Lamborghini car in Covent Garden in central London
Reuters/Luke MacGregor
Feindfigur Corbyn

Unruhe unter Großbritanniens Superreichen

Großbritannien Reichste bereiten sich darauf vor, das Land zu verlassen, sollte Labour-Chef Jeremy Corbyn nach der Parlamentswahl am 12. Dezember Premierminister werden. Weit mehr als den Brexit fürchten sie dessen Pläne zur Besteuerung von Vermögen.

Anwälte und Buchhalter der reichsten Familien Großbritanniens gehen derzeit unter in Anfragen von Millionären und Milliardären, die sich nach Möglichkeiten eines Umzugs oder einer Kapitalverlagerung ins Ausland erkundigen, berichtete am Samstag der „Guardian“. Auskunft wird auch verstärkt über vorzeitige Schenkungen verlangt – schließlich plant Corbyn, alle Erbschaften über 125.000 Pfund (144.500 Euro) zu besteuern.

Geoffrey Todd, ein Partner bei der Anwaltskanzlei Boodle Hatfield, sagte, dass viele seiner Kunden bereits Pläne gemacht hätten, ihr Vermögen innerhalb von Minuten aus dem Land zu transferieren, sollte Labour als stärkste Kraft hervorgehen. „Viele vermögende Privatpersonen fürchten, deutlich höhere Steuern zahlen zu müssen, und haben sich bereits auf die Möglichkeit einer Corbyn-Regierung vorbereitet", sagte er.

Bedrohung durch links

Viele Vermögensverlagerungen seien bereits arrangiert – oft fehle nur noch eine Unterschrift unter dem fertigen Vertrag. „In den frühen Morgenstunden des 13. Dezember werden viele Leute mit ihren Anwälten telefonieren, wenn Labour gewinnt“, prohpezeite Todd. Auch Dominic Samuelson, Geschäftsführer von Campden Wealth, das mehr als 3.500 reiche Familien berät, sagte: „Aus Sicht der größten Nettoverdiener ist eine Labour-Regierung unter Corbyn eine viel größere Bedrohung für ihre Unternehmen und ihren Reichtum als der Brexit.“

Labour-Chef Jeremy Corbyn
Reuters/Henry Nicholls
Corbyn hat kaum Chancen auf einen Wahlsieg – Schrecken bereitet die Vorstellung dennoch vielen

„Elite“ am Pranger

Am Donnerstag nannte Corbyn fünf Mitglieder der „Elite“, denen eine Labour-Regierung zu Leibe rücken würde, um das Land wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Er behauptete etwa, Mike Ashley, der milliardenschwere Eigentümer von Sports Direct und Newcastle United, sei ein „schlechter Chef“, der sein Personal ausbeute. Via „Financial Times“ reagierte Ashley: „Corbyn ist nicht nur ein Lügner, sondern auch ahnungslos.“

Auch den „gierigen Bankier“ Crispin Odey will sich Corbyn vorknöpfen: Der Hedgefonds-Manager hatte im Vorfeld des Brexit-Referendums 220 Millionen Pfund gegen das Pfund gewettet. Odey reagierte gelassen – gegenüber dem „Daily Telegraph“ sagte er: „Labour kann glücklicherweise nicht einmal eine Wahlkampagne führen, geschweige denn das Land.“

Die anderen Superreichen, die von Corbyn angegriffen wurden, sind der Chef des Chemiegiganten Ineos, Jim Ratcliffe, der Großbritannien in Richtung des steuerfreien Monaco verlassen hat, der Medienmogul Rupert Murdoch und der Herzog von Westminster, der über ein Londoner Immobilienimperium verfügt.

„Milliardäre sollten nicht existieren“

Schattenfinanzminister Clive Lewis ging sogar noch weiter als Corbyn und sagte der BBC: "Milliardäre sollten nicht existieren. Es ist ein Hohn, dass es Menschen auf diesem Planeten gibt, die von weniger als einem Dollar pro Tag leben.“ Privatschulen bezeichnete er als „Motoren der Ungleichheit“.

Corbyn hat seine geplanten Maßnahmen noch nicht genau dargelegt, aber 2017 legte sich Labour auf einen Steuersatz von 45 Prozent für diejenigen fest, die mehr als 80.000 Pfund pro Jahr verdienen und einen von 50 Prozent ab der Grenze von 123.000 Pfund. Derzeit beträgt der höchste Steuersatz 45 Prozent und wird erst ab 150.000 Pfund schlagend.

Labour möchte auch die Kapitalertragssteuer deutlich erhöhen und die Erbschaftssteuer durch eine Art Schenkungssteuer mit einem Freibetrag von 125.000 Pfund ersetzen – weniger als die Hälfte der derzeit 325.000. Darüber hinaus ist geplant, den Körperschaftssteuersatz von derzeit 19 auf 26 Prozent zu erhöhen. Auch Corbyns Vision einer Viertageswoche und der Pflichtbeteiligung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern am Aktienstock großer Unternehmen lassen bei der Upper Class die Alarmglocken schrillen.

Britsicher Unternehmer Peter Hargreaves
Reuters/Andrew MacAskill
Milliardär Hargreaves: „Man kann die Steuerlast nur bis zu einem gewissen Grad anheben“

Warnung vor Kapitalflucht

Peter Hargreaves, Mitbegründer des Börsenmaklers Hargreaves Lansdown mit einem geschätzten Vermögen von drei Milliarden Pfund, warnte gegenüber dem „Guardian“ davor, dass Corbyn nur seine eigenen Ziele verfolgen und das Land viel schlechter dastehen lassen würde. „Es hat sich immer wieder gezeigt: Man kann die Steuerlast nur bis zu einem gewissen Grad anheben – darüber hinaus beginnen die Einnahmen zu sinken, weil die Menschen das Land verlassen.“

Hargreaves sagte, er selbst habe „eine riesige Menge an Vermögen für dieses Land geschaffen“, doch wenn „ein Steuersystem hochgezogen wird, das Menschen wie mich nicht willkommen heißt und unterstützt, wird es mit der Wirtschaft schnell bergab gehen“. Er habe letztes Jahr ungefähr 40 Millionen Pfund an Steuern gezahlt – „wenn 50 von uns Großverdienern in ein Flugzeug steigen und das Land verlassen, würde ein Riesenloch im Budget des Premiers entstehen“.