Die Verhandlungen für eine Große Koalition, für die sich auch Rivlin ausgesprochen hatte, galten bereits weitgehend als gescheitert, nachdem das Mitte-Bündnis Blau-Weiß des israelischen Ex-Militärchefs Benny Ganz Anfang Oktober Gespräche mit Netanjahus Likud-Partei abgesagt hatte.
Netanjahu, der am Montag 70 Jahre alt geworden ist, hat mit dem Verlust der rechts-religiösen Mehrheit im Parlament und drohenden Anklagen in drei Korruptionsfällen zu kämpfen. Bereits nach der vergangenen Wahl im April war er damit gescheitert, eine Koalition zu formen. Der Premier erklärte in einer Stellungnahme auf Facebook, es sei ihm nicht gelungen, Ganz an den Verhandlungstisch zu bringen.
Bekommt Ganz Regierungsauftrag?
Rivlin kündigte am Montag nach Medienberichten an, nun Netanjahus Herausforderer Ganz den Auftrag zur Regierungsbildung zu erteilen. Dessen Erfolgsaussichten für das Formen einer Koalition gelten allerdings ebenfalls als gering. Der Präsident könnte aber auch erklären, dass es keine Möglichkeit zur Regierungsbildung gibt. Dann bliebe jedem der 120 Parlamentarier drei Wochen Zeit, um eine Mehrheit von 61 Abgeordneten für eine Regierung zu suchen. Sonst würde sich die Knesset auflösen, und es käme erneut zu vorgezogenen Wahlen – den dritten innerhalb eines Jahres.
Blau-Weiß war bei der Wahl am 17. September mit 33 Mandaten zwar stärkste Kraft geworden. Netanjahus Likud kam nur auf 32 Mandate. Netanjahu erhielt allerdings 55 Empfehlungen von Abgeordneten für das Amt des Ministerpräsidenten – Ganz dagegen nur 54. Weder das rechts-religiöse noch das Mitte-links-Lager hat jedoch eine Mehrheit zur Regierungsbildung. Der ultrarechte Ex-Verteidigungsminister Avigdor Lieberman gab weder für Netanjahu noch für Ganz eine Empfehlung ab. Er strebt eine Regierung mit beiden Parteien an.
Netanjahu pocht auf Regierungspartner
Netanjahu und Ganz hatten sich bereits in den vergangenen Wochen gegenseitig für die Schwierigkeiten bei der Regierungsbildung verantwortlich gemacht. Der Likud hatte Blau-Weiß eine Blockadehaltung gegenüber einer Einheitsregierung mit paritätischer Aufteilung unter den Partnern vorgeworfen. Ganz hatte dagegen betont, seine Partei werde nicht in einer Regierung sitzen, „deren Vorsitzender sich einer schwerwiegenden Anklage stellen muss“.
Außerdem hatte Netanjahu, der bereits seit 2009 Ministerpräsident ist, direkt nach der Wahl einen Block mit den rechten und religiösen Parteien gebildet. Er besteht darauf, diese in ein Regierungsbündnis aufzunehmen. Ganz strebt jedoch eine säkulare Große Koalition an.