Queen Elizabeth II
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„Brexit hat Priorität“

Queen verliest Johnsons Regierungswünsche

Die Umsetzung des Brexits am 31. Oktober hat „Priorität“ für die britische Regierung von Premierminister Boris Johnson. Das sagte Königin Elizabeth II. bei der Verlesung von Johnsons Regierungsprogramm am Montag im Unterhaus in London. Auch Gesetzesvorhaben wie eine Verschärfung des Strafrechts stellte die Queen vor. Doch angesichts einer fehlenden Regierungsmehrheit bleibt die Umsetzung ebenso unklar wie der Ausgang des Brexit-Krimis.

Mit dem Verlesen des Regierungsprogramms eröffnet die britische Monarchin traditionell die Parlamentssitzungen nach der Herbstpause. Die Regierung wolle auf eine „neue Partnerschaft mit der Europäischen Union hinarbeiten, die auf freiem Handel und freundschaftlicher Zusammenarbeit beruhen soll“, sagte Königin Elizabeth.

In dem Programm werden zudem unter anderem höhere Ausgaben für das Gesundheitswesen, ein schärferes Einwanderungsgesetz und mehr Investitionen in Forschung und Wissenschaft angekündigt. Außerdem soll der Klimaschutz in Gesetze gegossen und die heimische Infrastruktur verbessert werden. Für Gewalt- und Sexualstraftaten soll es höhere Haftstrafen geben. Ein „No Deal“-Brexit kam in der Rede nicht vor.

Kein Durchbruch am Wochenende

Im Ringen um einen geordneten EU-Austritt Großbritanniens war am Wochenende noch kein Durchbruch gelungen. Zweitägige Verhandlungen mit London nannte die EU-Kommission am Sonntagabend konstruktiv, betonte aber auch: „Es bleibt noch eine Menge Arbeit zu tun.“ Ein britischer Regierungssprecher äußerte sich ganz ähnlich.

Queen Elizabeth II im Parlament
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Das Parlament kam nach einwöchiger Herbstpause wieder zusammen

Ziel ist die Einigung auf einen Brexit-Vertrag auf dem EU-Gipfel am Donnerstag und Freitag. Es sei „insgesamt keine einfache Ausgangslage – auch weil nur noch wenige Tage bis zum Europäischen Rat verbleiben“, sagte ein EU-Diplomat. „Wenn die britische Regierung eine Lösung will, muss sie sich jetzt rasch bewegen. Die Uhr tickt.“

Johnsons Partner DUP gegen Vorschläge

Wie viel Spielraum Johnson dafür hat, hängt nicht zuletzt von seinen Verbündeten von der nordirisch-protestantischen DUP ab. Denn Hauptstreitpunkt ist nach wie vor, wie Grenzkontrollen zwischen dem britischen Nordirland und dem EU-Staat Irland vermieden werden können. Dazu stehen neue Vorschläge zur Debatte – denen DUP-Fraktionschef Nigel Dodds in der italienischen Zeitung „La Repubblica“ allerdings gleich eine Absage erteilte.

Sollte sich die DUP gegen eine Vereinbarung stellen, wird auch mit Widerstand der Hardliner in der konservativen Regierungsfraktion gerechnet. Der erzkonservative Vorsitzende des Unterhauses, Jacob Rees-Mogg, warb hingegen im „Sunday Telegraph“ für moderate Zugeständnisse an die EU. „In der letzten Phase der Verhandlung wird ein Kompromiss notwendig sein“, schrieb Rees-Mogg.

Leichte Bewegung seit Donnerstag

Am Donnerstag war nach einem Treffen Johnsons mit seinem irischen Kollegen Leo Varadkar Bewegung in den Brexit-Streit gekommen. Nach EU-Angaben hat London Zugeständnisse bei der Frage in Aussicht gestellt, wie Zollkontrollen zwischen Nordirland und Irland vermieden werden können. Daraufhin begannen beide Seiten am Samstag eine neue, intensive Verhandlungsrunde.

Sollten sich London und Brüssel auf dem EU-Gipfel einig werden, hätte Johnson nur noch einen einzigen Tag bis 19. Oktober, um die Zustimmung des Unterhauses einzuholen. Sonst muss er laut Gesetz eine Verlängerung der Brexit-Frist beantragen. Nach derzeitigem Stand soll Großbritannien am 31. Oktober aus der EU austreten. Zum Showdown dürfte es bei einer Sondersitzung am Samstag kommen.

Der britische Prämierminister Boris Johnson
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Johnson und Labour-Chef Jeremy Corbyn auf dem Weg zur Queen-Rede

EU-Fristverlängerung nur bei neuer Entwicklung

Der irische Vizepremier Simon Coveney gab sich am Montag zuversichtlich, dass ein Abkommen mit der EU bis Ende des Monats erzielt werden könne. Die „Sunday Times“ berichtete, dass Johnson noch am Montag mit der deutschen Kanzlerin Angela Merkel, dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron und EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker beraten wollte.

Nach Ansicht des EVP-Fraktionsvorsitzenden im Europaparlament, Manfred Weber, kann die Brexit-Frist nur bei einer neuen politischen Entwicklung verlängert werden. „Eine Zustimmung (zur Verlängerung) kann es nur geben, wenn uns die Briten klar sagen, was sie in der gewonnenen Zeit erreichen wollen.“ Das könnten beispielsweise Neuwahlen sein.

Budgetplan als Wahlkampfgag?

Der britische Finanzminister Sajid Javid kündigte unterdessen an, den ersten Budgetplan nach dem Brexit am 6. November vorzulegen. Er werde einen „Plan zur Gestaltung der Wirtschaft der Zukunft“ darlegen, der „den Beginn unserer Infrastrukturrevolution“ einleiten werde, sagte Javid.

Die oppositionelle Labour-Partei bezeichnete die Ankündigung als „Wahlkampfgag“. „Ich wäre überrascht, wenn es zu diesem Zeitpunkt einen Budgetplan gibt“, sagte der Labour-Politiker Jon Trickett im Sender BBC. Johnsons Regierung wisse nicht, ob das Unterhaus einem Brexit-Abkommen zustimmen werde, betonte Trickett.

Auch die schottische Regierungschefin Nicola Sturgeon bezweifelte in der BBC, dass es am 6. November ein Budget geben werde. Möglicherweise sei die Regierung bis dahin gar nicht mehr im Amt – „und es ist alles andere als sicher, dass wir die EU am 31. Oktober verlassen“, sagte sie.

Nächste Niederlage für Johnson?

Oppositionspolitiker wiesen schon im Vorfeld der Rede darauf hin, dass Johnson keine Mehrheit im Unterhaus hat. Tatsächlich hat er seit seinem Amtsantritt im Juli alle Parlamentsabstimmungen verloren. Es wäre eine Überraschung, wenn die Abgeordneten ausgerechnet seinem Regierungsprogramm zustimmen würden.

Seit dem Jahr 1924 hat noch keine Regierung eine Abstimmung über die „Queen’s Speech“ verloren. Johnsons Rücktritt scheint für den Fall einer Ablehnung seines Regierungsprogramms unvermeidlich. Das lehnte er am Montag aber ab: Auch im Fall einer Niederlage im Londoner Parlament werde Johnson nicht zurücktreten, sagte ein Sprecher. Was im Fall eines Rücktritts passiert, ist unklar: Johnson selbst wollte ehestmögliche Neuwahlen, am besten sehr kurz nach einem vollzogenen Brexit. Die Labour-Opposition hatte sich dagegen ausgesprochen.