Twitter-Logo auf einer Hausmauer
AP/Jeff Chiu
Debatte vor US-Wahl

Twitter verbietet politische Werbung

In der hitzigen Debatte über politische Werbung vor der nächsten US-Präsidentenwahl wagt der Kurznachrichtendienst Twitter einen radikalen Schritt – der Dienst wird weltweit bald keine politischen Werbeanzeigen mehr verbreiten. „Wir glauben, dass Reichweite für politische Botschaften verdient werden muss, statt erkauft zu werden“, schrieb Twitter-Chef Jack Dorsey am Mittwoch auf Twitter. Mit dem Vorstoß wird unterdessen auch der Druck auf Facebook erhöht.

„Während Onlinewerbung unfassbar mächtig und sehr effektiv für Werbeunternehmen sein mag, bringt diese Macht signifikante Risiken in die Politik“, so Dorsey weiter. In Kraft treten soll das Verbot ab dem 22. November, genauere Details sollen in der Woche davor bekanntgegeben werden. Werbung bei Twitter sind zum Beispiel Tweets, die gegen Bezahlung im Nachrichtenstrom von Nutzern platziert werden können – auch wenn sie dem Account nicht folgen.

Nach Dorseys Angaben zieht das Unternehmen damit die Konsequenz aus den „erheblichen Risiken“ für den Meinungsbildungsprozess in Demokratien, welche bezahlte Anzeigen für politische Zwecke in den Onlinenetzwerken mit sich brächten. Dorsey verwies unter anderem auf die Verbreitung „ungeprüfter irreführender Information“ und von „Deep Fakes“, also die Verfälschung von Videoinhalten.

Indirekte Kritik an Facebook

Dorsey kritisierte indirekt die Facebook-Position. Twitter würde sich unglaubwürdig machen, wenn die Firma einerseits sagen würde, man unternehme alles, um die Verbreitung irreführender Informationen einzudämmen, aber zugleich solche gegen Bezahlung verbreiten ließe. Die Debatte über politische Werbung kommt in den USA wegen der nahenden Präsidentenwahl 2020 immer mehr in Gang.

In den vergangenen Wochen war vor allem Facebook immer mehr in die Kritik geraten wegen der Entscheidung, Anzeigen mit politischen Inhalten grundsätzlich nicht von den Faktencheckpartnern des Onlinenetzwerks prüfen zu lassen. Außerdem beschloss das Onlinenetzwerk, nichts zu unternehmen, wenn Politiker falsche oder irreführende Informationen verbreiten.

Zuckerberg verteidigt Position

Facebook-Chef Mark Zuckerberg hielt vorerst an der Möglichkeit fest, politische Werbung zu schalten. Das bekräftigte er am Mittwoch noch einmal in der Telefonkonferenz nach Vorlage der jüngsten Quartalszahlen, ohne direkt auf den Vorstoß von Twitter einzugehen. Zugleich sagte er am Mittwoch, Anzeigen von Politikern dürften im kommenden Jahr nur 0,5 Prozent der Facebook-Erlöse ausmachen. Von einem Verbot politischer Werbung wären aber zum Beispiel auch Anzeigen zu Themen wie Klimaschutz und Feminismus betroffen, gab er zu bedenken.

Vor Studierenden der Georgetown University in den USA begründete er die Entscheidung vor einigen Tagen damit, dass ein Verbot amtierende Politiker und „Medienlieblinge“ bevorzugen würde. „Ich denke nicht, dass die meisten Menschen in einer Welt leben wollen, in der man nur Dinge veröffentlichen kann, von denen Tech-Unternehmen glauben, dass sie zu 100 Prozent stimmen“, sagte Zuckerberg. „Wir denken, dass die Leute die Möglichkeit bekommen müssen, zu sehen, was Politiker sagen.“

Biden-Spot als Zündstoff

Bei der Präsidentenwahl 2016 waren aus Russland in großem Stil als Werbung Beiträge verbreitet worden, die die Spannungen in der US-Gesellschaft verstärken sollten und zum Teil auch direkt dem heutigen Präsidenten Donald Trump zugute kamen.

Die jüngste Debatte wurde unter anderem von einer Werbeanzeige des Trump-Lagers mit irreführenden Informationen über den demokratischen Präsidentschaftsanwärter Joe Biden befeuert. Der Sender CNN weigerte sich, sie zu senden – Facebook hingegen nicht. Zuckerberg betonte, Onlinenetzwerke sollten nicht darüber entscheiden, was falsch oder korrekt sei.

Dorsey räumte ein, dass Kritiker Twitter vorwerfen könnten, der Werbestopp bevorteile Amtsinhaber. „Aber wir sind Zeugen geworden, wie viele politische Bewegungen ein massives Ausmaß ohne jegliche politische Werbung erreichten.“ Bei Politikeräußerungen, die nicht als Anzeigen verbreitet werden, setzt Twitter unterdessen seine Regeln gegen Beleidigungen und Hassrede aus, wenn die Tweets Nachrichtenwert haben. Dafür war auch der Kurznachrichtendienst in die Kritik geraten.