Judo-Doppel-Olympiasieger Peter Seisenbacher
APA/Helmut Fohringer
Causa Seisenbacher

Judofunktionär unter Fluchthilfeverdacht

Die Staatsanwaltschaft Wien ermittelt im Fall des Ex-Judoka Peter Seisenbacher nun auch gegen einen heimischen Judofunktionär wegen Begünstigung. Auf ihn war der Pass, mit dem Seisenbacher im Frühjahr bei seinem Fluchtversuch verhaftet wurde, ausgestellt. Seisenbacher selbst wartet derzeit in Wien auf den baldigen Beginn des Missbrauchsprozesses gegen ihn.

Im Fokus der Staatsanwaltschaft steht der Funktionär, weil er sich laut Verdacht als Fluchthelfer für Seisenbacher betätigt haben könnte. Das bestätigte Behördensprecher Thomas Vecsey am Montag der APA. Seisenbacher hatte sich vor rund drei Jahren in die Ukraine abgesetzt, um sich seinem für Mitte Dezember 2017 im Wiener Landesgericht angesetzten Prozess wegen Kindesmissbrauchs und Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses zu entziehen.

Dem zweifachen Olympiasieger wird vorgeworfen, nach seiner aktiven Karriere in einem Wiener Judoverein zwischen 1997 und 2004 drei im Tatzeitraum jeweils unmündige Mädchen missbraucht bzw. das versucht zu haben. Die Verhandlung hätte am 19. Dezember 2016 am Wiener Straflandesgericht stattfinden sollen. Alle waren gekommen, nur der Beschuldigte tauchte nicht auf. Er hatte sich in die Ukraine abgesetzt. Anschließend wurde er mit internationalem Haftbefehl gesucht. Seisenbacher äußerte sich bisher nie öffentlich dazu. Für ihn gilt die Unschuldsvermutung.

Augenscheinlich kein direkter Bezug

Als Seisenbacher befürchten musste, von Kiew an die Wiener Justiz ausgeliefert zu werden, nachdem die Ukraine im heurigen Frühjahr ein Zusatzprotokoll des Europäischen Auslieferungsübereinkommens unterzeichnet hatte, versuchte er mit einem gefälschten Pass die polnisch-ukrainische Grenze zu überwinden. Dabei wurde er festgenommen und später nach Wien überstellt.

Seisenbacher hatte kein gültiges Reisedokument mehr, nach seiner Flucht war es von der Republik Österreich für ungültig erklärt worden. Der Pass, dessen sich Seisenbacher bediente, war auf den Funktionär ausgestellt, aber manipuliert. Wie Seisenbacher in den Besitz des fremden Passes gelangte, ist nach wie vor unklar. Ein direkter Bezug zwischen Seisenbacher und dem Funktionär ließ sich nicht eruieren.

Prozess soll noch heuer stattfinden

Fest steht, dass der Judofunktionär von der Staatsanwaltschaft bereits als Beschuldigter vernommen wurde. Der Mann hatte Ende September behauptet, er habe das Fehlen seines Passes erst nach einem vorangegangenen Telefonat mit der APA bemerkt. Daraufhin habe er eine Polizeiinspektion aufgesucht.

Auch für ihn gilt die Unschuldsvermutung. Der Mann ist hauptberuflich Detektiv und länderübergreifend tätig. Daher steht die Frage im Raum, wieso er das Verschwinden seines Passes zumindest mehrere Wochen nicht bemerkt haben will.

In der Justizanstalt Wien-Josefstadt wartet Seisenbacher derzeit auf seine Hauptverhandlung, die noch heuer stattfinden dürfte. Das Missbrauchsverfahren war nach Seisenbachers Flucht abgebrochen worden und kann jederzeit formlos fortgesetzt werden. Strafrechtlich hat Seisenbachers Flucht keine Auswirkung. Sie ist im Falle einer Verurteilung kein Erschwernisgrund. Im Falle eines Schuldspruchs drohen Seisenbacher ein bis zehn Jahre Haft.

Verwerfungen in der Sporthilfe

Seisenbacher hatte österreichische Sportgeschichte geschrieben. 1984 wurde der gelernte Goldschmied in Los Angeles als erster Judoka aus Österreich Olympiasieger und verteidigte seinen Titel vier Jahre später in Seoul. Schon 1980 errang er bei der Heim-EM in Wien mit Silber seine erste Medaille. 1985 wurde er Weltmeister, 1986 Europameister.

Nur einen Monat nach der zweiten Olympiagoldmedaille wurde der vom aktiven Sport zurückgetretene Seisenbacher als Sporthilfe-Chef vorgestellt. Noch bevor er das Amt des Generalsekretärs mit 1. Jänner 1989 antrat, war er zum dritten Mal nach 1984 und 1985 als Österreichs Sportler des Jahres ausgezeichnet worden. Im Oktober 1993 trat der Vater von zwei Kindern nach etlichen Verwerfungen als Sporthilfe-Generalsekretär ab, unter anderem weil er 1991 bei einem Judoturnier einem Grazer Judoka nach einer Meinungsverschiedenheit eine Ohrfeige gegeben hatte.