Blick auf den Verkehr auf der Südosttangente, A23, in Wien
APA/Georg Hochmuth
„Bankrotterklärung“

Scharfe Kritik an Klimaplan

Wie von der EU gefordert, hat die Übergangsregierung Bierlein den nationalen Klimaplan zur CO2-Reduktion bis 2030 überarbeitet. Doch gibt es darin – auch bewusst – viele Lücken. Dafür gibt es scharfe Kritik von SPÖ, Grünen, NEOS und NGOs, sogar von einer „Bankrotterklärung“ ist die Rede.

Bis Jahresende müssen alle EU-Staaten einen Nationalen Klima- und Energieplan (NKEP) vorlegen, der ausführt, wie sie ihren Anteil an den europäischen Klima- und Energiezielen erreichen wollen. Hintergrund ist, dass sich die Europäische Union im Pariser Klimaabkommen zur spürbaren Senkung von Treibhausgasemissionen (THK) verpflichtet hat. Nach Kritik und Fragen von Brüssel am ersten Entwurf hat die Übergangsregierung den Plan nun überarbeitet und am Montag in die Begutachtung geschickt. Das Papier hat aber noch entscheidende Lücken. Vor allem die konkreten Maßnahmen und die Finanzierung sollen der künftigen Regierung überlassen werden.

Das mag aus Sicht der Übergangsregierung verständlich sein – sie stößt damit aber auf entschiedene Kritik von SPÖ, Grünen, NEOS und den Umweltorganisationen. „Es reicht nicht, an kleinen Schräubchen zu drehen“, kritisierte NEOS-Umweltsprecher Michael Bernhard. Brennende Fragen würden im nun überarbeiteten Klimaplan weiter nicht beantwortet. Etwa wie die Emissionsreduktion erreicht werden kann und wie diese finanziert werden soll.

Der erste stellvertretende SPÖ-Klubvorsitzende Jörg Leichtfried kritisierte den fehlenden Finanzierungsplan und das Fehlen konkreter Maßnahmen, wie man die Klimaschutzziele – das heißt minus 36 Prozent Treibhausgasemissionen bis 2030 – erreichen kann. „Der vorliegende Klimaplan ist offenbar das Erbe von Schwarz-Blau und wiederholt die oberflächliche Kosmetik der Vorgängerregierung. Die SPÖ hingegen fordert unter anderem eine jährliche Klimaschutzmilliarde und einen Klimaschutzrat, der den Klimapfad kontrolliert, außerdem eine flächendeckende Lkw-Maut und das österreichweite Klimaticket“, so Leichtfried.

„Herbe Enttäuschung“

Auch die Grünen übten scharfe Kritik: Der überarbeitete Entwurf sei eine "herbe Enttäuschung und erfüllt weiterhin nicht die Minimalvorgaben der Europäischen Union, so die Vizeklubchefin Leonore Gewessler. Sie erinnerte an die Tausenden jungen Menschen, die in den vergangenen Monaten immer wieder für mehr Klimaschutz demonstriert hätten. Der grüne Abgeordnete Lukas Hammer zeigte sich enttäuscht von der Übergangsregierung.

Auch nach der Überarbeitung fehlten „weiterhin konkrete Maßnahmen und darauf folgende Berechnungen zum Emissionsreduktionspotenzial des Plans“. Auch der Finanzierungsbedarf werde nicht analysiert. All das sei aber Voraussetzung für eine ordentliche Begutachtung. Hammer betont daher, dass bis Jahresende nun alles getan werden müsse, um den Plan deutlich nachzubessern. Und Gewessler und Hammer erinnerten daran, dass im Fall des Verpassens der Ziele Strafzahlungen in Milliardenhöhe drohten.

„Richtig sauer“

Ganz ähnlich fällt die Bewertung der heimischen Umweltschutzorganisationen aus. Global 2000 zeigte sich „richtig sauer“. Nach jahrelangen Diskussionen liege nun „noch immer kein vernünftiger Fahrplan“ vor. Weiter heißt es in der Aussendung: „Was konkrete Maßnahmen angeht, herrscht weiter gähnende Leere.“ Auch Greenpeace monierte, dass konkrete Maßnahmen, Zeitlinien und Finanzierung fehlten. Das komme „einer Bankrotterklärung gleich“, so Greenpeace.

Die Bewegung „Fridays For Future“ kündigte an, „das Klimapolitiktotalversagen auf höchstem Niveau“ nicht hinnehmen zu wollen. „Durch den vorliegenden Plan verfestigt Österreich seine Rolle als Verzögerer und Täuscher in Sachen Klimaschutz“, hieß es in einer Aussendung.

Laut Verkehrsclub Österreich (VCÖ) bringt der Klimaplan im Verkehrsbereich zwar Nachbesserungen, bleibe aber bei den Maßnahmen „zu unkonkret“. Dabei sei das in Österreich der größte Problemsektor, da hier die Emissionen in den vergangenen Jahren gestiegen statt gefallen seien. Der WWF forderte einen „Klima-Kassasturz“. Klimaschädliche Subventionen müssten „rasch abgebaut“ werden.

Für Ministerium ein „Meilenstein“

Im Umweltministerium sieht man dagegen in dem NKEP-Papier einen „Meilenstein“ im „Marathonrennen“ Klimaschutz und Klimaneutralität. Neben dem Umweltministerium sind und waren noch das Verkehrs- und das Finanzministerium an der Arbeit am NEKP beteiligt, auch die Bundesländer wurden konsultiert.

Doch wie etwa die Reduktion der CO2-Emissionen im Ausmaß von 36 Prozent gegenüber 2005 konkret erreicht werden soll – etwa durch eine CO2-Steuer –, das sucht man im NEKP vergeblich. Am Plan werde laufend weiter gearbeitet, wird im Umweltministerium versichert. Wichtige Entscheidungen werden aber bewusst der nächsten Regierung überlassen.

Treibhausgas-Emissionen steigen

Die fünf Ziele, basierend auf der EU-Energieunion stehen jedenfalls fest. Die Treibhausgas-Emissionen (THG-Emissionen), die nicht dem Emissionshandel zugerechnet werden, müssen von 56,8 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten im Jahr 2005 bis 2030 auf 36,4 Millionen Tonnen sinken. 20,4 Millionen Tonnen sind das insgesamt, 14 sind noch notwendig.

Der Trend spricht nicht dafür, dieses Ziel auch zu erreichen, denn die THG sind in Österreich 2017 zum dritten Mal in Folge gestiegen. Schuld war der Verkehr, wo der NEKP ein Minus von 7,2 Millionen Tonnen gegenüber 2016 als Ziel vorsieht.

Neue Klimastrategie in Begutachtung

Wie Österreichs Beitrag zur EU-Klima- und Energiepolitik bis 2030 aussieht, muss bis Jahresende im Klimaplan fixiert werden. Der Plan hat aber noch Lücken. Entsprechend harsch waren erste Reaktionen.

Entscheidendes Kapitel fehlt noch

Das fünfte Kapitel im 254 Seiten umfassenden Entwurf ist jedenfalls noch leer, die „Folgenabschätzungen zu den geplanten Politiken und Maßnahmen“ soll bis Ende November fertig sein, die von der EU geforderte Abschätzung des Finanzierungsbedarfs ist daher noch ausständig.

„Die Arbeit wird gerade fertiggestellt und im endgültigen Entwurf enthalten sein“, bis spätestens nächste Woche werde man die Gesamtzahlen haben, versprach Jürgen Schneider, Sektionschef der Klimasektion im Umweltministerium, in einem Hintergrundgespräch. Liege dann der geschätzte Bedarf vor, werde zusammen mit Finanz- und Verkehrsministerium besprochen, wie man diesen finanziere. EU-Mittel, öffentliche Gelder und private kommen dabei infrage.

Vieles bleibt der künftigen Regierung

Die EU-Kommission äußerte Mitte Juni Kritik am ersten Entwurf des österreichischen Energie- und Klimaplans: „Wir haben uns jede der zehn Empfehlungen genau angesehen und die maßgeblichen Informationen ergänzt“, sagte Schneider, man sehe der Prüfung der rund 260 Seiten daher „extrem gelassen entgegen“.

Der ganze Weg, den Österreich gehen will, muss noch zu Ende definiert werden, „in einigen Bereichen wurden Optionen und keine fixen Maßnahmen eingefügt“, was einfach daran liege, dass hier erst die künftige Bundesregierung entscheiden muss. Auf sie warte jedenfalls viel Arbeit.

Was passiert mit Förderungen für klimaschädlichen Verkehr?

Zum Beispiel bei den umweltschädlichen Subventionen im Bereich Energie und Verkehr: Deren Höhe schätzte das Wirtschaftsforschungsinstitut WIFO vor drei Jahren auf bis zu 4,7 Milliarden Euro. „Die Förderungen werden weiterhin von den Ministerien untersucht und letztlich zu Vorschlägen für die kommende Bundesregierung führen“, erläutere Schneider das weitere Vorgehen. Die Förderungen einfach zu streichen, das wäre „eine Milchmädchenrechnung“, stellte Schneider fest – und das sehe auch das WIFO so, und zum Teil würde man mit so einer Vorgehensweise auch gegen das EU-Recht verstoßen.