Justin Trudeau mit seiner Frau Sophie Gregoire Trudeau
AP/The Canadian Press/Paul Chiasson
Kanada-Wahl

Trudeau bleibt trotz Verlusten Erster

Die Liberalen von Premierminister Justin Trudeau sind bei der Parlamentswahl in Kanada einem ersten vorläufigen Endergebnis zufolge erneut stärkste Kraft geworden. Seine Partei errang bei der Wahl am Montag 157 Sitze im Parlament in Ottawa, wie die nationale Wahlbehörde mitteilte. Sie verlor aber ihre absolute Mehrheit.

Damit blieb die Regierungspartei des 47-Jährigen deutlich unter ihren 184 Mandaten von 2015 – für eine absolute Mehrheit wären 170 Sitze nötig gewesen. Die Konservativen lagen aufgrund des Direktwahlsystems mit wohl 121 Mandaten (2015: 99 Sitze) deutlich hinter den Liberalen, obwohl sie insgesamt die meisten Stimmen erhielten.

Die Regionalpartei der frankophonen Minderheit Bloc Quebecois errang mit 32 Sitzen (2015: vier Sitze) einen großen Sieg. Auch die Grünen konnten zwei Mandate zulegen und belegen jetzt insgesamt drei Parlamentssitze. Die sozialdemokratische New Democratic Party (NDP) verlor unterdessen fast die Hälfte ihrer Mandate und kommt nur noch auf 24 Sitze (2015: 44 Sitze).

„Unser Team wird für alle Kanadier kämpfen“

Trudeau beschwor nach seinem Sieg die Einigkeit des Landes. „Unser Team wird für alle Kanadier kämpfen“, sagte Trudeau in der Nacht auf Dienstag (Ortszeit) in Montreal.

An seine Kritiker gewandt sagte der 47-Jährige, er habe ihre Enttäuschung vernommen und werde sicherstellen, dass ihre Stimme gehört werde: „Wir werden zusammen vorwärts gehen in eine bessere Zukunft.“ Die liberale Regierung werde fortsetzen, was sie in den vergangenen vier Jahren begonnen habe. Dazu gehörten die Kämpfe gegen den Klimawandel und gegen Waffengewalt.

Justin Trudeau
Reuters/Stephane Mahe
Trudeau bedankte sich nach dem Urnengang bei seinen Wählerinnen und Wählern

Minderheitsregierung wahrscheinlich

Trudeau müsste, will er weiter alleine regieren, eine Minderheitsregierung bilden. Das gilt in Kanada – im Gegensatz etwa zu Österreich – als nicht ungewöhnlich. Dazu brauchen die Liberalen allerdings die Duldung durch kleinere Parteien. Unter ihnen waren die Sozialdemokraten von Jagmeet Singh zuletzt im Aufwind. Sie stehen – wie die Grünen – den Liberalen politisch näher. Auch die erstarkte Regionalpartei Bloc Quebecois könnte am Ende für Trudeau bei einer Minderheitsregierung von Fall zu Fall ausschlaggebend sein.

Schon im Vorfeld hatte sich ein knappes Rennen zwischen Trudeau und seinem konservativem Herausforderer Andrew Scheer abgezeichnet. Rund 27 Millionen Bürger und Bürgerinnen waren in dem G-7-Land dazu aufgerufen, neue Abgeordnete zu wählen. Die Abgeordneten werden per Direktwahl nach dem Mehrheitsprinzip gewählt. 2015 hatten Trudeaus Liberale 184 Sitze im Parlament gewonnen und seitdem mit dieser absoluten Mehrheit regiert.

Skandale schadeten Trudeau

Die Bilanz der liberalen Regierung nach vier Jahren ist durchwachsen. Zwar hat Trudeau wie versprochen Marihuana legalisiert und mehr als 25.000 syrische Flüchtlinge im Land aufgenommen. Einige seiner Wahlversprechen wie eine Wahlrechtsreform und ein ausgeglichenes Budget bis 2019 konnte er aber nicht halten.

Zudem erregte Trudeau in den vergangenen Monaten mit Skandalen Aufmerksamkeit. Zunächst wurde bekannt, dass er Ermittlungen gegen ein kanadisches Unternehmen wegen Bestechung in Libyen unterdrücken wollte – eine Ethikkommission bescheinigte ihm falsches Verhalten. Später tauchte ein altes Foto von ihm auf, das ihn vor 20 Jahren mit dunkel geschminktem Gesicht – verkleidet als Aladdin – auf einer Party zeigte. Der Ministerpräsident entschuldigte sich für sein „rassistisches“ Verhalten.

Als „Betrüger“ beschimpft

Scheer beschuldigte Trudeau auch deshalb, das kanadische Volk über sein wahres Wesen zu täuschen, und beschimpfte ihn als „Betrüger“, der das kanadische Volk hinters Licht führe. Inhaltlich versprach er angesichts der Sorge um steigende Preise den Bürgern und Bürgerinnen „mehr Geld in den Taschen“. Die Wählerbasis der Konservativen sitzt traditionell eher im ländlichen Raum, vor allem in den zentralen Provinzen Alberta und Saskatchewan.

Ein großes Thema im Wahlkampf war auch der Kampf gegen die Klimakrise: Während die Konservativen ankündigten, Trudeaus CO2-Steuer zurückschrauben zu wollen, musste die Regierung nicht nur von links viel Kritik dafür einstecken, dass die Maßnahmen nicht weit genug gingen. Kanada wird aller Wahrscheinlichkeit nach seine eigenen Klimaziele deutlich verfehlen.

Gratulation von Trump

Zudem nahmen im Vorfeld der Wahl viele Kanadierinnen und Kanadiern dem einst als „Sonnyboy“ gefeierten Trudeau übel, dass er, obwohl er sich stets als Umweltschützer und Kämpfer gegen den Klimawandel präsentiert, eine neue Ölpipeline quer durch das Land genehmigte.

US-Präsident Donald Trump gratulierte Trudeau: Mit dem „hart erkämpften Sieg“ sei Kanada gut bedient. „Ich freue mich darauf, mit Ihnen an der Verbesserung unserer beiden Länder zu arbeiten“, schrieb Trump am Dienstag auf Twitter.