Naruhito verkündet seine Inthronisierung
AP/Issei Kato
Festliche Zeremonie

Japans Kaiser bestieg nun offiziell den Thron

Japans neuer Kaiser Naruhito hat knapp ein halbes Jahr nach seiner Amtsübernahme am Dienstag offiziell seine Inthronisierung verkündet. Bei dem 30 Minuten dauernden festlichen Akt namens „Sokuirei Seiden no gi“ (Zeremonie zur Inthronisierung des Kaisers) im Kaiserpalast in Tokio vor 2.000 Würdenträgern aus dem In- und Ausland, darunter Bundespräsident Alexander Van der Bellen, verkündete der Tenno („himmlischer Herrscher“, etwa: Kaiser) den Schritt.

Der Kaiser hatte sich zunächst den Blicken hinter einem Vorhang des „Takamikura“ – des 6,5 Meter hohen und acht Tonnen schweren, überdachten Chrysanthementhrons – entzogen. Seine in einen prachtvollen, aus zwölf Lagen bestehenden Kimono gekleidete Gemahlin, Kaiserin Masako, nahm auf ihrem daneben stehenden Michodai-Thron Platz, ebenfalls hinter einem Vorhang. Beamte des Haushofamtes legten zwei der kaiserlichen Throninsignien, die bereits in einer Zeremonie zuvor eine Rolle gespielt hatten, neben dem Thron des Kaisers ab.

Dann wurden die Vorhänge geöffnet, und das Kaiserpaar erhob sich. In der Hand hielt der Monarch einen Zeremonialstab. Ein Hofbeamter nahm ihm den Stab ab, und der Oberhofmarschall überreichte dem Kaiser einen Redetext. Naruhito öffnete den Text und verlas seine Rede. Er versicherte, im Einklang mit der Verfassung seine Verantwortung als Symbol des Staates und der Einheit des japanischen Volkes zu erfüllen, sagte der 59 Jahre alte Monarch. Er trug dabei eine braun-orange Robe in jahrhundertealtem Design.

Naruhito verkündet seine Inthronisierung
Reuters
Die Inthronisierungszeremonie wird von Jubel der Anwesenden begleitet

Regen machte Strich durch die Rechnung

Kurz darauf hielt der rechtskonservative Ministerpräsident Shinzo Abe vor dem erhöhten Thron des Kaisers eine kurze Rede. Am Ende ließ er den Kaiser mit einem dreimaligen „Banzai“ (wörtlich: 10.000 (Jahre), im übertragenen Sinn „Lang lebe der Kaiser“) hochleben. Die Anwesenden stimmten ein. Würdenträger aus mehr als 170 Ländern verfolgten die Zeremonie von Räumen und Gängen des Palastes aus auf Bildschirmen.

Pompöse Zeremonie

Die Inthronisierung stellt den Höhepunkt einer ganzen Reihe an Thronfolgeritualen dar.

Wegen Regens musste das eigentlich auf dem Hof des Palastes geplante farbenprächtige Arrangement aus Bogen- und Schwertträgern, Trommlern und Gong-Spielern in die Innenräume des Palastes verlegt werden. Nur hohe festliche Fahnen waren draußen aufgereiht.

Auftakt der Zeremonie bei heiligen Schreinen

Naruhito war am 1. Mai zum Tenno ernannt worden, nachdem sein Vater Akihito in einem ungewöhnlichen Schritt abgedankt hatte. Die Inthronisierung war der Höhepunkt einer Reihe von Thronfolgeritualen, die im Mai begannen. Akihito war seit rund 200 Jahren der erste Kaiser Japans, der noch zu seinen Lebzeiten den Thron für seinen Nachfolger frei machte.

Naruhito
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In einer weißen Robe besuchte Naruhito zuvor drei Schreine

Zum Auftakt der Zeremonie am Dienstag zu seiner Thronbesteigung war Naruhito in die heiligen Schreine seines Palasts gepilgert. Bei strömendem Regen suchte der 59-jährige Monarch Dienstagfrüh (Ortszeit) in eine weiße Robe gekleidet die Schreine „Kashikodokoro“, „Koreiden“ und „Shinden“ auf. Bei dieser religiösen Zeremonie teilte der Monarch den Gottheiten mit, dass er am Nachmittag (Ortszeit) den Antritt seiner Regentschaft verkünden wird.

Blick auf „göttliche“ Throninsignien verboten

Beamte des Haushofamtes folgten mit zwei der kaiserlichen Throninsignien: ein Schwert sowie die „Krummjuwelen“, die das Kaiserhaus der Sage nach von der Sonnengöttin Amaterasu Omikami erhalten hat. Den Mythen zufolge sind Japans Kaiser unmittelbare Nachfahren der Göttin. Niemand, selbst der Kaiser nicht, darf dabei einen Blick auf die Throninsignien werfen, die sich in Schutzhüllen befinden. Ihr Inhalt ist dazu zu heilig. Der Kaiser schritt langsam zum „Kashikodokoro“, wo die Sonnengöttin verehrt wird, verbeugte sich tief und ging dann zum Beten hinein.

Alexander Van der Bellen
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Doris Schmidauer und ihr Ehemann Bundespräsident Alexander Van der Bellen treffen im Palast ein

Eine ursprünglich im Anschluss geplante Parade des Kaiserpaares in einem offenen Wagen durch die Hauptstadt wurde aus Rücksicht auf die Opfer einer Taifun-Katastrophe vor wenigen Tagen auf den 10. November verschoben. In dem Monat folgt eine letzte religiöse Zeremonie, bei der Naruhito der Sonnengöttin für den neuen Reis dankt und ihr Reis und Sake anbietet. Danach ist Naruhito endgültig in die Reihe der Kaiser aufgenommen.

Abdankung dauerte nur zehn Minuten

Naruhitos Vater Akihito hatte Anfang Mai während einer nur zehn Minuten langen Zeremonie seinen Thronverzicht erklärt. Das Zeremoniell fand unter Ausschluss der Öffentlichkeit im Matsu-no-Ma, einer 370 Quadratmeter großen Halle im Kaiserpalast in Tokio, statt. Naruhito übernahm dann den Thron um Mitternacht. Akihito hatte zu Beginn des Kaiserwechsels den Göttern des Landes seine Abdankung angekündigt.

Japanischer Kaiser Akihito während eines traditionellen Rituals
AP/Japan Pool
Der Kaiser kündigte den Göttern seine Abdankung an

Der 85 Jahre alte Monarch führte in den Schreinen seines Palasts religiöse Riten durch – gekleidet in die moderne Version einer jahrhundertealten höfischen Tracht aus braun-orange Robe und hoch aufragender schwarzer Kopfbedeckung. Ab der ersten Minute des 1. Mai war dann Naruhito japanischer Kaiser.

TV-Hinweis

ORF2 zeigt am Mittwoch um 22.30 Uhr in „Weltjournal“ ein Porträt des neuen Kaisers Naruhito.

Mit ihm begann eine neue Ära, „Reiwa“ genannt. Der Begriff steht für „Ordnung“, „Frieden“ und „Harmonie“. Die vergangenen 30 Jahre unter Akihito, dessen Ära den Namen „Heisei“ (Frieden schaffen) trägt, lebten die Japanerinnen und Japaner tatsächlich in Frieden. Zum ersten Mal in der modernen Geschichte Japans erlebte das Land eine Zeit ohne Krieg.

Japanischer Kronprinz Naruhito mit Frau und Kaiser Akihito mit Frau
APA/AFP/Japan Pool
Tenno-Pensionär Akihito, seine Frau Michiko, ihr Sohn Naruhito und seine Frau Masako Anfang Mai vor der Zeremonie im Matsu-no-Ma

Zugleich war „Heisei“ eine Zeit, in der es mit Japan nach Jahrzehnten des wirtschaftlichen Aufstiegs bergab ging und das Land vom Regionalrivalen China überholt wurde. Auch begann sich die Schere zwischen Arm und Reich zu öffnen. Der Name „Reiwa“ wurde von der rechtskonservativen Regierung unter Abe gewählt. Die Regierung nahm bei der Auswahl erstmals einen japanischen Klassiker als Referenz statt chinesischer Literatur. Für Kritiker ist das Ausdruck einer „Rückkehr zum Nationalismus“, andere hingegen begrüßten, dass der neue Name auch „Frieden“ bedeutet.

Wäsche in Studienzeiten selbst gewaschen

Frieden war für Akihito von zentraler Bedeutung – das betonte er, ein Zeitzeuge des Zweiten Weltkriegs, bei jeder Rede. Naruhito und seine Frau Masako haben einen gänzlich anderen Lebenslauf: Beide haben Universitätsausbildung, sind mehrsprachig und lebten mehrere Jahre außerhalb Japans. Bei seinem Studienaufenthalt in Oxford soll Naruhito seine Wäsche gar selbst gewaschen haben, heißt es – angesichts strenger kaiserlicher Traditionen eigentlich unvorstellbar.

Akihito und seine Ehefrau Michiko, die als Novum den Kronprinzen, den nunmehrigen Tenno, ausschließlich selbst aufzogen, suchten die Nähe der Bürgerinnen und Bürger, insbesondere wenn es nach Katastrophen darum ging, sie zu trösten – Anlass waren etwa das Erdbeben in Kobe 1995, der verheerende Saringasanschlag 1995 auf die U-Bahn in Tokio sowie Erdbeben, Tsunami und Atomunfall 2011 in Fukushima. Akihitos Abdankung zog schließlich auch Diskussionen über die Rolle des Kaisers und eine mögliche Neuausrichtung durch Naruhito nach sich.