Die angeklagten katalanischen Seperatistenführer im Gerichtssaal in Madrid
Reuters/Emilio Naranjo
Spanien

Bis zu 13 Jahre Haft für Separatistenführer

In einem historischen Prozess hat das oberste Gericht in Madrid am Montag neun der zwölf angeklagten katalanischen Separatistenführer wegen Aufruhrs schuldig gesprochen. Sie wurden zu langjährigen Haftstrafen von bis zu 13 Jahren verurteilt. Bei dem Prozess ging es um die Rolle der Angeklagten in einem verbotenen Unabhängigkeitsreferendum 2017. Gegen den früheren Regionalpräsidenten Carles Puigdemont wurde ein neuer Haftbefehl erlassen.

Von einer Verurteilung wegen des von der Staatsanwaltschaft eingebrachten Vorwurfs der Rebellion, der mit Gefängnisstrafen von bis zu 25 Jahren geahndet wird, sahen die Richter ab. Dafür seien einige von ihnen der Veruntreuung öffentlicher Gelder schuldig, hieß es. Drei weitere angeklagte Ex-Politiker wurden des Ungehorsams schuldig gesprochen.

Wie spanische Medien bereits am Wochenende berichteten, fiel das Urteil der sieben Richter einstimmig aus. Dass der Richterspruch vor der offiziellen Verkündung bekanntwurde, stieß auf scharfe Kritik. Die Verteidigung von drei der Angeklagten drückte in einer Mitteilung ihr „absolutes Erstaunen“ über das „mutmaßliche Leck“ bei Gericht aus.

Neuer Haftbefehl gegen Puigdemont

Es handle sich um einen „offensichtlichen Verstoß gegen die Geheimhaltung der Beratungen“. Auch der frühere Regionalpräsident Kataloniens Puigdemont, kritisierte das Urteil. Er sprach auf Twitter von einem „Mangel an Respekt“ und einer „Verletzung der Rechte“ der Angeklagten. Nun müsse reagiert werden wie nie zuvor. „Für die Zukunft unserer Söhne und Töchter“, fügte er hinzu.

Auch Puigdemont hat die spanische Justiz wieder im Visier: Höchstrichter Pablo Llarena habe am Montag einen internationalen sowie einen Europäischen Haftbefehl gegen Puigdemont erlassen, berichteten spanische Medien. Der Separatistenführer hatte sich nach dem umstrittenen Unabhängigkeitsreferendum am 1. Oktober 2017, das von der spanischen Regierung mit der Aufhebung der Autonomie Kataloniens beantwortet wurde, ins Ausland abgesetzt.

Im Vorjahr schlugen zwei Versuche fehl, seine Auslieferung mit einem Europäischen Haftbefehl zu erreichen. Puigdemont, der im Exil in Brüssel lebt, hatte sich auch bei der spanischen Europawahl im Mai aufstellen lassen und dabei ein Mandat gewonnen. Er kann es aber nicht antreten, weil er sich weigert, den in Spanien vorgeschriebenen Amtseid abzulegen.

Spanien will „neues Kapitel aufschlagen“

Die spanische Regierung will nach dem historischen Urteil überhaupt „ein neues Kapitel“ in den Beziehungen zu Katalonien aufschlagen. „Wenn man die Extremisten zur Seite schiebt, können wir ein neues Kapitel für ein modernes, pluralistisches und tolerantes Katalonien beginnen, das den ihm zustehenden Platz in Spanien einnimmt“, hieß es Stellungnahme am Montag.

Es gehe darum, „gemeinsam zu einem stärkeren Europa beizutragen“, hieß es in der von der spanischen Botschaft in Wien der APA übermittelten Erklärung. „Die Herausforderungen der Gegenwart benötigen gemeinsam ausgeübte Souveränitäten innerhalb der Europäischen Union statt sie in Stücke zu reißen. Wir sollten nicht in die entgegengesetzte Richtung gehen.“

Unabhängigkeitsreferendum organisiert

Der Mammutprozess gegen die führenden Vertreter der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung hatte im Februar begonnen und spaltete das Land. Bei dem Verfahren ging es um die Rolle der Separatistenführer bei dem verbotenen Unabhängigkeitsreferendum vom 1. Oktober 2017 und einem daraus resultierenden Unabhängigkeitsbeschluss der Regionalregierung in Barcelona.

Hauptangeklagter war der frühere stellvertretende Regionalpräsident Oriol Junqueras. Der Großteil der Angeklagten sitzt bereits seit zwei Jahren in U-Haft. Insgesamt wurden fast 600 Zeuginnen und Zeugen vernommen, darunter der konservative frühere Ministerpräsident Mariano Rajoy, in dessen Amtszeit das Referendum fiel. Im Herbst 2017 hatte Rajoy die Regionalregierung abgesetzt und Katalonien monatelang unter Zwangsverwaltung gestellt. Der damalige Regionalchef Puigdemont und andere Politiker flohen nach Belgien, um einer Festnahme zu entgehen.

Proteste auf Flughafen von Barcelona

In Katalonien kam es nach den Urteilen bereits zu heftigen Protesten von Unabhängigkeitsbefürwortern. Die Polizei ging gegen Demonstranten auf dem Flughafen von Barcelona vor und setzte Schlagstöcke ein. Hunderte Protestierende hatten die Sicherheitskräfte zuvor mit Steinen und Mülleimern beworfen, wie ein Journalist der Nachrichtenagentur AFP berichtete. Wegen der Proteste wurden nach Angaben des Flughafenbetreibers Aena etwa 20 Flüge gestrichen. Die Eingänge des Airports wurden von Demonstranten blockiert.

Die Demonstranten warfen der Justiz vor, ein Exempel statuieren zu wollen, und betrachten die Verurteilten als politische Gefangene. Auch Puigdemonts Nachfolger Quim Torra gab sich kämpferisch und rief zu einer „massiven Mobilisierung“ auf.