Blick auf den Kreml in Moskau
Reuters/Sergei Karpukhin
Russland

Gesetz für „Staatsinternet“ in Kraft

In Russland ist am Freitag das umstrittene Gesetz für ein eigenständiges Internet in Kraft getreten. Der Datenverkehr soll künftig über Knotenpunkte im Land laufen. Der Kreml argumentiert mit Autonomie und nationaler Sicherheit. Da das Netz künftig aber weitgehend unter staatlicher Kontrolle steht, fürchten Kritiker Zensur und Überwachung.

Präsident Wladimir Putin hatte das Gesetz bereits im Mai unterzeichnet. Die russische Regierung erklärte, man wolle sich mit einer eigenen Infrastruktur für ein souveränes Netz gegen mögliche Cyberangriffe aus dem Ausland schützen. Bedenken wies sie zurück. Der Sprecher des Kreml, Dmitri Peskow, versicherte, es sei nicht geplant, Russland vom globalen Netz abzukoppeln.

Es bestehe viel eher die Gefahr, dass der Westen Russland vom Internet abklemme. Deshalb brauche das Land eine eigene, unabhängige digitale Infrastruktur für ein autonomes Internet. Putin verteidigte das Projekt als notwendig für die nationale Sicherheit. Geschaffen werde lediglich eine Reservestruktur für mehr Sicherheit, sagte der Leiter des Ausschusses für Informationspolitik im russischen Parlament, der Staatsduma, Leonid Lewin.

Warnungen vor Zensur und Überwachung

Das „Runet“ bleibe Teil des weltweiten Netzes, so Lewin. Es gehe um einen sicheren Netzzugang für russische Nutzer unabhängig von der Arbeitsweise ausländischer Anbieter. Außerdem solle das autonome Netz auch nur im Fall von Gefahr von außen genutzt werden – sowie übungsweise. Die Infrastruktur muss allerdings erst aufgebaut werden, zahlreiche technische Fragen seien noch ungelöst, heißt es. Die Aufsichtsbehörde Roskomnadsor soll jedenfalls laut Medienberichten vom Freitag den Datenverkehr steuern und überwachen können.

Kritiker sehen das Gesetz als Vorwand für eine Ausweitung der politischen Kontrolle in Russland. Die Organisation Reporter ohne Grenzen (ROG) beklagte, dass damit die Internetzensur im Land auf eine neue Stufe gehoben werde. ROG sieht darin einen Verstoß gegen Menschenrechte wie Meinungsfreiheit und ungehinderten Zugang zu Informationen. Schon jetzt sind in Russland viele Websites der Opposition, die vom Ausland aus frei zugänglich sind, blockiert.

Staat hat „erstmals die volle technische Kontrolle“

Viele Russen befürchten, dass ihr Land digital isoliert und die Überwachung durch Geheimdienste verstärkt wird. Von der Initiative Roskomswoboda (Für die Freiheit des Netzes) hieß es, mit dem Gesetz übernehme „der Staat erstmals die volle technische Kontrolle über das Internet“. Es sieht auch eine umfangreiche Vorratsdatenspeicherung vor.

Bisher hätten Provider unter freien Marktbedingungen arbeiten können, sagte der Internetexperte Alexander Isawnin von Roskomswoboda. Nun übe der russische Staat direkten Einfluss aus. Isawnin sieht auch wirtschaftliche Interessen hinter dem Gesetz. Ziel sei es, die Zahl der rund 5.000 Anbieter auf dem bisher freien Markt durch direkte staatliche Einmischung zu reduzieren.

Der bisher freie Markt werde damit zerstört, so Isawnin. „Mit dem Gesetz hat der Staat das Instrument, sich direkt einzumischen.“ Nach allen bisherigen Erfahrungen sei „jetzt das Schlimmste zu erwarten“. Isawnin befürchtet, dass bei einer zunehmenden Monopolisierung das Internet künftig langsamer und teurer werden könnte. Insgesamt sei aber auch fraglich, ob das technisch alles überhaupt funktionieren könne.