SPÖ-Vorsitzende Pamela Rendi-Wagner und Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch
APA/Robert Jäger
Experte zu Grabenkämpfen

„Alarmstufe Rot“ bei SPÖ

Eine angebliche Intrige um den ehemaligen SPÖ-Bundesgeschäftsführer Max Lercher hat in den vergangenen Tagen innerhalb der SPÖ für heftige Diskussionen gesorgt. Politikberater Thomas Hofer sieht bereits „Alarmstufe Rot“ – denn öffentlich zur Schau getragene Grabenkämpfe würden das bereits angeschlagene Image der SPÖ noch weiter beschädigen. Das könnte sich nicht zuletzt auch negativ auf die bevorstehende steirische Landtagswahl auswirken.

Hofer geht mit den Sozialdemokraten scharf ins Gericht: Aktuell brauche die SPÖ keine Journalisten, keine Kommentatoren, nicht einmal andere Parteien, die sie für etwas kritisieren. Den Job, das eigene Image zu beschädigen, erledige man ganz allein. „Gestritten werden kann schon. Aber im Wohnzimmer. Und nicht am Balkon“, zitierte der Politikexperte den Wiener Altbürgermeister Michael Häupl im Gespräch mit ORF.at am Montag. Derzeit, so Hofer, streite die SPÖ allerdings ausschließlich am Balkon – noch dazu mit einem Megaphon in der Hand.

„Das verstärkt nicht nur den Eindruck des Chaos und der Zerstrittenheit in der Partei, was schon schlimm genug wäre, sondern wirkt sich natürlich auch direkt auf die Autorität der Parteichefin (Pamela Rendi-Wagner, Anm.) und der Parteizentrale aus“, so Hofer. Diese Art der Kommunikation sei „in höchstem Maße selbstbeschädigend“.

 Max Lercher
APA/Roland Schlager
Lercher warf der SPÖ einen „Angriff aus eigenen Reihen“ vor und ortete eine „Grenzüberschreitung“

Lercher ortet Intrige

Vorausgegangen ist dieser Debatte ein Bericht der Tageszeitung „Österreich“ über ein angebliches Beraterhonorar für Lercher. Kolportiert wurde ein monatlicher „20.000-Euro-Vertrag für Partei-Rebell“, wie es im Titel hieß. Wie Lercher jedoch klarstellte, soll es sich dabei nicht um einen Beratervertrag, sondern um einen Leistungsvertrag mit der von ihm geführten steirischen Firma Leykam Medien AG handeln. Lercher kündigte am Dienstag an, gegen die Medien „Österreich“ und Oe24.at Klage einzureichen zu wollen, die die Berichte veröffentlicht hatten.

Der ehemalige SPÖ-Bundesgeschäftsführer unter Ex-Kanzler Christian Kern ortete auch einen Angriff aus den eigenen Reihen und bekam dabei Rückendeckung von der steirischen und burgenländischen SPÖ. SPÖ-Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch wies die Vorwürfe aus den Landesorganisationen zurück, falsch über den Vertrag mit der Leykam Medien AG informiert zu haben.

Leykam-Vertrag geht noch mindestens ein Jahr

Abgeschlossen wurde der Vertrag laut einem Bericht der „Kleinen Zeitung“ im Februar dieses Jahres zwischen Lercher und seinem Nachfolger Thomas Drozda mit einer Laufzeit von drei Jahren. Gekündigt werden kann der Kontrakt nach eineinhalb Jahren. Das jährliche Finanzvolumen des Vertrags sind 200.000 Euro zuzüglich 20 Prozent Mehrwertsteuer. Für dieses Geld soll Leykam der SPÖ in den Bereichen „Data-Management“ und „Kommunalstrategie“ weiterhelfen.

Bei Ersterem geht es etwa um Konzepte zur zielgruppengerechten Werbung im Onlinebereich. In Sachen Kommunalstrategie soll Leykam die Landesorganisationen koordinieren sowie ein Konzept zur optimalen Betreuung der Partei bis hin zu den Ortsgruppen entwickeln. Ob der Kontrakt überhaupt weitergeht, ließ Rendi-Wagner im „Kurier“ (Dienstag-Ausgabe) offen: „Der Bundesgeschäftsführer wird alle externen Verträge prüfen und auch die Möglichkeiten, diese vorzeitig zu beenden.“

Rendi-Wagner: Öffentliche Selbstbeschäftigung beenden

Rendi-Wagner nahm am Montag erstmals zu den internen Querelen Stellung. Gegenüber dem „Kurier“ appellierte sie, „diese öffentliche Selbstbeschäftigung, die zur Selbstbeschädigung führt, zu beenden. Wir hinterlassen einen sehr schlechten Eindruck und drohen das Vertrauen der Wähler zu verspielen.“ Von Sanktionen halte sie jedoch nichts, jeder müsse sich seiner Verantwortung selbst bewusst sein.

Weiter Unruhe in der SPÖ

Nach dem Streit um ein Honorar für den steirischen Politiker Max Lercher geht das Rumoren innerhalb der SPÖ weiter.

„Jeder gegen jeden“

In einem Schreiben an die Vorstandsmitglieder kritisierte Deutsch zudem, dass die Informationen an die Medien gekommen sind. „Einmal mehr wurden Interna nach außen getragen, was ausgesprochen ärgerlich ist“, schrieb Deutsch. Laut Politikberater Hofer zeige der Fall – unabhängig davon, wer die Informationen an die Medien weitergegeben hatte –, „wie feindselig sich da diverse Lager gegenüberstehen“.

„Derzeit hat man ein bisschen den Eindruck, es ist irgendwie jeder gegen jeden“, so Hofer. Zurückzuführen sei das einerseits auf persönliche Verletzungen in der Vergangenheit, anderseits aber auch auf einen Richtungskampf, der sich im Hintergrund der Partei abspiele. „Es geht darum, wer glaubt, für die Partei die besten Rezepte zu haben.“ Ein „Lager“ seien etwa die Parteirebellen, die eine Neugründung der SPÖ fordern.

SPÖ-Landeschef Schickhofer zur Krise der Partei

Michael Schickhofer, Chef der SPÖ Steiermark, die am 24. November die nächste Wahl zu schlagen hat, nimmt zu den internen SPÖ-Querelen Stellung.

„Offene Feldschlacht“ nicht hilfreich

Hofer kritisierte – noch vor der Stellungnahme Rendi-Wagners – die handelnden Akteure in der Führungsriege: „Fatal ist, dass das Gefühl entsteht, dass die Parteichefin und die Parteizentrale den Laden nicht mehr im Griff haben.“ Dadurch vermittle die Partei auch den Anschein, dass sie sich schwer um die großen Probleme des Landes kümmern könne. In einem ersten Schritt gehe es auch lediglich einmal darum, die Gemüter zu beruhigen und einzusehen, dass eine „offene Feldschlacht nicht geeignet ist, um die Partei zu konsolidieren“.

Erst danach könne die Partei zu einer inhaltlich dominierten Tagesordnung übergehen. „Die SPÖ muss schleunigst an der Kompetenz arbeiten, den politischen Diskurs wieder mitzubestimmen und eine Rahmenerzählung zu gestalten“, so Hofer. Denn die ÖVP sei nicht zuletzt bereits in die SPÖ-Wählerschichten vorgedrungen. „Der SPÖ ist entgangen, dass die ÖVP einen zentralen sozialdemokratischen Begriff umdefiniert haben, nämlich jenen der Gerechtigkeit.“ Weg von der sozialen Gerechtigkeit hin zu jener Gerechtigkeit, die sich „Leistungsträger“ verdient hätten.

Schwierige Ausgangslage für die Steiermark-Wahl

Dementsprechend schwierig ist die Ausgangslage der SPÖ auch für die am 24. November stattfindende steirische Landtagswahl. Bei der vergangenen Wahl 2015 schafften es die Sozialdemokraten noch knapp auf den ersten Platz – diesmal wäre Platz eins allerdings ein „innenpolitisches Wunder“, so Hofer. Damals lag die SPÖ mit 29,29 Prozent nicht einmal einen Prozentpunkt vor der ÖVP (28,45). Zum Vergleich: Bei der Nationalratswahl im Oktober kam die ÖVP auf 38,9 Prozent, die SPÖ auf 19,2 Prozent. „Jetzt vonseiten der steirischen SPÖ zu sagen, das sei alles die Schuld von Wien, wäre billig“, so Hofer.

Dennoch: „Die steirischen Genossen werden im Wahlkampf damit beschäftigt sein, zu erklären, warum das (die Aufregung um den Lercher-Vertrag, Anm.) ungerechtfertigt war. Und im Wahlkampf in der Defensive zu sein ist immer ein Problem“, sagte der Politikberater. Allerdings sei die steirische SPÖ schon zuvor in der Krise gewesen und schon zuvor habe man versucht, sich von der Bundespartei abzugrenzen.

Auch im Wahlkampf sei etwa ein „Schichtbier“ freitags mit Arbeitern und Arbeiterinnen geplant. Eine Vermischung mit der Bundes-SPÖ will man vermeiden – selbst beim Wahlkampfabschluss am 23. November auf dem Grazer Messegelände setze man nicht unbedingt auf Gäste aus Wien: „Jetzt geht es um die Steiermark, nicht um den Bund“, unterstrich Schickhofer – mehr dazu in steiermark.ORF.at.

Das Ende der SPÖ?

Dass sich die Sozialdemokratie europaweit im Abwärtstrend befindet, ist für Hofer dennoch keine Entschuldigung für die derzeitige Situation der SPÖ. Schließlich sei auch die ÖVP vor drei Jahren noch ganz wo anders gestanden. Es sei auch „Unsinn“ zu behaupten, die SPÖ sei am Ende, vielmehr sei die politische Landschaft insgesamt sehr volatil. Dem könne allerdings mit „Eigenleistung“ entgegengesteuert werden. Und die hänge vor allem von Personen, von der Ausrichtung und von der Kommunikation ab. Bei der SPÖ brauche es dabei „Änderungen auf allen Ebenen“.