen würden.

Budapest wird „grüner und freier“

Karacsony sprach von einem „historischen Sieg, durch den Budapest grüner und freier wird“. Die Bürger würden „sich nun ihre Stadt von der Macht (der Orban-Regierung) zurückholen“. Er versprach, Budapest ins 21. Jahrhundert und in die Mitte Europas zu führen, „wo es immer schon hingehörte“. Die Opposition wirft Orban eine autoritäre und korrupte Amtsführung vor.

Viktor Orban und Istvan Tarlos
APA/AFP/Ferenc Isza
Tarlos verlor bei der Bürgermeisterwahl in Budapest – für Orban ist es die erste Wahlschlappe seit seinem Amtsantritt

FIDESZ verliert in mehreren Hochburgen

Die Kandidaten der Opposition gewannen die Bürgermeisterwahlen in 13 von 23 Budapester Stadtbezirken. Bisher stellte FIDESZ 17 Bezirksbürgermeister. Im Stadtrat von Budapest, der nicht direkt gewählt ist, hat die Opposition 18 und FIDESZ 14 Mandate. Bisher hatte die Orban-Partei in dem Gremium die Mehrheit.

Neben Budapest gingen weitere größere Städte an die im Wahlkampf geeinte Opposition. Auch in der südostungarischen Stadt Hodmezövasarhely konnte sich der gemeinsame Kandidat der Opposition, Bürgermeister Peter Marki-Zay, durchsetzen. Marki-Zay hatte sich bereits 2018 bei Bürgermeister-Zwischenwahlen in der einstigen FIDESZ-Hochburg das Amt gesichert. Auch in Miskolc, Pecs und Dunaujvaros sicherten sich Oppositionskandidaten das Amt des Bürgermeisters. Dennoch bleibt das Land fest in FIDESZ-Hand, die Regierungspartei siegte wie erwartetet in den meisten Gemeinden.

Allerdings fiel der vernichtende Schlag, den FIDESZ gegen die Opposition angekündigt hatte, nach dem bisherigen Wahlergebnis aus, da die sozialliberalen Oppositionsparteien mittels des neuen Zusammenschlusses und gemeinsam aufgestellter Kandidaten einen weiteren FIDESZ-Erdrutschsieg verhindern konnte. Für Orban war es die erste Wahlniederlage seit seinem Amtsantritt 2010.

Frust in den urbanen Zentren

Der Durchbruch der Opposition kam unerwartet, er wird seitens politischer Beobachter als „Denkzettel“ bezeichnet. Über die Gründe für die unerwartete Deutlichkeit des Oppositionserfolgs gab es vorerst nur Spekulationen. Vor allem in den urbanen Zentren des Landes herrscht eine gewisse Frustration darüber, dass die Orban-Regierung in den vergangenen Jahren die Schulen und Gesundheitseinrichtungen der Staatsverwaltung unterstellt und den Gemeinden weggenommen hat.

Sexskandal um Györs Bürgermeister

Bei den Wahlergebnissen dürfte zudem der Sexskandal um Zsolt Borkai, den FIDESZ-Bürgermeister der sechstgrößten Stadt Györ, eine Rolle gespielt haben. Kurz vor den Kommunalwahlen gelangten heimlich aufgenommene Videos dank eines anonymen Bloggers ins Netz, der sich „Anwalt des Teufels“ nennt und laut eigenen Angaben als Rechtsanwalt korrupte Geschäfte von Regierungspolitikern abgewickelt hat.

Die Videos zeigen, wie sich Borkai im Frühjahr 2018 auf einer Jacht in der Adria mit Prostituierten vergnügt. Laut Medienberichten war auch Kokain im Spiel. Der 54-jährige gab letztlich zu, er sei auf den Videos zu sehen. FIDESZ bezeichnete das Sexvideo als „Privatangelegenheit“ von Borkai. Keinen Kommentar gab es außerdem zu den Vorwürfen, dass Borkai in korrupte Geschäfte verwickelt sei, die ihm Millionen Euro mittels Scheinfirmen eingebracht haben sollen.

Politologen vertraten bereits kurz nach Bekanntwerden des Skandals die Ansicht, dass sich der Sexskandal negativ auf FIDESZ auswirken könnte – gerade für eine Partei, die „Heiligkeit der Familie“ in den Mittelpunkt ihrer Kommunikation stellt, erinnerte etwa das Onlineportal Hvg.hu. Borkai gewann dennoch die Wahl in seiner Stadt, wenn auch nur mit einem knappen Vorsprung von eineinhalb Prozentpunkten.