Demonstranten schwenken irakische Flaggen
Reuters/Alaa Al-Marjani
Irak

Massen gegen die Regierung

Die Proteste in der irakischen Hauptstadt reißen nicht ab. Hunderttausende Menschen sind am Freitag auf die Straßen Bagdads gegangen, um gegen die irakische Regierung zu protestieren. Es soll die größte Kundgebung seit dem Sturz des langjährigen Machthabers Saddam Hussein gewesen sein. Und: Nun mischen sich auch die USA ein.

Die meisten Menschen versammelten sich am Freitag in Bagdad auf dem zentralen Tahrir-Platz. Die Polizei setzte Tränengas und Gummigeschoße gegen die Demonstranten und Demonstrantinnen ein. Eine Frau kam ums Leben, nachdem sie von einem Tränengaskanister am Kopf getroffen worden war. Mindestens 155 Menschen wurden verletzt, teilte die Menschenrechtsorganisationen Amnesty International (AI) mit.

Die Demonstranten und Demonstrantinnen beklagen die hohe Arbeitslosigkeit, Misswirtschaft und Korruption im Land. Sie fordern eine Ablösung der politischen Führungskräfte, die seit 2003 den Ton angeben, aus Sicht vieler Iraker und Irakerinnen aber lediglich Marionetten entweder der USA oder des Iran sind. Für Unmut sorgt vor allem, dass viele Menschen in Armut leben, kaum Zugang zu sauberem Trinkwasser, Elektrizität, Bildung oder medizinischer Versorgung haben, obwohl der OPEC-Staat über riesigen Ölreichtum verfügt.

Bereits 250 Menschen getötet

Die Demonstration am Freitag war die größte Kundgebung in dem Golfstaat seit dem Sturz von Hussein 2003. Bereits in der Nacht hatten Tausende Menschen im Zentrum der Hauptstadt ausgeharrt, Zehntausende weitere schlossen sich ihnen am Vormittag und nach den traditionellen Freitagsgebeten an.

Tausende Demonstranten in Bagdad
AP/Khalid Mohammed
Hunderttausende Menschen versammelten sich Freitagabend in Bagdad

Die Proteste in Bagdad begannen schon im Oktober. Während die Kundgebungen tagsüber meist friedlich verliefen und auch Familien und ältere Menschen auf die Straßen gingen, schlugen die Proteste nach Einbruch der Dunkelheit oft in Gewalt um. In der Nacht zum Freitag wurden bei Zusammenstößen mit den Sicherheitskräften fünf Menschen getötet. Insgesamt wurden bisher 250 Menschen getötet.

AI kritisierte das Vorgehen der Sicherheitskräfte scharf. So seien die eingesetzten Tränengaskanister deutlich schwerer als übliche Tränengasgranaten. Sie führten zu schwersten Verletzungen oder zum Tod, wenn sie direkt auf Demonstranten und Demonstrantinnen gefeuert würden.

USA rufen zu Gewaltlosigkeit auf

US-Außenminister Mike Pompeo rief die irakische Regierung dazu auf, auf die Forderungen der Demonstranten und Demonstrantinnen einzugehen. Bagdad solle „den legitimen Forderungen der Iraker Gehör schenken“, erklärte Pompeo. Der Untersuchung der irakischen Regierung zur Gewalt bei den Protesten mangle es an „ausreichender Glaubwürdigkeit“, erklärte der US-Außenminister. Die Iraker hätten ein Recht auf „echte Rechenschaft und Gerechtigkeit“.

Massenproteste im Irak gehen weiter

Die Massenproteste im Irak nehmen kein Ende. Auch am Freitag haben in der Hauptstadt Bagdad Hunderttausende Menschen demonstriert.

Der Regierung des irakischen Ministerpräsidenten Adel Abdel Mahdi warf Pompeo vor, Vorwürfen der Polizeigewalt nicht in ausreichendem Maße nachzugehen. Mahdi hatte seinen Posten als Chef einer fragilen Koalitionsregierung erst vor einem Jahr nach wochenlangem politischen Ringen angetreten. Ihm wird bereits von mehreren Seiten geraten, zurückzutreten.

Der 78-jährige parteilose Regierungschef hat keine eigene Partei hinter sich und keine feste Basis im Volk. Bisher hat er nicht auf die Aufforderung des Parlaments reagiert, vor den Abgeordneten zu erscheinen. Der populistische Prediger und Politiker Moktada al-Sadr drängte den schiitischen Parteiführer Hadi al-Ameri am Mittwoch, einem Regierungswechsel zuzustimmen, wenn er nicht riskieren wolle, dass „der Irak in Syrien oder den Jemen verwandelt wird“.