Deutsche Autobahn
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Deutsche Pkw-Maut

Geheimvertrag sorgt für neuen Wirbel

Die gescheiterte Einführung einer Pkw-Maut sorgt in Deutschland erneut für Wirbel. Am Dienstag machten Medien einen Geheimvertrag zwischen dem deutschen Verkehrsministerium und dem österreichisch-deutschen Bieterkonsortium publik. Das Dokument bringt Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) weiter unter Druck.

Die Pkw-Maut galt als Prestigeprojekt der CSU. Bereits im Oktober 2018 erteilte Scheuer den Auftrag zur Kontrolle der Maut der österreichischen Firma Kapsch. Ende 2018 ging dann der Zuschlag zur Erhebung an das Konsortium autoTicket, bestehend aus Kapsch und der deutschen Firma CTS Eventim. Nur wenige Monate später kippte der Europäische Gerichtshof (EuGH) nach einer Klage Österreichs die Einführung der Abgabe, die anfangs unter dem Namen „Ausländermaut“ hierzulande für Unmut sorgte.

Dass Scheuer den Vertrag mit dem Konsortium schloss, ohne das EuGH-Urteil abzuwarten, könnte den deutschen Staat einen Betrag in dreistelliger Millionenhöhe kosten. Neben dem Betreibervertrag wurde laut Berichten des ARD-Magazins „Report Mainz“ und der „Berliner Zeitung“ aber noch eine weitere – geheime – Vereinbarung zwischen dem Ministerium und autoTicket abgeschlossen.

In dem 59-seitigen Geheimvertrag ist laut „Berliner Zeitung“ geregelt, dass die Einhebung der Pkw-Maut zwar privatisiert wird – der deutsche Staat über seine Tochterfirma Toll Collect aber „wesentliche Aufgaben erfüllen“ und die „Risiken tragen sollte“. „Das Konsortium hätte kassiert, doch die entscheidenden Leistungen wären von Toll Collect als Subunternehmer erbracht worden“, resümierte das Blatt.

Die fehlende Milliarde

Hintergrund: Scheuer hatte für das Prestigeprojekt seiner Partei nicht ausreichend Geld zur Verfügung. Der deutsche Bundestag hatte dem Ressortchef nur etwas über zwei Milliarden Euro genehmigt. Kapsch und Eventim waren „Report Mainz“ zufolge als einzige Unternehmen in der Ausschreibung übrig geblieben; allen anderen Mitbewerbern seien die Risiken zu hoch und die Verdienstmöglichkeiten zu gering erschienen.

Andreas Scheuer
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Die gescheiterte Pkw-Maut wird für Deutschlands Verkehrsminister Scheuer zunehmend zum Problem

Doch auch Kapsch und Eventim hätten dem Verkehrsministerium mitgeteilt, „dass ihr Angebot nicht unter drei Milliarden Euro fallen würde“, so das TV-Magazin. Um den fehlenden Betrag zu erhalten, hätte Scheuer beim deutschen Finanzminister anfragen müssen. Das habe Scheuer nicht getan. Den Vertrag mit dem Konsortium habe er trotzdem unterzeichnet.

Zuständig ist Toll Collect eigentlich für die deutsche Lkw-Maut. Mit dem Geheimvertrag wären neue Aufgaben hinzugekommen: Das Unternehmen hätte unter anderem sein Mautstellennetz dem Konsortium zur Verfügung stellen müssen, so die „Berliner Zeitung". Zudem hätte die Staatsfirma die Infrastruktur „pflegen, warten und instand halten“ müssen. Besonders brisant: Laut den beiden Medien hätte Toll Collect seine Leistungen zu nicht marktüblichen Preisen erbringen sollen.

Opposition kritisiert Scheuer

Die deutsche Opposition übte neuerlich scharfe Kritik am Zustandekommen des Mautvertrags mit Kapsch und Eventim. An vielen Stellen im Verfahren sei gezielt manipuliert und gelogen worden, sagte der grüne Abgeordnete Sven-Christian Kindler der ARD. „Hier wurden Hunderte Millionen Euro versteckt, wissentlich, und der deutsche Bundestag wurde darüber nicht informiert“, so Kinderl, „Andreas Scheuer hätte das nie unterschreiben dürfen.“

Der FDP-Abgeordnete Oliver Luksic bezeichnete den Vertrag zwischen dem Verkehrsministerium, autoTicket und Toll Collect als „wirtschaftlich völlig unsinnig“. Scheuer hätte die Vergabe bereits vergangenen Herbst stoppen sollen: „Er hätte sagen müssen, es gibt nicht genug Geld, die Maut ist zu teuer, ein Bürokratiemonstrum. Das wollte er verhindern. Deswegen hat er angefangen, zu tricksen mit der Toll Collect“, so Luksic gegenüber der ARD.

Ein Sprecher des Verkehrsministeriums bezeichnete die Vorwürfe gegenüber der Nachrichtenagentur dpa am Dienstag als „unzutreffend“. In einer Stellungnahme an die ARD hatte das Ministerium zuvor erklärt, die Leistungen, die Toll Collect hätte erbringen sollen, hätten einen Gegenwert von 164 Millionen Euro verteilt auf zwölf Jahre haben sollen.

Ungewisse Zukunft für Scheuer

Angesichts der vielen Vorwürfe spekulierten deutsche Medien bereits in der Vorwoche über eine Ablöse Scheuers. Die „Welt“ bezeichnete ihn als „Minister ohne Gespür“, dem das Gefühl für das „richtig Timing“ fehle. Laut „Zeit“ (Onlineausgabe) konnte sich der Verkehrsminister mit dem Mautprojekt gleich dreimal blamieren: „Die Ausländermaut umsetzen zu wollen war von Anfang an sinnlos. Die Verträge zu unterschreiben, ohne das Urteil abzuwarten, war mindestens naiv. Sein Transparenzversprechen hat er offenbar nicht gehalten.“ Es seien Minister wegen „geringerer Fehler, etwa in ihren Doktorarbeiten, abgetreten“.

Ob Scheuer geht, hänge aber von der CSU ab, so die „Süddeutsche Zeitung“. CSU-Parteichef Markus Söder sei dafür bekannt, Ämter „kühl und konsequent“ neu zu besetzen, wenn er darin einen Vorteil erkenne. Die Partei sei aber gespalten in der Frage Scheuer. „Sosehr Parteifreunde mit dem Krisenmanagement des Verkehrsministers hadern (zuletzt etwa die explodierenden Beraterkosten für die Reform der Fernstraßenverwaltung, Anm.), so sehr schätzen sie allerdings auch dessen Robustheit in zentralen Fragen.“