Wandmalerei in der Facebook-Zentrale
Reuters/Robert Galbraith
Anders als Twitter

Facebook hält an politischer Werbung fest

Facebook will trotz scharfer Kritik nicht auf politische Werbung verzichten. Anders als der Konkurrent Twitter, der politische Werbung bald verbieten will, hält das weltgrößte Onlinenetzwerk daran fest, auch bezahlte Beiträge politischer Akteure zu verbreiten.

Facebook-Chef Mark Zuckerberg verteidigte die Entscheidung anlässlich der Quartalsbilanz am Mittwoch (Ortszeit) damit, dass sein Unternehmen politische Äußerungen nicht unterdrücken wolle. „In einer Demokratie halte ich es nicht für richtig, dass Privatunternehmen Politiker oder Nachrichten zensieren“, sagte Zuckerberg. Der Umsatzanteil politischer Werbung werde allerdings auch im US-Präsidentschaftswahljahr 2020 voraussichtlich bei weniger als 0,5 Prozent liegen.

Twitter hatte am Mittwoch angekündigt, weltweit keine politischen Inhalte mehr als Werbung zu verbreiten. Ab dem 22. November werden bezahlte Anzeigen für politische Themen nicht mehr erlaubt, kündigte Twitter-Chef Jack Dorsey an. „Wir glauben, dass man sich die Reichweite für politische Botschaften verdienen und nicht erkaufen sollte.“ Genaue Details sollen zum Verbot sollen in der Woche davor bekanntgegeben werden.

Hitzige Debatte in den USA

Dorseys Ankündigung kommt mitten in der hitzigen Debatte über Politwerbung vor der US-Präsidentschaftswahl im November 2020. „Während Onlinewerbung unfassbar mächtig und sehr effektiv für Werbeunternehmen sein mag, bringt diese Macht signifikante Risiken in die Politik“, so Dorsey. Werbung bei Twitter sind zum Beispiel Tweets, die gegen Bezahlung im Nachrichtenstrom von Nutzern platziert werden können – auch wenn diese dem Account nicht folgen.

Nach Dorseys Angaben zieht das Unternehmen damit die Konsequenz aus den „erheblichen Risiken“ für den Meinungsbildungsprozess in Demokratien, welche bezahlte Anzeigen für politische Zwecke in den Onlinenetzwerken mit sich brächten. Dorsey verwies unter anderem auf die Verbreitung „ungeprüfter irreführender Information“ und von „Deep Fakes“, also die Verfälschung von Videoinhalten.

Indirekte Kritik an Facebook

Dorsey kritisierte indirekt die Facebook-Position. Twitter würde sich unglaubwürdig machen, wenn die Firma einerseits sagen würde, man unternehme alles, um die Verbreitung irreführender Informationen einzudämmen, aber zugleich solche gegen Bezahlung verbreiten ließe.

In den vergangenen Wochen war vor allem Facebook zunehmend in die Kritik geraten wegen der Entscheidung, Anzeigen mit politischen Inhalten grundsätzlich nicht von den Faktencheckpartnern des Onlinenetzwerks prüfen zu lassen. Außerdem beschloss das Onlinenetzwerk, nichts zu unternehmen, wenn Politiker falsche oder irreführende Informationen verbreiten.

Biden-Spot als Zündstoff

Bei der Präsidentschaftswahl 2016 waren aus Russland in großem Stil Beiträge als Werbung verbreitet worden, die die Spannungen in der US-Gesellschaft verstärken sollten und zum Teil auch direkt dem heutigen Präsidenten Donald Trump zugutekamen.

Die jüngste Debatte wurde unter anderem von einer Werbeanzeige des Trump-Lagers mit irreführenden Informationen über den demokratischen Präsidentschaftsanwärter Joe Biden befeuert. Der Sender CNN weigerte sich, sie zu senden – Facebook hingegen nicht. Zuckerberg betonte, Onlinenetzwerke sollten nicht darüber entscheiden, was falsch oder korrekt sei.

Facebook-Chef Mark Zuckerberg vor einer Anhörung im US-Senat
AP/J. Scott Applewhite
Zuckerbergs Facebook-Konzern steht wegen des Umgangs mit politischer Werbung in der Kritik

Dorsey räumte ein, dass Kritiker Twitter vorwerfen könnten, der Werbestopp bevorteile Amtsinhaber. „Aber wir sind Zeugen geworden, wie viele politische Bewegungen ein massives Ausmaß ohne jegliche politische Werbung erreichten.“ Bei Politikeräußerungen, die nicht als Anzeigen verbreitet werden, setzt Twitter unterdessen seine Regeln gegen Beleidigungen und Hassrede aus, wenn die Tweets Nachrichtenwert haben. Dafür war auch der Kurznachrichtendienst in die Kritik geraten.

Lob und Kritik

Der Wahlkampfmanager von US-Präsident Trump, Brad Parscale, sprach von einer „dummen Entscheidung“ für die Twitter-Aktionäre, weil das Unternehmen sich somit von „Hunderten Millionen Dollar an potenziellen Einnahmen“ verabschiede. Er stellte außerdem die Frage, ob Twitter künftig auch „Anzeigen von parteiischen, liberalen Medien“ stoppe, die darauf abzielten, die Republikaner von Trump „anzugreifen“. Die Abgeordnete Alexandria Ocasio-Cortez, ein aufsteigender Politstar der Demokraten, lobte die „ethische Entscheidung“.

US-Demokratin Alexandria Ocasio-Cortez
Reuters/Erin Scott
Demokratin Ocasio-Cortez lobte Twitters „ethische Entscheidung“

Beim als Trump-Kritiker bekannten US-amerikanischen Journalistikprofessor Jeff Jarvis stieß das Vorhaben von Twitter auf Skepsis. „Wenn wir preiswerte und effizient ausgerichtete politische Werbung unterbinden, dann bleiben uns Kampagnen des großen Geldes im Fernsehen – genau das, was wir seit Jahrzehnten hinter uns lassen wollen. Wir bleiben auch bei den etablierten Machthabern, die mit großem Geld und mit Unterstützung der großen Parteien arbeiten und Macht haben.“

Social-Media-Firmen zunehmend unter Druck

Social-Media-Unternehmen stehen weltweit zunehmend unter Druck, keine Werbung mehr zu verbreiten, die falsche Informationen zum Inhalt haben und damit Einfluss auf den Ausgang von Wahlen haben könnte. Der Facebook-Konzern, zu dem auch die Dienste WhatsApp und Instagram gehören, steht unter besonderer Beobachtung wegen Datenskandalen, Hasskommentaren und Falschinformationen von Nutzern.

Das Facebook-Management hat bereits angekündigt, dass neue Maßnahmen zum Schutz der Privatsphäre das Umsatzwachstum bremsen würden. Im abgelaufenen Vierteljahr war davon nichts zu spüren. Dank starker Werbeeinnahmen übertraf Facebook sogar die Markterwartungen. Der Nettogewinn stieg um mehr als 18 Prozent auf 6,09 Milliarden Dollar. Der Umsatz legte um knapp 29 Prozent zu auf 17,65 Milliarden Dollar.

Facebook ist mit monatlich rund 2,45 Milliarden Nutzern viel größer als Twitter. Der Kurznachrichtendienst kam nach letzten vergleichbaren Zahlen auf rund 330 Millionen aktive Nutzer. Inzwischen gibt Twitter nur noch bekannt, wie viele Nutzer die Firma mit ihrer Werbung erreichen kann – zuletzt waren das 145 Millionen. Laut Ned Segal aus dem Finanzvorstand von Twitter hat der Schritt, politische Werbung künftig nicht mehr zu erlauben, für das Unternehmen nur geringe finanzielle Auswirkungen. „Die Entscheidung basiert auf Prinzipien, nicht auf Geld“, sagte Segal.