Fakt ist: Österreich hat im Lebensmitteleinzelhandel eine besonders hohe Konzentration an Supermärkten. Auf dem Land bedeutet das seit vielen Jahren vor allem, dass kleine – oder auch gar nicht so kleine – Dörfer kein Geschäft mehr haben. Den vielbeschworenen Greißler in der klassischen Form gibt es immer seltener.
Doch das Zusammentreffen zweier Trends sorgt zumindest lokal teilweise für einen Ausgleich: Gerade in größeren Einzugsgebieten mit vielen Pendlerinnnen und Pendlern gibt es zunehmend alternative Angebote. Sie können den Supermarkt natürlich nicht ersetzen, aber zumindest kann man sich einige der Fahrten sparen. Und das oft noch verbunden mit dem Wissen, regional und/oder bio einzukaufen – auch wenn das Angebot seinen Preis hat.
Container auf der „grünen Wiese“
Immer häufiger sind, etwa rund um Wien, Containershops zu finden. Das sind tatsächlich auf die fast sprichwörtlich „grüne Wiese“ gestellte Frachtcontainer. Ob Sonntagfrüh schnell Milch für das Frühstück oder unter der Woche am Nachhauseweg von der Arbeit noch für das Abendessen das Nötigste besorgen: Die Containershops sind so etwas wie das ländliche Pendant zum Tankstellen- oder Bahnhofsshop in der Stadt.
Am Land rund um die Uhr einkaufen
Ihr großer Vorteil: Sie haben ausgedehnte Öffnungszeiten oder sind vielfach überhaupt rund um Uhr offen. Sie bieten damit ein Service, das es sonst nur in der Stadt gibt. Die Selbstbedienungscontainer bieten eine Mischung aus den wichtigsten Milch- und Fleischprodukten, Eiern, Brot, Obst und Gemüse. Dazu kommen Fertigwaren aus bäuerlicher Produktion wie Nudeln, Mehl, Müslis und Eingemachtes sowie Säfte, Wein und Bier.
Bezahlt wird dabei meist mit Bankomatkarte. Teils muss man sich die Summe noch selbst ausrechnen – ein Taschenrechner liegt für diese Zwecke auf; immer öfter aber können die Produkte einfach eingescannt werden. Das ist einfacher, geht schneller und sich verrechnen ist auch nicht mehr möglich.
Städtisches Phänomen
Im Weinviertel nördlich von Wien sind Robert und Raza Holzer, die selbst eine Landwirtschaft betreiben, mit ihren Landspeis-Containern so etwas wie Pioniere in der Sache. Container hätten den Vorteil, dass man damit einen Shop einfach umsiedeln könne, wenn ein Standort nicht funktioniere, so Robert Holzer – das erweiterte Prinzip eines Pop-up-Stores sozusagen.
Aber Landspeis gibt es nicht nur in Containern, sondern auch in normalen Lokalen – und auch hier durchaus im Sinne eines Pop-up-Stores, wenn auch idealerweise auf längere Dauer ausgelegt. So öffnete Landspeis erst kürzlich einen Shop in der 1.000-Einwohner-Gemeinde Jedenspeigen nahe der slowakischen Grenze, und zwar in der ehemaligen Raiffeisen-Filiale, die zugesperrt worden war. In einem anderen Dorf gibt es Bank und Landspeis-Shop gleich in einem.
Möglichst nah zum Kunden
Direktvermarktung unterliegt eigenen Regeln und bietet Bäuerinnen und Bauern die Möglichkeit eines alternativen Einkommens. Holzer betonte gegenüber ORF.at, Bauern hätten letztlich zwei Möglichkeiten: Konventionell auf Menge zu setzen oder zu versuchen, in der Produktkette möglichst nahe zum Kunden zu kommen. Mit anderen Worten: ihre Ernteprodukte selbst zu Endprodukten weiterzuverarbeiten. Auch wenn der direkte Verkauf vom Bauernhof aus nur wenige Prozentpunkte des gesamten Umsatzes in der Landwirtschaft ausmacht – die Tendenz ist klar.
„Zwei Trends treffen sich“
Das Meinungsforschungsinstitut KeyQuest erhebt seit vielen Jahren regelmäßig unter Landwirten, welche Betriebstypen sich ihrer Ansicht nach in der Zukunft am besten entwickeln werden. Dabei werde Direktvermarktung mittlerweile am positivsten gewertet, so KeyQuest-Chef Johannes Mayr gegenüber ORF.at. In den letzten Jahren hat die Direktvermarktung auch die Erzeugung von Alternativenergien und Urlaub am Bauernhof als zukunftsträchtigen Zweig in der Einschätzung der Landwirte überholt.
Mit dem Direktmarketing „treffen sich zwei Trends“, so Mayr. Den Bauern biete es eine gewisse Unabhängigkeit von den Weltmarktpreisen. Von den Konsumenten werde der Direktverkauf gleichzeitig wesentlich mehr geschätzt als früher. In Zeiten der Globalisierung, da man online in China einkaufen könne, „ist das Nahe wieder spannend und etwas Besonderes“. Die Direktvermarktung sei besonders im Marketing heute viel professioneller als früher, sagte Mayr, der etwa auf die Produktgestaltung und den Vertrieb via Onlineshop verweist.
„Unter dem Radar“
Im Kontext des heimischen Einzelhandels betrachtet fallen diese Direktvermarktungskonzepte – ob Bauernladen, Ab-Hof-Verkauf, Automat oder Container – freilich kaum ins Gewicht. Für die auf Immobilien und Handel spezialisierte Unternehmensberatung Regioplan Consulting, die auch regelmäßig Daten zum Einzelhandel erhebt, läuft all das „unter dem Radar“. Die großen vier Supermarktketten würden mehr als 90 Prozent des gesamten Umsatzes auf sich vereinen, so Regioplan-Geschäftsführer Wolfgang Richter.
Trotzdem ist er überzeugt, dass Direktvermarktung stärker werden wird. Die Chancen würden sich dabei „dramatisch“ verbessern, wenn es eine gemeinsame Dachmarke gebe. „Den Huber-Bauer erkennt man nicht in einer Zeit, in der es entscheidend ist, wahrgenommen zu werden“, so Richter.
Mehr Chance in Städten
Richter sieht die besten Chancen für Direktvermarkter aber nicht auf dem Land, sondern in den Städten. Produkte müssten dorthin wandern, wo die Leute sind, nicht umgekehrt. Der Experte glaubt daher, dass etwa Bauernmärkte in Städten noch ein größeres Phänomen werden. Auch bäuerliche Pop-up-Stores in Städten haben für den Regioplan-Chef Potenzial: Denn es gebe dort immer mehr frei werdende Geschäftsflächen, bei denen die Besitzer an einer Vermietung interessiert seien.