Gerichtszeichnung zeigt Lev Parnas und Igor Fruman mit Anwälten vor Richter
AP/Dana Verkouteren
Weite Kreise

Das russische Geld im US-Cannabis-Business

Es ist ein wenig beachtetes Detail in jener Anklage, die kürzlich zur Verhaftung zweier sowjetischstämmiger Geschäftsleute geführt hat, die wiederum in Verbindung zu Rudy Giuliani, dem Anwalt von US-Präsident Donald Trump, stehen. Doch es wirft ein Schlaglicht auf eine spannende Verquickung von US-Politik, Lobbying, Cannabis und russischem Geld.

Denn neben anderen Anklagepunkten wird den Geschäftsleuten Lev Parnas und Igor Fruman und zwei weiteren Männern vorgeworfen, illegale Spenden an Politiker durch einen Russen organisiert zu haben, um sich Marijuana-Lizenen in mehreren US-Staaten zu sichern. Russisches Engagement in den USA ist spätestens seit der Beeinflussung der US-Wahl 2016 generell ein höchst heikles Thema.

Parnas und Fruman – die alle Vorwürfe bestreiten und vom Gericht gegen Kaution auf freien Fuß gesetzt wurden – sind Kunden von Giulianis Beratungsfirma. Und sie unterstützten Trumps Anwalt in dessen Bemühungen, ukrainische Stellen zu Ermittlungen gegen den demokratischen Präsidentschaftsbewerber Joe Biden und dessen Sohn Hunter zu bewegen. Die Bemühungen Trumps und Giulianis, möglicherweise kompromittierendes Material gegen die Bidens in der Ukraine aufzuspüren, sind mittlerweile Gegenstand einer Untersuchung im US-Kongress, ob ein Absetzungsverfahren (Impeachment) gegen Trump eingeleitet werden soll.

Lev Parnas und Igor Fruman (Bildmontage)
Reuters/Shannon Stapleton
Parnas und Fruman halfen Giuliani bei dessen Versuch, in der Ukraine Belastendes gegen Joe Biden zu finden

Boomende Industrie

Die Cannabisindustrie in den USA wächst seit Jahren. Seit 2012 sind Anbau und Verkauf in elf Bundesstaaten und in Washington DC legalisiert worden. Laut Radio Free Europe wird für heuer ein Gesamtumsatz von 13 Milliarden US-Dollar (11,7 Mrd. Euro) erwartet. Bis 2024 sollen die Umsätze einer Branchenprognose zufolge auf 35 Mrd. Dollar steigen.

Doch laut Bundesrecht ist Cannabis weiter illegal – und das ist laut „New York Times“ der Hauptgrund, warum US-Banken bei der Finanzierung von Unternehmen sehr zögerlich waren und es bis heute sind. Entsprechend viel ausländisches Geld floss in den vergangenen Jahren in diese Boombranche. Aus Russland kamen Millionen in die USA.

Laut der russischen Wirtschaftszeitung „Wedomosti“, hatten alle acht befragten russischen Investmentfonds betont, man habe bereits in Cannabis in den USA investiert oder überlege das gerade. Die Ausgangslage könnte diese dabei an die 1990er Jahre und den damaligen Abverkauf der verstaatlichten sowjetischen Industrie teils zu Billigpreisen erinnern. Meist war damals Bestechung und Korruption im Spiel, die wenigsten Privatisierungen gingen transparent vor sich.

Cannabis-Pflanzen in einer Cannabis-Farm
Reuters/Alessandro Bianchi
Das Geschäft mit Cannabis boomt in den USA. Bei der Vergabe der Lizenzen gibt es Korruptionsvorwürfe.

Kampf um jede Lizenz

Jene US-Staaten, in denen Cannabis legalisiert ist, vergeben eine begrenzte Zahl an Lizenzen für Anbau, Verarbeitung und Verkauf. Dieser Prozess laufe teils intransparent ab, so Radio Free Europe. So seien die ersten Lizenzen im Bundesstaat Nevada an Casinomanager, Anwälte, Lobbyisten und ehemalige Beamte und deren Verwandte gegangen.

Bei der zweiten Runde 2018 gab es für 64 Lizenzen insgesamt 462 Bewerbungen. Nevada vergab schließlich 61 Lizenzen an 17 Unternehmen, was eine Reihe an Klagen der nicht berücksichtigten Firmen nach sich zog, die von „Korruption im großen Stil“ sprachen. Im August dieses Jahres warnte auch das FBI öffentlich vor Korruption bei der Vergabe von Cannabislizenzen, die teils 500.000 Dollar wert sind.

Vier Angeklagte

Die Anklage wirft Lev Parnas und Igor Fruman vor, gemeinsam mit David Correia und Andrey Kukushkin illegale Wahlkampfspenden geleistet zu haben. Alle vier Angeklagten sind US-Bürger, Parnas und Kukushkin wurden in der Ukraine geboren, Fruman in Weißrussland.

Spenden für Wahlkampf

Laut der Zeitung „Nevada Independent“ spendeten Cannabisunternehmen im Gouverneurswahlkampf des Vorjahres 750.000 Dollar an den demokratischen Kandidaten Steve Sisolak, der den republikanischen Kontrahenten Adam Laxalt besiegte. Sisolak kündigte nach der Verhaftung von Parnas, Fruman, Correia und Kukushkin eine Taskforce an, die Nevadas Lizenzvergaben überprüfen soll.

Laut der Anklage überwies der russische Investor, der in der Anklage nur als „Foreign National – 1“ geführt wird, kurz vor der Gouverneurswahl im November 2018 insgesamt eine Mio. Dollar auf ein Konto von Fruman – „um zu versuchen, Einfluss zu gewinnen und den Anschein von Einfluss bei Politikern und Kandidaten zu erwecken“, wie es wörtlich heißt. Fruman spendete auch 10.000 Dollar an Laxalt und Wes Duncan, den republikanischen Kandidaten für den Posten des Staatsanwalts.

„Grünes Licht“ nötig

Kukushkin schickte laut den Angaben eine Textnachricht an seine Partner, dass sie „grünes Licht“ von Laxalt brauchten, um an der bereits abgeschlossenen Lizenzvergaberunde noch teilnehmen zu können. Parnas, Fruman, Correia und der Russe trafen einander mehrmals, zuletzt im Frühling. Laut Anklage kam das Cannabisgeschäft nie zustande.

Laut der Zeitung „The Sacramento Bee“ überwiesen Parnas und Fruman Spenden auch an mehrere kalifornische Politiker, unter anderen an den Fraktionschef der Republikaner im US-Abgeordnetenhaus, Kevin McCarthy.

Rudy Giuliani trifft Parnas zum Kaffee
Reuters/Aram Roston
Giuliani beim Kaffee mit Parnas im Trump International Hotel in Washington – wenige Tage vor Parnas’ Verhaftung

Auf Weg nach Wien verhaftet

Die Aufmerksamkeit im Fall von Parnas und Fruman konzentriert sich derzeit aber vor allem auf ihre Verwicklung in die Ukraine-Affäre. Sie waren am 10. Oktober in Virginia verhaftet worden, als sie dabei waren, mit One-Way-Tickets die USA zu verlassen. Offenbar war der Zielort Wien. Der Trump kritisch gegenüberstehende TV-Sender CNN berichtete am Donnerstag, sie hätten dort dem früheren ukrainischen Generalstaatsanwalt Wiktor Schokin bei einem Interview mit dem Trump-freundlichen US-Sender Fox News assistieren sollen.

Ukraine-Affäre

US-Präsident Donald Trump wirft dem Demokraten Joe Biden vor, er habe als damaliger US-Vizepräsident seinen Sohn Hunter vor Korruptionsermittlungen in der Ukraine geschützt. Belege dafür gibt es nicht. Außerdem hängt Trump einer Verschwörungstheorie an, dass die Ukraine zugunsten der Demokraten in den Präsidentschaftswahlkampf 2016 eingegriffen habe.

Mehrere westliche Staaten waren Jahre davor zum Schluss gekommen, Schokin sei korrupt. Auch der damalige US-Vizepräsident Biden hatte damals dessen Ablöse zur Bedingung für die Fortsetzung der Wirtschaftshilfe gemacht. Trump dagegen behauptet, Biden habe damit Ermittlungen gegen geschäftliche Tätigkeiten seines Sohnes in der Ukraine stoppen wollen. Trump hält an seiner Behauptung fest, obwohl es keinerlei Hinweise dafür gibt.

Parnas und Fruman hätten in Wien Schokin und Giuliani treffen sollen, so CNN unter Verweis auf vier anonyme Quellen. Für den Tag nach ihrer Ankunft in Wien sei ein Interview des US-amerikanischen Starmoderators Sean Hannity mit Schokin geplant gewesen, der im April 2016 unter anderem auf Betreiben des ehemaligen US-Vizepräsidenten Biden entlassen worden war.

Berichte über Verbindung zu Causa Firtasch

Die geplante Wien-Reise von Parnas, Fruman und Giuliani verweist aber auch auf einen möglichen Zusammenhang mit Dmitri Firtasch: Der in Wien lebende ukrainische Oligarch bekämpft seit 2014 seine Auslieferung an die USA in Zusammenhang mit Korruptionsdelikten. Zuletzt verhinderte ein Wiederaufnahmeantrag eine Auslieferung, die vom österreichischen Justizminister Clemens Jabloner im Sommer 2019 bereits beschlossen worden war.

So habe Parnas für Anwälte von Firtasch als Übersetzer gearbeitet, berichtete das „Wall Street Journal“ kürzlich. Schokin seinerseits fungiert laut einem im Internet veröffentlichten Dokument als Zeuge von Firtaschs Verteidigung.

In der mit 4. September 2019 datierten schriftlichen Aussage, die laut Recherchen des Nachrichtenmagazins „profil“ Teil des österreichischen Auslieferungsaktes ist, beklagt sich der ehemalige Generalstaatsanwalt über die Einflussnahme des ehemaligen US-Vizepräsidenten Biden auf die ukrainische Strafverfolgung: Konkret habe Biden die politische Führung der Ukraine manipuliert, um eine Rückkehr Firtaschs in seine Heimat unter allen Umständen zu verhindern.