Grand Cayman Island
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Cayman Islands

Experimentierfeld für schweigsamen Milliardär

Über Kenneth Dart, den Erben eines US-Styroporriesen, ist wenig bekannt, obwohl er mit seinem auf rund sechs Milliarden US-Dollar geschätzten Vermögen das Schicksal ganzer Staaten beeinflusst. Als Sitz suchte sich Dart schon in den 1990er Jahren die Cayman Islands aus, deren Land er nach und nach aufkaufte. Heute gilt er als größter Privateigner der Caymans – und er hegt offenbar große Pläne mit dem Karibikparadies.

Die Cayman Islands machten in den vergangenen Jahrzehnten eine erstaunliche Entwicklung durch. Die Inselgruppe mit paradiesischen Stränden und unvergleichbarer Tier- und Pflanzenwelt ist britisches Überseegebiet. Früher waren Schildkröten und Muscheln der Exportschlager. Nun gelten die Inseln als Steueroase und fünftgrößter Finanzplatz der Welt. So sind etwa 40 Prozent aller Hedgefonds weltweit hier beheimatet. Für die NGO Tax Justice Network belegen die Caymans Platz drei auf der Liste der Steueroasen für Unternehmen.

Die Steuerpolitik, die in den 1990er Jahren etabliert wurde, zog nicht nur große Firmen an, sondern auch viele, mitunter wohlhabende Menschen, die sich hier niederließen. Hatte die Inselgruppe 1950 etwas mehr als 6.000 Einwohner, sind es heute knapp 62.000. Einer davon ist der heute 64-jährige Milliardär Dart.

USA hinter sich gelassen

Dart lebt auf dem Seven Mile Beach auf Grand Cayman, der größten der drei Inseln. Dort bewohnt er laut „New York Times“ seit 25 Jahren ein ganzes Hotel. Die Cayman Islands seien anfangs für den Unternehmer nur ein Rückzugsort unter vielen gewesen, später verlegte er Wohnort, Vermögen und Firmensitze von Dart Enterprises, Dart Realty und Cayman Shores Development hierher. In den 1990er Jahren legte Dart sogar seine US-Staatsbürgerschaft ab – ein Schritt, der in den USA den Gesetzgeber dazu inspirierte, gegen Steuervermeidung aktiv zu werden.

Dart ist der Spross einer US-Styropordynastie. Die Dart Container Corporation wurde 1937 im US-Bundesstaat Michigan gegründet. Dart verlagerte sich im Laufe der Zeit vom Verkauf von Bechern auf Immobilien und Hedgefonds, mit denen er sowohl in der Griechenland- als auch in der Argentinien-Krise mitmischte. Darts Finanzfirmen waren große Auslandsgläubiger der finanziell schwer angeschlagenen Staaten.

Ganze Landstriche im Portfolio

Trotz seiner Bedeutung umgeben den Unternehmer wegen seiner großen Verschwiegenheit Geheimnisse. Seit den 1990er Jahren gab er keine Interviews mehr. Er gelte als größter privater Eigentümer des Archipels, aber kaum jemand dort kenne Dart persönlich, so die „New York Times“. Die Bewohner würden ihn gar mit Howard Hughes oder einem Bond-Bösewicht vergleichen.

Das große Kaufprogramm Darts auf den Caymans begann vor rund einem Jahrzehnt. 2007 öffnete sein Camana Bay auf der Hauptinsel, ein großer Komplex mit Shopping- und Unterhaltungsangebot. Dart begann auch hochkarätige Immobilien anzuhäufen, darunter sind das örtliche Ritz-Carlton und ein Jachtklub. Während der Finanzkrise 2008, die die Cayman Inseln schwer traf, investierte Dart weiter, kaufte Wohn- und Büroimmobilien und übernahm sogar Infrastrukturprojekte, etwa beim Straßenbau. 2014 trat Dart von seinen Funktionen im Familienunternehmen zurück und widmete sich vollends der Entwicklung von Immobilienprojekten. Ohne Dart ging auf den Caymans nur mehr wenig.

Große Pläne

Laut Dart Enterprises investierte man im Laufe der Jahre mehr als 1,5 Milliarden US-Dollar (1,35 Mrd. Euro) auf den Cayman Islands. Das nächste kostspielige Projekt ist bereits in der Pipeline: Im Februar präsentierte die Firmengruppe Pläne für einen „ikonischen Wolkenkratzer“, der Dubais Burdsch Chalifa oder dem Eiffelturm Konkurrenz machen solle. Dart will dabei laut Alden McLaughlin, dem Premier der Islands, noch einmal rund 1,5 Milliarden Dollar in den Turm sowie die umgebende Infrastruktur stecken. Darts Millionen sollen etwa auch in soziale Infrastruktur wie Schulen und Wohneinheiten fließen.

Der Turm selbst soll ein Hotel, Handel, Entertainmentangebote sowie Wohnungen beherbergen. Um wie viel er das Zehnstockwerkelimit, das auf den Cayamans gilt, überragen wird, oder wann mit Baubeginn und Fertigstellung zu rechnen ist, ist noch unbekannt. Der Premier betonte die Vorteile eines solchen Großprojekts: Jobs, einen Anschub für die Wirtschaft, und schließlich auch „eine neue Skyline, die auf der ganzen Welt wiedererkannt würde“, wie ihn die Zeitung „Cayman Compass“ zitierte. Bisher seien noch keine Zugeständnisse an den reichen Investor gemacht worden, beruhigte McLaughlin.

Debatte über Einfluss der Reichen

Die Debatte, wie viele Freiheiten und Kontrolle die Cayman Islands Dart, seinen Geschäftspartnern und anderen wohlhabenden Ausländern geben sollen, schwelt seit Jahren. Kritiker monieren einen Ausverkauf des Landes, das in der Klimakrise wegen des hohen Meeresspiegels besonders fragil ist. Sie fürchten um die Gemeinnützigkeit und kritisieren, die Inseln seien zum Spielplatz der Reichen geworden.

Große Unternehmen wie die Dart Group betonen, dass die Investitionen auch zu Wohlstand für die Bewohner führten. Ausländisches Kapital hätten Jobs, Schulen und Infrastruktur mitfinanziert. Auch Dart macht auf den Rückfluss des Geldes aufmerksam: Sechs Millionen Dollar seien in fünf Jahren in Gemeindekassen geflossen. Zudem beschäftige man rund 800 Mitarbeiter auf den Caymans – wie viele davon tatsächlich Ansässige sind, wird nicht genannt.

Dart lobt „Steuerneutralität“

Die Vorteile des Standorts für Dart sind hingegen klar: Als britisches Überseegebiet seien die Inseln „eine reizvolle Kombination“ aus politischer Stabilität, geschäftlicher Professionalität und Gesetzen, die auf britischen basierten. Zudem gebe es hier „Steuerneutralität“, wie die Firma auf ihrer Website ausführt. Das Finanzzentrum und der Tourismus hätten Wohlstand gebracht, das Resultat sei höchster Lebensstandard und „eine kosmopolitische Lebensart“. So groß die Schönheit der Caymans gewertet wird, Darts Zukunftspläne für die Inseln umfassen noch große Entwicklungen.

2018 präsentierte das Unternehmen laut „New York Times“ der örtlichen Wirtschaftskammer ein mögliches Bauprogramm, das Wohnimmobilien, Büros, ein weiteres Fünfsternresort und viele weitere Einheiten enthalten könnte. Dart wolle aus den schönsten Teilen der Hauptinsel einen hochpreisigen Steuersitz und eine Touristenattraktion für die Superreichen der Welt machen, mutmaßt die Zeitung.

Auch der geplante Wolkenkratzer sei Teil dieses Plans. Wie Justin Howe, der stellvertretende Generaldirektor der Dart-Gruppe, bei einem Wirtschaftsforum auf Grand Cayman, sagte: „Wir wollen mehr Hochkapital, Ultrahochkapital, Milliardäre herbringen.“