Maut-Schild an deutscher Straße
APA/dpa/Bernd Wüstneck
Deutsche Pkw-Maut

Prestigeprojekt bringt Minister unter Druck

Der deutsche Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) gerät wegen der gescheiterten Pkw-Maut zunehmend in Bedrängnis. Am Dienstag beantragte die Opposition aus FDP, Grünen und Linke einen Untersuchungsausschuss zur Auftragsvergabe und – so der Vorwurf – zu fünf undokumentierten Treffen mit einer österreichischen und einer deutschen Firma.

Akut unter Druck steht der Verkehrsminister allen voran wegen der Auftragsvergabe Ende 2018. Bereits im Oktober erteilte Scheuer den Auftrag zur Kontrolle der Maut der österreichischen Firma Kapsch, Ende 2018 ging dann der Zuschlag zur Erhebung an ein Konsortium aus Kapsch und der deutschen Firma CTS Eventim. Nur wenige Monate später kippte der Europäische Gerichtshof (EuGH) nach einer Klage Österreichs das CSU-Prestigeprojekt, das anfangs unter dem Namen „Ausländermaut“ für Unmut in Österreich sorgte.

Der CSU-Politiker, so lautet der Vorwurf der Opposition, habe Verträge in Milliardenhöhe besiegelt, bevor überhaupt sicher war, dass die Pkw-Maut vor dem EuGH hält. Das Risiko, dass die Maut gestoppt werden könnte, sei zu wenig berücksichtigt worden. Kritiker befürchten nun, die Unternehmen hätten Schadensersatzanspruch. Nach dem EuGH-Urteil kündigte der Bund die Verträge mit den Firmen. Firmenchef Georg Kapsch sagte Anfang September: „Dankbarkeit bekommen Sie in der Politik sowieso nicht. Wir schauen, dass wir das bekommen, von dem wir glauben, dass es uns zusteht.“

Opposition: Firmen wollten EuGH-Urteil abwarten

Brisant ist jedoch noch ein anderer Aspekt: Das Verkehrsministerium gestand nach einem Bericht der „Süddeutschen Zeitung“ fünf bisher nicht bekannte Gespräche mit Vertretern der Mautfirmen CTS Eventim und Kapsch. Sie hätten zwischen dem 3. Oktober 2018 und dem 23. Mai 2019 stattgefunden, wobei Scheuer bei drei Terminen persönlich zugegen gewesen sein soll. Dabei soll unter anderem auch debattiert worden sein, ob man mit der Unterzeichnung der Verträge nicht bis nach dem EuGH-Urteil warten solle.

Deutscher Verkehrsminister Andreas Scheuer
APA/AFP/Axel Schmidt
Der deutsche Verkehrsminister Scheuer steht wegen der gescheiterten Pkw-Maut unter Druck

Die zwei Firmen hätten Scheuer angeboten, das EuGH-Urteil abzuwarten und erst dann die Verträge zu unterzeichnen, so heißt es vonseiten der Opposition. Der Minister soll den Vorschlag allerdings abgelehnt haben. Stattdessen soll er die Unternehmen aufgefordert haben, wie der „Tagesspiegel“ schreibt, öffentlich zu erklären, dass sie die Verträge unbedingt vor einem Urteil abschließen wollten. Ob CTS Eventim und Kapsch Scheuer tatsächlich das Angebot machten, und ob Scheuer die Unternehmen zum Gegenteiligen aufforderte, ist offen.

Scheuer jedenfalls wies die Vorwürfe am Dienstag erneut zurück. Er habe dem Bundestag über 50 „dick bepackte“ Ordner vorgelegt und nichts zu verbergen. Dass man mit der Vertragsunterzeichnung nicht gewartet habe, begründete Scheuer damit, dass es sei seine Pflicht gewesen sei, das Gesetz noch 2018 auf den Weg zu bringen, um Einnahmen für bessere Verkehrswege abzusichern. „Das ist mein Auftrag, und den habe ich erfüllt“, sagte Scheuer, der den U-Ausschuss als „Chance zur Aufklärung“ begreife.

Rücktrittsaufforderungen gegen Scheuer

Der Wind, der dem Verkehrsminister entgegenweht, wird aber rauer. FDP-Verkehrsexperte Oliver Luksic sagte, Scheuer trage die alleinige Verantwortung dafür, dass den Steuerzahlern und Steuerzahlerinnen ein Schaden von bis zu 500 Millionen Euro entstehen könne. Für Grünen-Verkehrspolitiker Stephan Kühn habe Scheuer verabsäumt, für Aufklärung zu sorgen. „Ein Minister mit Anstand wäre längst zurückgetreten.“

Deutsche Pkw-Maut

Die Pkw-Maut galt als CSU-Prestigeprojekt. Scheuer strebte den Start für Oktober 2020 an. Der EuGH kippte das Gesetz im Sommer 2019.

Kühn gab außerdem beim Wissenschaftlichen Dienst des Bundestags ein Gutachten in Auftrag. Laut diesem hätte Scheuer das EuGH-Urteil abwarten können, wie die Zeitungen der Funke Mediengruppe berichteten. „Auf unvorhergesehene Verzögerungen oder Ereignisse während des Vergabeverfahrens kann der öffentliche Auftraggeber (…) mit der Verlängerung der (…) einschlägigen Fristen reagieren. (…) Die nachträgliche Verlängerung von vergaberechtlichen Fristen ist grundsätzlich möglich“ – mit einer „sachliche Rechtfertigung“.

Ungewisse Zukunft für Scheuer

Angesichts der vielen Vorwürfe wird in deutschen Medien schon über die Ablöse Scheuers spekuliert. Die „Welt“ bezeichnet Scheuer etwa als „Minister ohne Gespür“, dem das Gefühl für das „richtig Timing“ fehle. Laut „Die Zeit“ (Onlineausgabe) könne sich der Verkehrsminister mit dem Mautprojekt gleich dreimal blamieren: „Die Ausländermaut umsetzen zu wollen, war von Anfang an sinnlos. Die Verträge zu unterschreiben, ohne das Urteil abzuwarten, war mindestens naiv. Sein Transparenzversprechen hat er offenbar nicht gehalten.“ Es seien Minister wegen „geringerer Fehler, etwa in ihren Doktorarbeiten, abgetreten“.

Ob Scheuer abtritt, hänge aber von der CSU ab, so die „SZ“. CSU-Parteichef Markus Söder sei dafür bekannt, Ämter „kühl und konsequent“ neu zu besetzen, wenn er darin einen Vorteil erkenne. Die Partei sei aber gespalten in der Frage Scheuer. „So sehr Parteifreunde mit dem Krisenmanagement des Verkehrsministers hadern (zuletzt etwa die explodierenden Beraterkosten für die Reform der Fernstraßenverwaltung, Anm.), so sehr schätzen sie allerdings auch dessen Robustheit in zentralen Fragen.“

Allerdings, so die „SZ“ weiter, hänge vieles auch von der Neuaufstellung der SPD-Spitze ab. „Die damit verbundenen Unsicherheiten für die Zukunft der Koalition lassen einen Ministertausch für die CSU wenig sinnvoll erscheinen, wenn das Personal womöglich ohnehin neu sortiert werden muss“, heißt es im Artikel. „Warum einen Nachfolger mit unangenehmen Altlasten beladen, die auch Scheuer noch wegschaffen kann?“