Gruppe von Jugendlichen
ORF.at/Christian Öser
Studie

Österreich macht es sozialen Aufsteigern schwer

Eine Studie der OECD sieht in der heimischen Politik Aufholbedarf: Die soziale Mobilität ist in Österreich gering ausgeprägt. Bildung und Berufschancen sind vererbt, nur 15 Prozent der Kinder aus Familien mit niedrigem Einkommen schaffen es nach oben – ein Wert unter dem Schnitt. Doch diese Vererbung der Chancen ist durchaus beeinflussbar.

Die Studie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) wurde im Auftrag des Sozialministeriums erstellt. Sie bestätigt, dass Einkommen und sozioökonomischer Status der Eltern entscheidenden Einfluss auf das Leben der Kinder haben – Bildung und Chancen werden vererbt.

In Österreich gilt dieser Satz mehr als anderswo. In einem durchschnittlichen OECD-Land könne es vier bis fünf Generationen dauern, um aus dem unteren Zehntel der Einkommensverteilung heraus auf das Durchschnittseinkommen zu kommen, urteilt die Studie. Für Österreich fällt dieser Wert noch geringfügig höher aus, im Schnitt dauert es fünf Generationen lang. In Dänemark hingegen dauert es zwei Generationen lang, in Norwegen, Finnland und Schweden drei Generationen. Die Wahrscheinlichkeit von Kindern von Führungskräften, selbst Führungskräfte zu werden, sei dreimal höher als für Kinder aus Arbeiterfamilien, so die Studie.

Mehr Bücher, mehr Geld

„Die Wahrscheinlichkeit, dass Söhne von Vätern mit niedrigem Verdienst (…) in den oberen Bereich der Verdienstverteilung aufsteigen, liegt bei nur 15 Prozent und damit unter dem OECD-Durchschnittswert“, schreiben die Autoren. Söhne von Vätern mit hohem Einkommen werden in der Regel auch selbst viel verdienen, so die Autoren, die Ergebnisse anführten, die ausdrücklich das Verhältnis zwischen dem Verdienst von Vätern und Söhnen widerspiegelten. Es sei generell schwieriger, Schätzungen für Töchter abzugeben, da weniger Frauen als Männer am Arbeitsmarkt teilnähmen und die Verdienste auch weniger vergleichbar seien.

Die Studie bietet auch einen unkonventionellen Indikator für die Bildungsfrage, wie „Der Standard“ am Dienstag zitierte. Ein bildungsbürgerlicher Hintergrund korreliere mit materiellem Wohlstand. „Wer in einem Haushalt mit mehr als hundert Büchern aufgewachsen ist, erfreut sich heute über ein doppelt so hohes Nettovermögen, als wenn die Eltern maximal zehn Bücher besessen haben.“

Chancen auf Aufstieg für viele gesunken

Die Untersuchung zeigt auch auf, dass sich die Strukturen verfestigten: „Das Risiko in die niedrigsten 20% abzugleiten stieg für Menschen aus der unteren Mittelschicht, nahm aber für jene im mittleren und oberen Bereich ab.“ Die geringe soziale Mobilität sei nicht nur ungerecht, sondern habe auch „negative wirtschaftliche, soziale und politische Konsequenzen“.

Erhalten Menschen aus sozial schwachen Verhältnissen nicht dieselben Möglichkeiten zur Entfaltung ihrer Talente wie Menschen aus privilegierten Familien, schmälere das auch das Wirtschaftswachstum, steht in dem Bericht. „Aufstiegschancen wirken sich zudem auf die Lebenszufriedenheit und das Wohlbefinden des Einzelnen aus und sind wichtig für den sozialen Zusammenhalt und die demokratische Teilhabe“, schreiben die Autoren Michael F. Förster und Sebastian Königs.

Studenten im Hörsaal
ORF.at/Peter Pfeiffer
Gebildete Kinder kommen oft aus bildungsnahem Umfeld

Als Verbesserungsvorschläge werden mehrere Faktoren genannt. Notwendige Investitionen seien im Bereich der frühkindlichen Bildung zu tätigen, die „wichtige Impulse zur Aufstiegsmobilität“ geben könne. Hier bestehe weiterhin Aufholbedarf, die Betreuungsquoten bei den Null- bis Zweijährigen seien weiterhin sehr niedrig, Kinder verbrächten deutlich weniger Zeit in Kindertageseinrichtungen als Kinder in anderen Ländern. Das Angebot sei zu gering, die Öffnungszeiten unflexibel.

Frage der Geschlechter

Als zweiter Punkt wird empfohlen, Fördermaßnahmen für einen erfolgreichen Übergang von der Schule ins Erwerbsleben zu erhöhen. Auch wenn Österreich junge Menschen beim Berufseintritt teils bereits unterstützt, sollte die Finanzierung von benachteiligten Schulen verbessert werden, fordern die Autoren.

„Drittens würde die Verringerung der Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern auf dem Arbeitsmarkt die soziale Mobilität erheblich verbessern“, schreiben sie. Das erfordere Maßnahmen in den Bereichen Steuern, Elternkarenz sowie Familien- und Betreuungsleistungen. Als vierte Maßnahme empfehlen die Autoren Änderungen im Steuer- und Transfersystem. Die hohe Konzentration von Haushaltsvermögen in Verbindung mit dem Fehlen einer Erbschaftsbesteuerung beeinträchtige die Chancengleichheit, zeigen sie sich überzeugt.