Sasa Stanisic gewinnt Deutschen Buchpreis

Der Deutsche Buchpreis 2019 geht an Sasa Stanisic für seinen Roman „Herkunft“. Diese Entscheidung der Jury wurde heute in Frankfurt bekanntgegeben. Nominiert waren auch die 29-jährige Wienerin Raphaela Edelbauer („Das flüssige Land“), der 27-jährige in Neu-Delhi geborene Wiener Tonio Schachinger („Nicht wie ihr“) sowie Norbert Scheuer („Winterbienen“), Jackie Thomae („Brüder“) und Miku Sophie Kühmel („Kintsugi“) aus Deutschland.

Roman eines „Europas der Lebenswege“

In „Herkunft“, seinem vierten Roman, erzählt der 1978 in Visegrad geborene Autor von der Flucht vor dem Jugoslawien-Krieg, der seine Familie in die Welt verstreute. Er beschreibt das Ankommen in Deutschland – mit einem Mund voller Karies und einer Mischung aus Angst und Erwartung. Er erzählt auch, wie Erinnerungen zu Geschichten werden – und wie wir uns mit diesen Geschichten selbst erschaffen.

„Sasa Stanisic ist ein so guter Erzähler, dass er sogar dem Erzählen misstraut. Unter jedem Satz dieses Romans wartet die unverfügbare Herkunft, die gleichzeitig der Antrieb des Erzählens ist. Verfügbar wird sie nur als Fragment, als Fiktion und als Spiel mit den Möglichkeiten der Geschichte. Der Autor adelt die Leser mit seiner großen Phantasie und entlässt sie aus den Konventionen der Chronologie, des Realismus und der formalen Eindeutigkeit“, hieß es in der Begründung der Jury.

„Mit viel Witz setzt er den Narrativen der Geschichtsklitterer seine eigenen Geschichten entgegen. ‚Herkunft‘ zeichnet das Bild einer Gegenwart, die sich immer wieder neu erzählt. Ein ‚Selbstporträt mit Ahnen‘ wird so zum Roman eines Europas der Lebenswege.“

Angriffe gegen Handke in Dankesrede

In seiner Dankesrede ritt der Gewinner heftige Attacken gegen den österreichischen Literaturnobelpreisträger des Jahres 2019, Peter Handke, und feierte stattdessen die gleichzeitig verkündete Nobelpreisträgerin 2018, die Polin Olga Tokarczuk. Er müsse sich auch deswegen kurz echauffieren, „weil ich das Glück hatte, dem zu entkommen, was Peter Handke in seinen Texten nicht beschreibt“.

Handke negiere etwa in einem Text über seine Heimatstadt Visegrad dort verübte Kriegsverbrechen und konstruiere sich eine den Tatsachen widersprechende Wirklichkeit. „Das soll Literatur eigentlich nicht“, sagte Stanisic, der für seine Rede einigen Applaus erhielt. „Mich erschüttert, dass so etwas prämiert wird. Ich stehe nicht alleine mit meiner Erschütterung da, das freut mich auch.“

200 Titel gesichtet

Der 2005 ins Leben gerufene Deutsche Buchpreis wird traditionell am Vorabend der Eröffnung der Frankfurter Buchmesse vergeben. Gesucht wird der beste deutschsprachige Roman des Jahres. Der Sieger erhält 25.000 Euro, die übrigen fünf Autoren der Shortlist jeweils 2.500 Euro.

Die Auswahl trifft eine siebenköpfige Jury, die jedes Jahr neu besetzt wird und heuer insgesamt 200 Titel gesichtet hat. Erst zweimal erhielten Österreicher den Preis: 2005 gewann Arno Geiger mit seinem Roman „Es geht uns gut“, 2017 wurde Robert Menasse für „Die Hauptstadt“ ausgezeichnet. Im Vorjahr siegte Inger-Maria Mahlke mit dem Roman „Archipel“.