Peugeot e-208
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PSA – Fiat Chrysler

Die große „Fusionitis“ auf dem Automarkt

Der französische Konzern PSA mit den Marken Peugeot und Citroen plant eine Megafusion mit dem US-italienischen Autokonzern Fiat Chrysler. Die Gespräche seien im Gange, erklärten beide Hersteller am Mittwoch. Ziel sei ein „weltweiter Spitzenreiter im Mobilitätsbereich“, betonte Fiat Chrysler. Durch den Zusammenschluss entstünde ein Gigant mit einem Börsenwert von rund 45 Milliarden Euro.

De Deal könnte auch ganz schnell gehen. In einer Verwaltungsratssitzung von PSA am Mittwoch könnten bereits die Weichen gestellt werden, berichtete die Nachrichtenagentur Reuters unter Berufung auf Insider. Gelingt die Fusion, würden etliche Automarken unter ein Dach kommen, die eine lange eigenständige Geschichte haben: Der französische Autokonzern PSA führt die Traditionsmarken Peugeot und Citroen und hat 2017 Opel und Vauxhall vom US-Autokonzern GM übernommen.

Fiat hat Chrysler 2014 übernommen und hat etwa die Marken Alfa Romeo, Chrysler, Dodge, Jeep, Lancia und Maserati unter seinem Dach. Die erste Welle der großen „Fusionitis“ auf dem Automarkt setzte spätestens mit der Wirtschaftskrise ab 2017 ein. Und nun steht die Branche vor neuen Herausforderungen: Autohersteller stehen unter einem riesigen Druck, denn sie müssen in autonome Autos und Elektromobilität investieren. Die Zeit der vergleichsweise kleinen eigenständigen Hersteller scheint vorbei.

Viertgrößter Autokonzern nach Fusion

Das „Wall Street Journal“ hatte am Dienstag berichtet, Fiat Chrysler und PSA wären an der Börse rund 50 Mrd. Dollar (45 Mrd. Euro) wert. Peugeot-Chef Carlos Tavares soll den Konzern nach Angaben des Blattes als Vorstandsvorsitzender führen, der FCA-Verwaltungsratsvorsitzende John Elkann – Enkel des langjährigen Fiat-Bosses Giovanni Agnelli – würde dieselbe Rolle bei dem neuen Unternehmen einnehmen.

Fiat Chrysler und PSA-Konzern erwägen Fusion

Der französische Konzern PSA mit den Marken Peugeot und Citroen plant eine Megafusion mit dem US-italienischen Autokonzern Fiat Chrysler.

PSA verkaufte im vergangenen Jahr 3,9 Millionen Fahrzeuge und machte einen Umsatz von rund 74 Mrd. Euro. Fiat Chrysler verkaufte 4,8 Millionen Fahrzeuge und erzielte einen Umsatz von 110 Mrd. Euro. Gemeinsam würden sie – gemessen an der Zahl der 2018 verkauften Fahrzeuge – den viertgrößten Autokonzern der Welt bilden, nach Volkswagen, der Allianz von Renault, Nissan und Mitsubishi sowie Toyota.

Fahrzeugverkäufe 2018 in Millionen nach Konzernen – Balkengrafik,
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: CAR/GAD/JATO

PSA-Chef als harter Sanierer bekannt

PSA-Chef Tavares gilt in der Branche als ein harter Sanierer. So wird Opel von den Franzosen auf Effizienz getrimmt und arbeitet wieder profitabel, beschäftigt aber deutlich weniger Mitarbeiter. „Sowohl FCA als auch PSA brauchen eine Allianz“, sagte der Chef der italienischen Gewerkschaft Fim-Cisl, Marco Bentivogli, der Nachrichtenagentur AGI. „Es ist nicht das erste Mal, dass Elkann und Tavares miteinander reden.“

PSA-Chef Carlos Tavares
Reuters/Christian Hartmann
Der Portugiese Carlos Tavares ist seit 2014 PSA-Chef. Zuvor arbeitete er bei Nissan in den USA und bei Renault.

An den Börsen wurden die Fusionspläne begeistert aufgenommen: In Paris und Mailand legten die Kurse von PSA und Fiat Chrysler zeitweise um jeweils mehr als acht Prozent zu. Der Kurs von Renault gab dagegen um gut vier Prozent nach.

Deal mit Renault gescheitert

Fiat Chrysler wollte sich bereits zuvor mit dem französischen Hersteller Renault verbinden und den weltweit drittgrößten Autohersteller formieren. Die Gespräche scheiterten jedoch. Nach monatelangen Verhandlungen zog Fiat Chrysler im Juni sein Offert für einen Zusammenschluss überraschend zurück.

Die Schuld für das Scheitern schoben sich Renault und FCA dann gegenseitig zu. Fiat Chrysler erklärte, der französische Autobauer habe die Entscheidung über förmliche Fusionsgespräche verzögert – Hersteller Renault, an dem der Staat 15 Prozent der Anteile hält, sagte, der italienisch-amerikanische Konzern habe Druck gemacht und zudem nicht auf die ausdrückliche Zustimmung des japanischen Partners Nissan warten wollen.

Italienische Sorgen um Haltung Frankreichs

Der 1899 gegründete Autohersteller Fiat – eines der wichtigsten Unternehmen der italienischen Wirtschaftsgeschichte – war 2014 in der Fiat Chrysler Automobiles (FCA) aufgegangen. Die italienische Zeitung „La Repubblica“ warnte am Mittwoch, dass die französische Regierung, wie schon bei der gescheiterten Fusion mit Renault, das Projekt gefährden könnte. „In Frankreich ist die Regierung dieselbe geblieben, und sie ist Aktionärin bei Peugeot, wie sie es bei Renault war. Was hat sich geändert?“, fragte das Blatt. Möglicherweise sei die Regierung in Paris dieses Mal zurückhaltender in ihren Anforderungen.

Bei Fiat – beherrscht von der Agnelli-Familie – dürfte auch die amerikanische Regierung ein Auge darauf haben, wer über den US-Hersteller Chrysler zu bestimmen hat – weil China als Großaktionär bei PSA im Spiel ist.

Nur Vorteile?

Nach Ansicht des deutschen Autoexperten Stefan Bratzel bietet eine Fusion zwischen PSA und Fiat Chrysler viele Chancen. Die Franzosen könnten so auf dem US-Markt Fuß fassen, sagte der Leiter des Center of Automotive Management in Bergisch Gladbach am Mittwoch. Mit Marken wie Peugeot, Citroen, DS und Opel ist PSA bisher nicht in Nordamerika vertreten, FCA hat dagegen eine starke Marktposition mit Chrysler, Dodge und Jeep.

Logos von Lancia, Fiat, Abarth Jeep and Alfa Romeo (Chrysler)
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Fiat und Co.: Alle unter einem Dach

Auch auf dem europäischen Markt würde der PSA-Marktanteil mit Fiat weiter wachsen, erklärte Bratzel. Weitere Effekte im Einkauf seien zu erwarten, wenn künftig auch Fiat-Autos auf Plattformen des PSA-Konzerns stünden. Ähnlich wie nach der Übernahme der früheren General-Motors-Tochter Opel wäre bei Fiat eine harte Sanierung zu erwarten. „PSA-Chef Carlos Tavares macht das, was notwendig ist. Er ist sich auch nicht zu fein, die Brechstange auszupacken“, sagte Bratzel.

Ende für „Zombiemarken“?

Das sei allerdings nur möglich, wenn der Pariser Konzern die Führung im neuen Unternehmen übernehmen könnte. „Eine Fusion unter Gleichen würde nicht funktionieren“, erklärte der Wissenschaftler. Gemeinsame Plattformen, Werkschließungen oder das mögliche Ende von „Zombiemarken“ wie Lancia seien sonst nicht durchsetzbar. Die Logik der weltweiten Automobilindustrie laufe auf immer größere Einheiten hinaus, um die anstehenden Investitionen in Elektromobilität, autonomes Fahren oder Konnektivität bewältigen zu können.

Die italienische Metallarbeitergewerkschaft UILM betonte, eine Fusion müsse ihrer Ansicht nach ein Zusammenschluss unter Gleichen sein. Dabei dürften keine Stellen gestrichen werden, forderte Gewerkschaftschef Rocco Palombella am Mittwoch. Der italienische Industrieminister Stefano Patuanelli erklärte, die Regierung beobachte die Entwicklung. Ein möglicher Zusammenschluss sei eine marktwirtschaftliche Operation.