Türkische Spieler beim Salutieren
AP
Militärgruß an Soldaten

Deutscher Fußball vor neuer Türkei-Affäre

Der Torjubel türkischer Fußballnationalspieler mit einem „Militärgruß an die Soldaten“ im Militäreinsatz in Nordsyrien sorgt für Aufregung. In Deutschland gehen die Wogen besonders hoch – Erinnerungen an die Affäre wegen Fotos deutscher Nationalspieler mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan werden wach.

Die Fußballprofis aus der Türkei hatten direkt nach dem Siegestreffer zum 1:0 in der EM-Qualifikation gegen Albanien am vergangenen Freitag auf dem Platz und später auch in der Kabine mit der Hand an der Stirn salutiert. Der türkische Verband erklärte dazu: „Die Fußballer haben dieses Tor mit dem Militärgruß den Soldaten geschenkt, die in der ‚Operation Friedensquelle‘ dienen.“ So nennt sich der eskalierende türkische Militäreinsatz in Nordsyrien.

Torschütze Cenk Tosun hatte nach dem Spiel ein Foto von dem Jubel auf Instagram gepostet. Darunter schrieb Tosun : „Für unsere Nation. Vor allem für jene, die für unser Land ihr Leben riskieren.“ Die deutschen Nationalspieler Ilkay Gündogan und Emre Can likten den Eintrag von Tosun. Zwar nahmen sie das wenig später wieder zurück, der Schaden war da aber bereits angerichtet: Eineinhalb Jahre nach dem Wirbel um Gündogan und Mesut Özil, die sich vor der Weltmeisterschaft mit dem türkischen Präsidenten Erdogan fotografieren ließen, steht dem Deutschen Fußball-Bund (DFB) eine neue Affäre ins Haus.

„Glauben Sie mir: Nach dem letzten Jahr ist das Letzte, was ich wollte, ein politisches Statement zu setzen“, versuchte sich der 28 Jahre alte Gündogan kurz vor seinem Einsatz beim 3:0-Sieg im EM-Qualifikationsspiel Deutschlands in Estland, zu der er zwei Tore beisteuerte, am Sonntagabend zu verteidigen.

„Bete jeden Tag, dass auf der Welt Frieden herrscht“

Aus „200.000 anderen Menschen“, die das Bild im Internet gelikt hätten, darunter „Fußballer aus der ganzen Welt“, seien ausgerechnet sie zwei „rausgepickt“ worden, sagte Gündogan. „Das ist ein bisschen schade.“ „Emre und ich sind beide konsequent gegen jeglichen Terror und gegen jeglichen Krieg, egal, wo auf der Welt er stattfindet. Deswegen war das nur als reine Unterstützung von einem Freund gedacht.“ Can beteuerte: „Ich bete jeden Tag, dass auf der Welt Frieden herrscht.“

Ilkay Gundogan
APA/AFP/Christof Stache
Gündogans Leistung macht ihn, sportlich betrachtet, derzeit für Deutschland unentbehrlich

Die DFB-Verantwortlichen übten sich in Beschwichtigung: „Wer Emre und Ilkay kennt, der weiß, dass ihnen diese Diskussionen sehr leidtun“, sagte etwa Direktor Oliver Bierhoff. „Wir vertrauen ihren Erläuterungen, hier keine politische Intention verfolgt zu haben.“ Montagmittag ließ er via DFB-Website wissen: „Wir haben nach dem Spiel mit den Spielern gesprochen. Sie wissen auch, dass es ein Fehler war.“ Und: „Sie müssen sich der großen Verantwortung und der Wirkung bewusst sein, die jede ihrer Aussagen und Aktionen, vor allem auch in den sozialen Netzwerken, nach sich ziehen können.“

Denn Gündogan ist ein Wiederholungstäter: Vor der WM in Russland lächelte der Topspieler von Manchester City mit Erdogan in die Kameras und überreichte diesem ein Trikot mit der Signatur: „Für meinen Präsidenten, hochachtungsvoll.“ Mit dabei waren auch Tosun und Özil. Die Bilder lösten eine heftige Debatte aus, führten zu Pfiffen gegen die Spieler bei Ländermatches und gipfelten nach dem deutschen WM-Desaster im Bruch Özils mit Deutschland und dem DFB. Özil ortete damals eine rassistische Tendenz. „Wieso werden mein Freund Lukas Podolski und Miroslav Klose nicht als Deutsch-Polen bezeichnet? Wieso bin ich Deutsch-Türke? Weil ich Moslem bin?“

Recep Tayyip Erdogan, Ilkay Gundogan, Mesut Ozil und and Cenk Tosun
APA/AFP/TURKISH PRESIDENTIAL PRESS SERVICE/Kayhan Ozer
Ein Bild, das für Aufruhr sorgte: Gündogan, Özil, Erdogan, Tosun

Kritik an lavierendem DFB

Deutsche Kommentatoren gingen am Montag durchaus hart ins Gericht mit dem DFB – beklagt wurde das Fehlen einer klaren Haltung. Ntv etwa kommentierte: „Schon in der Affäre um Erdogan hatte Bierhoff das Thema noch vor dem Turnier in Russland für beendet erklärt und offenbar geglaubt, damit seien die Diskussionen beendet. Das hat nicht ganz funktioniert, es folgte eine heftige Debatte über Integration und Rassismus in Deutschland. Özil beendete seine Karriere in der Nationalelf. Und nun dürfte auch in der Sache mit den Instagram-Likes das letzte Wort noch nicht gesprochen sein.“

Eindeutiger fiel am Montag die Reaktion des Europäischen Fußballverbands (UEFA) aus: Er leitet ein Verfahren ein, werden in den Statuten doch politische Bekundungen jeder Art untersagt. In der Vergangenheit waren bei entsprechenden Vorfällen, die meist von den Fans auf den Tribünen ausgegangen waren, teils harte Strafen ausgesprochen worden. Das UEFA-Verfahren kann sich gegen den Verband, aber auch gegen einzelne Spieler richten. Auch die Aktivitäten der Spieler in den Sozialen Netzwerken fallen unter die Zuständigkeit der Behörde – was in diesem Fall für besondere Brisanz sorgt.

Türkische Spieler salutieren auch in Frankreich

Ein klares Signal kam auch aus Paris: Wegen der Militäroffensive in Syrien hat Außenminister Jean-Yves Le Drian seine Teilnahme am Fußballspiel zwischen Frankreich und der Türkei im Pariser Stade de France am Montagabend abgesagt. Zudem wurden Rufe nach einer Absage des Fußballspiels laut. Der konservative französische Parlamentsabgeordnete Jean-Christophe Lagarde twitterte, Frankreich könne nicht Vertreter einer Nation empfangen, „die das Massaker an unseren kurdischen Verbündeten gutheißen“. Auch zahlreiche weitere Twitter-Nutzer forderten, das Match abzusagen. Befürchtet werden Spannungen zwischen türkischen Fans und Kurden.

Die Partie wurde pünktlich um 20.45 Uhr angepfiffen und endete schließlich mit einem Unentschieden. Nach dem Ausgleich salutierten türkische Spieler allerdings erneut vor den eigenen Fanblock und zeigten so ihre Sympathie mit der Politik von Erdogan.