Das Liederbuch mit dem Titel „Liederliche Lieder“
APA/Kronenzeitung/Andreas Schiel
Hofer stützt Zanger

Druck auf FPÖ in Liederbuch-Affäre wächst

Die neuerliche Liederbuch-Affäre, dieses Mal in der Steiermark, beschert der FPÖ kurz vor der Landtagswahl Probleme. Parteichef Norbert Hofer will am Abgeordneten Wolfgang Zanger festhalten, weshalb er selbst mit Rücktrittsaufforderungen konfrontiert ist. Eine Initiative von Künstlerinnen und Künstlern, darunter etwa Elfriede Jelinek und Karl Markovics, veröffentlichte einen Aufruf zur Causa.

Am Sonntag wurde von zahlreichen Kunstschaffenden die Petition unter dem Titel „Gegen Nazi-Liedgut und antisemitische Hetze“ veröffentlicht. Darin forderten die Unterzeichnenden – darunter etwa Elfriede Jelinek, Michael Köhlmeier, Gerhard Roth und Franzobel sowie Filmschaffende wie Karl Markovics, Erni Mangold und Reinhold Bilgeri – die Offenlegung der Inhalte sämtlicher Liederbücher österreichischer Burschenschaften sowie den Rücktritt Wolfgang Zangers.

„Ein Abgeordneter mit diesem Hintergrund ist als parlamentarischer Vertreter der österreichischen Bevölkerung untragbar“, heißt es in dem Aufruf: „Wir fordern alle anderen Parteien dazu auf, die klare Abgrenzung der FPÖ zu allen Burschenschaften und ihren Mitgliedern, die derartiges Gedankengut als Teil ihrer Tradition verstehen und bewahren, zur Grundbedingung für jede weitere Regierungsbeteiligung der FPÖ in Stadt, Land und Bund zu machen.“

FPÖ sieht Muster

FPÖ-Chef Norbert Hofer sieht aber keinen Grund, Zanger aus der Partei zu werfen. Der Inhalt des Liederbuchs sei „vulgärer und gefährlicher Müll“, aber man dürfe „einen Politiker nicht einfach in eine Nazi-Diskussion verwickeln, nur weil er vor 14 Jahren ein Buch geschenkt bekommen hat“, sagte Hofer in der „Kronen Zeitung“ am Sonntag. Auch der steirische FPÖ-Chef Mario Kunasek hielt an Zanger fest. Er ortete einen Versuch, der FPÖ vor der steirischen Landtagswahl am 24. November zu schaden.

Der Abgeordnete Wolfgang Zanger (FPÖ)
APA/Roland Schlager
Wolfgang Zanger wehrt sich gegen die Vorwürfe

„Das Muster ist bekannt: Ein paar Wochen vor der Wahl wird versucht, die FPÖ zu skandalisieren, und es wird alles darangesetzt, Funktionäre, Kandidaten und damit natürlich auch mich in ein schlechtes Licht zu rücken. Jenen, die diese Kampagne gegen uns fahren, ist so gut wie jedes Mittel recht“, schrieb Kunasek auf seiner Facebook-Seite.

Zanger wollte „zeithistorisches Dokument archivieren“

Zanger rechtfertigte sich auf Facebook damit, dass er „die Geschmacklosigkeit“ einiger Textpassagen selbstverständlich entdeckt habe und sich deshalb dazu entschlossen habe, „dieses Buch nicht zu verwenden, sondern es als zeithistorisches Dokument zu archivieren“. „Wegwerfen war für mich keine Option, generell werfe ich keine Bücher in den Abfall. Dieses Buch war zu keiner Zeit in Verwendung, ich habe zu keinem Zeitpunkt daraus rezitiert oder gelesen, geschweige denn besagte Lieder gesungen.“ Er stehe auf dem Boden der Demokratie und habe mit dem Gedankengut totalitärer Systeme nichts am Hut, so Zanger.

Der steirische Nationalratsabgeordnete, Mitglied der Pennales Corps Austria zu Knittelfeld, war kürzlich durch einen der „Kronen Zeitung“ zugespielten Liederbuchtext in Bedrängnis geraten. Das Buch mit dem Titel „Liederliche Lieder“ dürfte als Geschenk der Burschenschaft Cheruskia an die Knittelfelder Burschenschaft weitergegeben worden sein. Ein Exemplar landete auch bei Zanger zu Hause, wie er selbst betonte. Bei der Burschenschaft selbst soll das Liederbuch nicht mehr aufliegen.

Sobotka: Hofer soll durchgreifen

Das Werk enthält Textzeilen wie „Heil Hitler, ihr alten Germanen, ich bin der Tacitus“, eine Abwandlung der Bundeshymne mit den Worten „Land der Nehmer, Land der Geber, Land der Kriecher, Land der Streber“ und Beleidigungen der jüdischen Bankiersfamilie Rothschild.
ÖVP, SPÖ, Grüne und NEOS forderten Zanger zum Rücktritt auf.

Sobotka zur FPÖ

In der steirischen Liederbuch-Affäre sieht Nationalratspräsident Sobotka FPÖ-Parteichef Hofer gefordert. Dessen Rücktritt fordert Sobotka aber nicht.

Auch Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) forderte am Sonntag in der ORF-„Pressestunde“ Konsequenzen. Die Texte seien „indiskutabel“. Zanger müsste hier die Konsequenzen ziehen, auch angesichts seiner „mangelnden Distanz zu den Identitären“. Sobotka nahm auch Hofer in die Pflicht. Dieser sollte sein Durchgriffsrecht geltend machen. „Ich erwarte, dass er von seinem Durchgriffsrecht Gebrauch macht. Es muss einen deutlichen Schnitt geben.“

IKG-Präsident für Rücktritt Hofers

Hofer hatte sich am Parteitag im September ein umfassendes Durchgriffsrecht geben lassen. Dass er nun im Fall von Zanger nicht davon Gebrauch machen will, kritisierte am Sonntag der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Wien (IKG), Oskar Deutsch. Er forderte in der Folge in der „Kronen Zeitung“ Hofers Rücktritt als Dritter Nationalratspräsident.

Hofer habe sich „disqualifiziert und muss umgehend von seinem Amt zurücktreten“. Denn: „Den Worten folgen – wie so oft – keine Taten, es gibt keine Konsequenzen. Damit sind die Nazi-Lieder ein FPÖ-Skandal.“ Zanger selbst sei wegen fehlender Einsicht „untragbar“, Politiker wie der blaue Steirer „schaden der Republik Österreich“, so Deutsch.

Grenze für FPÖ überschritten

Die freiheitlichen Generalsekretäre Harald Vilimsky und Christian Hafenecker wiesen die Rücktrittsaufforderung an Hofer „auf das Schärfste“ zurück. Deutsch spreche hier nicht für die gesamte IKG, sondern als Einzelperson, hieß es in einer Aussendung.

„Die Freiheitliche Partei hat in den letzten Jahren mehr als jede andere Partei in Österreich klargemacht, wie sehr sie die Verbrechen des Holocaust verurteilt und verabscheut und in Richtung der IKG immer wieder die Hand ausgestreckt. Wenn diese von Präsident Deutsch immer wieder zurückgeschlagen wird, zeigt das einmal mehr, dass es ihm nicht darum geht, das Verhältnis zur FPÖ zu normalisieren, sondern sie zu zerstören.“ Mit der Rücktrittsaufforderung gegen Norbert Hofer, „der bisher konsequent eine rote Linie zu unappetitlichen Umtrieben“ gezogen habe, sei eine Grenze überschritten worden. „Als demokratisch legitimierte Partei lassen wir uns von niemandem in ein Eck stellen, in das wir nicht gehören“, so die beiden Generalsekretäre.

Die „Ratschläge Richtung FPÖ“ könne sich Sobotka zudem „getrost sparen“, so Hafenecker in einer zweiten Aussendung am Sonntag. Ansonsten müsse auch ÖVP-Chef Sebastian Kurz bei Schützenhöfer Konsequenzen ziehen, „in dessen MKV-Verbindung sich ebenfalls Liederbücher mit widerlichen Textzeilen befinden“, so Hafenecker. Die Textzeilen des Liedes „Es lagen die alten Germanen“ waren laut Medienberichten auch in Liederbüchern des Mittelschüler-Kartell-Verbands (MKV) gefunden worden. Schützenhöfer ist Ehrenmitglied in zwei Verbindungen, die zum MKV gehören.