Nationalratsabgeordneter Wolfgang Zanger
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FPÖ Steiermark

Neue Liederbuch-Affäre nach altem Schema

Ein neuer Skandal um ein Liederbuch mit antisemitischen, NS-verherrlichenden Texten hat am Mittwochabend die steirische FPÖ erschüttert – nur drei Wochen vor der Landtagswahl. Die Causa erinnert stark an die niederösterreichische Liederbuch-Affäre 2018. Auch dort wurde damals kurze Zeit nach Bekanntwerden gewählt. Die Empörung ist groß, die Bundes-FPÖ steht einmal mehr unter Druck. Und in katholischen Studentenliederbüchern soll sich das Lied ebenso befinden, wie unterdessen bekanntwurde.

Wie in der niederösterreichischen Causa steht in der neuen Liederbuch-Affäre ein FPÖ-Politiker im Zentrum. Wie damals befindet sich die Partei auch dieses Mal nur kurz vor der Landtagswahl. Doch anders als der damalige FPÖ-Spitzenkandidat Udo Landbauer bestreitet der FPÖ-Nationalratsabgeordnete Wolfgang Zanger nicht, die Texte zu kennen.

Zanger ist Mitglied der Verbindung Pennales Corps Austria zu Knittelfeld. Wie die „Kronen Zeitung“ (Onlineausgabe) berichtete, ist in einem Liederbuch der Verbindung Pennales Corps Austria zu Knittelfeld ein Text enthalten, der unter anderem eine „Heil Hitler“-Passage enthält. Zanger erklärte gegenüber der „Kronen Zeitung“, das Liederbuch in seinem Besitz gefunden zu haben, am Sitz der Burschenschaft läge es aber nicht mehr auf.

Ringen um Distanzierung

Zanger und die steirische FPÖ rangen daraufhin um Distanzierung. Während der Abgeordnete zunächst via Facebook mitteilte, sich deswegen „niemals“ zu schämen, schickte die FPÖ am Donnerstag eine Aussendung: Zanger lehne „jede Form des Rassismus, Nationalsozialismus und Antisemitismus entschieden ab“, hieß es darin.

In der „Kleinen Zeitung“ (Donnerstag-Ausgabe) sagte der Abgeordnete, er habe das Liederbuch 2005 von einem älteren Mitglied seiner Verbindung geschenkt bekommen. „Seither liegt es bei mir daheim, verstaubt, ungelesen und nicht gebraucht“, so Zanger. Er werde sich davon nicht distanzieren, weil er es nicht geschrieben habe. Weggeben wolle er das Buch aber auch nicht, „weil mir die Person, die es mir damals gegeben hat, etwas wert ist“.

Schützenhöfer schließt Koalition nicht aus

Während die niederösterreichische Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner im Vorjahr kurz nach Bekanntwerden der Liederbuch-Affäre ausschloss, mit Landbauer – der sich zwischenzeitlich aus der Politik zurückzog – zusammenarbeiten zu wollen, gibt sich die steirische ÖVP vorerst noch gelassener. Der steirische ÖVP-Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer betonte, dass der steirische FPÖ-Chef Mario Kunasek nun „handeln“ müsse. Als Koalitionspartner schloss er die FPÖ allerdings nicht aus: „Es wäre hochmütig zu sagen, der oder der kommt nicht infrage. Wir werden sehen.“

Neue Vorwürfe

Die FPÖ wird kurz vor der Wahl in der Steiermark erneut von einer Liederbuch-Affäre eingeholt.

Landbauer war im Zusammenhang mit der NS-Liederbuch-Affäre bei der Burschenschaft Germania vier Tage nach der Landtagswahl zurückgetreten. Landbauer, der vorübergehend stellvertretender Obmann der Burschenschaft war, wurde in dem Ermittlungsverfahren als Zeuge geführt und kehrte nach Einstellung der Ermittlungen wieder in die Politik zurück. Ein Auflösungsverfahren gegen die Germania wurde von der St. Pöltner Vereinsbehörde heuer eingestellt.

„Hitler-Passage“ auch in alten CV-Büchern

Medienberichten zufolge wurde das Lied „Es lagen die alten Germanen“ in der aktuellen Affäre nun auch im Österreichischen Kommersbuch des Österreichischen Cartellverbands (ÖCV) und im 1999 aufgelegten „Österreichischen Studenten-Liederbuch Gaudeamus“ gefunden. Pikant ist die Angelegenheit deshalb, weil der steirische ÖVP-Landeshauptmann Schützenhöfer seit 2007 Ehrenmitglied der katholischen Schülerverbindung K.Ö.St.V. Markomannia-Eppenstein Graz und seit 2010 der K.Ö.M.L. Normannia-Graz ist, die beide im Mittelschüler-Kartell-Verband (MKV) sind. Das berichtete Oe24.at am Donnerstag.

Das Kommersbuch ist laut Impressum „herausgegeben im Auftrag des Mittelschüler-Kartell-Verbandes der katholischen farbentragenden Studentenkorporationen Österreichs“ (MKV), berichtete die „Kleine Zeitung“. Die "Heil Hitler-"Passage ist in der Ausgabe von 1983 auf Seite 346 abgedruckt.

Schützenhöfers Sprecher verwies Donnerstagnachmittag auf APA-Nachfrage an Christian Krainer. Er ist Vorsitzender des Altherrenlandesbundes Steiermark des ÖCV und bestätigte, dass dieses Lied in früheren Auflagen des Kommersbuches zu finden war – von dem Inhalt distanziert er sich. Kunasek richtete in einer Aussendung aus, dass er sich von Schützenhöfer „ebenfalls klare Worte und konkrete Taten“ erwarte, „um Schaden vom Land Steiermark abzuwenden“.

Vilimsky ortet „Schmutzkübelkampagne“

Die Bundes-FPÖ sieht in der Affäre hingegen eine „durchsichtige Schmutzkübel-Kampagne“. „Quasi wie bestellt erfolgte nach der letzten Niederösterreich-Wahl nun auch in der Steiermark mit einer mehr als nebulosen Liederbuch-Geschichte eine Schmutzkübel-Inszenierung gegen die FPÖ knapp vor der Wahl“, sagte Generalsekretär Harald Vilimsky.

„Dieses Manöver ist mehr als durchsichtig, plump und nur darauf ausgerichtet, der FPÖ einen politischen Schaden zuzufügen“, erklärte Vilimsky in einer Reaktion. Darin teilte er auch mit, dass die FPÖ die in Medien zitierten Passagen des Liederbuchs verurteile und deren Inhalte kategorisch ablehne.

FPÖ will sich nicht distanzieren

Tatsächlich distanzieren wollte man sich davon allerdings nicht. „Eine Distanzierung einzumahnen ist eine falsche Begrifflichkeit, denn nur wer eine Nähe zu etwas hat, kann auch auf Distanz gehen“, sagte Vilimsky. „Ablehnung von Antisemitismus und Verurteilung der NS-Ideologie ist heute schließlich allerbreitester politischer Konsens in Österreich. Dies infrage zu stellen und mit diesem sensiblen Themen Wahlkampf zu betreiben, ist mehr als schäbig“, ließ Vilimsky mitteilen.

Der Sprecher der steirischen Korporationen betonte in einem Statement, die Lieder seien „in einem historischen Zusammenhang zu sehen“. „Sie wurden als Persiflage auf die Deutschtümelei geschrieben und sind längst abgelegter Teil der studentischen Geschichte“, so Korporationssprecher Wolfgang Auf in einer Stellungnahme gegenüber der APA.

Kurz: „Extrem widerlich“

Kritisch gab sich der ehemalige Koalitionspartner auf Bundesebene. Vor Beginn der Sondierungen mit den Grünen bezeichnete ÖVP-Obmann Sebastian Kurz die Liedtexte als „extrem widerlich“. Sie seien „zutiefst antisemitisch“ und enthielten zudem eine Verächtlichmachung der Bundeshymne und damit Österreichs. Als Mensch und Patriot lehne er das ab.

ÖVP-Generalsekretär Karl Nehammer forderte FPÖ-Obmann Norbert Hofer auf, von seinem Durchgriffsrecht Gebrauch zu machen und in seiner Partei „endlich aufzuräumen“. „Antisemitismus, egal in welcher Form, hat in Österreich absolut keinen Platz. Im FPÖ-Umfeld sind bereits zum wiederholten Mal antisemitische Liedtexte aufgetaucht, hier kann der Parteichef nicht mehr tatenlos zusehen“, teilte Nehammer mit.

Ruf nach Rücktritt Zangers

SPÖ, Grüne und NEOS forderten dagegen Zangers Rücktritt. Für SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner hat die FPÖ „mit ihrem Liederbuch-Skandal wieder bewiesen, dass sie nicht regierungstauglich ist“. Die Grünen nahmen die Affäre zum Anlass, die Distanzierung der FPÖ von rechtsextremem Gedankengut erneut als „wenig glaubhaft“ zu bezeichnen. „Die Österreicherinnen und Österreicher haben die täglichen ,Einzelfall’-Grauslichkeiten genauso satt wie die darauffolgenden halbherzigen Distanzierungen und scheinheiligen Ausflüchte der Freiheitlichen“, sagte der stellvertretende NEOS-Klubobmann Niki Scherak.