Präsident Donald Trump
Reuters/Leah Millis
Druck wegen Syrien-Politik

Trump wehrt sich mit Rundumschlag

US-Präsident Donald Trump fühlt sich in seiner Syrien-Politik offenbar in die Enge getrieben und setzt auf einen Rundumschlag. Einerseits wird der Ton gegenüber der Türkei rauer, andererseits fuhr Trump gegen die Opposition in Washington schweres verbales Geschütz auf. Der heftige Streit in Washington über die Syrien-Politik führte bei einem Treffen zwischen Trump und der Spitze der Demokraten zu einem Eklat.

Die demokratischen Spitzenvertreter brachen am Mittwoch das Gespräch abrupt ab und verließen das Weiße Haus, nachdem Trump die Vorsitzende des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, persönlich attackiert hatte. Trump habe eine „üble Tirade“ von sich gegeben und Pelosi als „drittklassige Politikerin“ beschimpft, sagte der Anführer der Demokraten im Senat, Chuck Schumer. Pelosi sprach von einem „Ausraster“ des Präsidenten. Einige Parlamentarier der Demokraten und Trumps Republikaner blieben laut Schumer jedoch in der Sitzung mit dem Präsidenten.

„Nancy Pelosi braucht schnell Hilfe!“, schrieb der Präsident nach dem Treffen auf Twitter: „Entweder ist bei ihr ‚da oben‘ etwas falsch, oder sie mag schlicht unser großartiges Land nicht. Sie hatte heute im Weißen Haus einen totalen Ausraster. Es war sehr traurig mitanzusehen. Betet für sie, sie ist eine sehr kranke Person!“ Pelosi bescheinigte dem Präsidenten ihrerseits einen „Ausraster“.

Schumer: Trump hat keinen Plan gegen IS

Der Eklat zeigt, wie dramatisch sich das Verhältnis zwischen dem Präsidenten und der Opposition zuletzt verschlechtert hat. Hintergrund ist die von den Demokraten im Repräsentantenhaus geführte Untersuchung zu einem möglichen Amtsenthebungsverfahren gegen Trump. Darin geht es um die Versuche Trumps, sich aus der Ukraine möglicherweise kompromittierendes Material über Ex-Vizepräsident Joe Biden zu beschaffen, der Trumps Herausforderer bei der Wahl im November 2020 werden könnte.

Kurz vor dem Treffen im Weißen Haus hatte das Repräsentantenhaus in einer parteiübergreifenden Resolution den US-Truppenabzug als Fehler gegeißelt. Die Kongresskammer lehne die Entscheidung ab, „bestimmte Anstrengungen der Vereinigten Staaten zu beenden, türkische Militäroperationen gegen syrisch-kurdische Kräfte in Nordostsyrien zu verhindern“, hieß es in der mit 354 gegen 60 Stimmen verabschiedeten Entschließung.

Die Entschließung hat allerdings lediglich den Charakter einer Stellungnahme und für Trump keine verbindliche Wirkung. Pelosi sagte gleichwohl, der Präsident habe in dem Treffen „sehr aufgewühlt“ wegen der Resolution gewirkt. Schumer teilte mit, er habe den Präsidenten nach dessen Plan zur Bekämpfung der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) gefragt: „Er hatte tatsächlich keinen.“

Syrische Kämpfer
APA/AFP/Bakr Alkasem
Mit der Türkei verbündete Milizionäre in Nordsyrien: Ankara will die Militäroffensive ungeachtet der US-Drohungen fortsetzen

„Strategisch brillant“: Trump verteidigt Truppenabzug

Trump verteidigte am Mittwoch neuerlich den Abzug des US-Militärs aus Syrien. „Ich werde nicht potenziell Tausende und Zehntausende amerikanische Soldaten verlieren, die in einem Krieg zwischen der Türkei und Syrien kämpfen“, sagte er. Mit Blick auf die Türkei fügte er hinzu: „Sollen wir ein NATO-Mitglied bekämpfen, damit Syrien, das nicht unser Freund ist, sein Land behält? Ich glaube nicht.“

Seinen Syrien-Kurs bezeichnete Trump als „strategisch brillant“. Die US-Soldaten seien durch ihren Abzug aus Nordsyrien nun „total sicher“, sagte Trump. Die bisher mit den USA verbündeten kurdischen Kämpfer würden nun von Syrien geschützt – „das ist gut“, unterstrich der US-Präsident.

Zudem erklärte Trump die verbotene und von der EU als terroristische Vereinigung eingestufte Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) zu einer größeren Bedrohung als den IS. „Die PKK, die – wie Sie wissen – Teil der Kurden ist, ist vermutlich in vielerlei Hinsicht schlimmer beim Terror und eine größere terroristische Gefahr als der IS“, sagte Trump am Mittwoch bei einer Pressekonferenz mit dem italienischen Präsidenten Sergio Mattarella im Weißen Haus. Selbst der IS „respektiert“ PKK-Kämpfer. „Wissen Sie, warum? Weil sie ebenso hart oder härter als der IS sind.“

„Seien Sie kein Narr!“

Auch der Ton zwischen Washington und Ankara wird rauer. Trump rief den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan bereits in der vergangenen Woche in einem eigenwilligen Brief zu einer friedlichen Lösung im Nordsyrien-Konflikt auf. Der US-Sender Fox News veröffentlichte am Mittwoch (Ortszeit) eine Kopie des Schreibens, das auch andere US-Medien für echt erklärten. Datiert ist der Brief auf den 9. Oktober – also jenen Tag, an dem die Türkei mit ihrer Militäroffensive begann.

Trump ermahnte Erdogan darin, er wolle sicher nicht für den Tod Tausender Menschen verantwortlich sein. Andernfalls werde die US-Regierung die türkische Wirtschaft zerstören. Die kurdische Seite sei zu Verhandlungen bereit, schrieb Trump weiter. „Sie können ein großartiges Abkommen schließen.“ Erdogan könne auf positive Weise in die Geschichte eingehen, wenn er in dem Konflikt richtig und menschlich handle. Andernfalls werde er als Teufel in die Geschichte eingehen. „Seien Sie kein harter Kerl. Seien Sie kein Narr!“, appellierte er an seinen türkischen Amtskollegen. Der Brief endet mit den Worten: „Ich werde Sie später anrufen.“

„Verheerende Konsequenzen“

Am Donnerstagnachmittag stand schließlich ein Treffen zwischen US-Vizepräsident Mike Pence und Erdogan auf dem Programm. Trump drohte im Vorfeld mit „verheerenden Konsequenzen“ für die Türkei, sollte es bei dem Treffen keine Annäherung geben. Die Türkei kündigte ihrerseits Vergeltungsmaßnahmen gegen die USA an.

Hintergrund der Vergeltungsmaßnahmen sind wirtschaftliche Sanktionen der USA gegen die Türkei und türkische Minister. Mit ihnen wollte Trump seiner Forderung nach einer sofortigen Feuerpause Nachdruck verleihen. Die Chancen, damit in Ankara durchzukommen, sind aber gering. Bereits in der Nacht auf Mittwoch hatte Erdogan gesagt, ein Waffenstillstand komme nicht infrage, bis das Ziel seines Landes – die Einrichtung einer „Sicherheitszone“ entlang der syrisch-türkischen Grenze und die Vertreibung der Kurdenmilizen aus diesen Gebieten – nicht erreicht sei.

Zudem schloss Erdogan Verhandlungen mit den kurdischen Militärs dezidiert aus. Es gebe Anführer, die vermitteln wollten, aber die Türkei setze sich nicht mit „Terroristen“ an einen Tisch, sagte er. Für die Flut an Tweets, die Trump regelmäßig absetzt, hat der türkische Präsident nur Spott übrig: „Wir haben bisher die Äußerungen von Trump auf Twitter gelesen, doch wir sind an den Punkt gelangt, dass wir diese Tweets nicht mehr verfolgen können“, man werde Trumps Tweets künftig ignorieren.

SDF setzt Kampf gegen IS aus

Der UNO-Sicherheitsrat warnte indes vor der „Ausbreitung“ dschihadistischer Gefangener in der Region. Wie es in einer am Mittwoch veröffentlichten Erklärung hieß, äußerten die Mitglieder des Sicherheitsrats „große Besorgnis über das Risiko der Ausbreitung von Terroristen“, unter ihnen IS-Kämpfer. Ein Ende des türkischen Militäreinsatzes forderte das UNO-Gremium jedoch nicht.

Grafik zeigt Karte Syriens
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA

Mittwochnacht gaben die kurdischen Milizen bekannt, den Kampf gegen den IS wegen der türkischen Militäroffensive vollständig auszusetzen. „Wir haben all unsere Aktivitäten gegen den IS eingefroren“, sagte Maslum Abdi, Chef des Rebellenbündnisses SDF, in dem sich kurdische Kämpfer mit arabischen Milizen zusammengeschlossen haben, am Mittwoch dem kurdischen Fernsehsender Ronahi.

Ton zwischen USA und Türkei wird rauer

Im Konflikt über die türkische Militäroffensive in Nordsyrien wird der Ton zwischen Washington und Ankara rauer und ist von Drohungen bestimmt.

Die USA schlossen unterdessen das türkische Militär wegen der Invasion weitgehend aus der internationalen Koalition gegen den IS aus. Die Türkei erhalte im Hauptquartier auf dem Luftwaffenstützpunkt im katarischen al-Udaid keinerlei Aufklärungs- oder Operationsdaten der Allianz, berichtete der „Spiegel“ (Onlineausgabe). Das US-Verteidigungsministerium habe das bereits am 9. Oktober angeordnet, als das türkische Militär die ersten Luftangriffe im Norden Syriens flog und kurdische Stellungen mit Artillerie beschoss.

Treffen zwischen Putin und Erdogan

Russland mahnte indes die Türkei, die Offensive dürfe den politischen Prozess in Syrien nicht beschädigen. Die Regierung in Ankara müsse das Gebot der Verhältnismäßigkeit beachten. Zugleich sagte der russische Regierungssprecher Dmitri Peskow allerdings auch, Russland respektiere das Recht der Türkei zur Selbstverteidigung. Russland hält seine schützende Hand über den syrischen Präsidenten Baschar al-Assad und leistet ihm Militärhilfe gegen die Aufständischen.

Für Dienstag hat Putin den türkischen Präsidenten zu einem Treffen nach Sotschi eingeladen. Beide wollten Kreml-Angaben zufolge in einem persönlichen Gespräch klären, wie eine direkte Konfrontation zwischen türkischen und syrischen Truppen im Norden des Kriegslandes verhindert werden könne.