Angehörige neben ausgebrannten Auto
Reuters/Jose Luis Gonzalez
Angriff auf Mormonen

Bub ging 23 Kilometer um Hilfe

Zu dem bewaffneten Überfall mit neun Toten auf eine US-Mormonenfamilie in Mexiko werden immer mehr Details bekannt. Eines der überlebenden Kinder ging 23 Kilometer nach Hause zurück, um Hilfe für die anderen Geschwister zu holen.

Bei dem Überfall am Montag wurden mindestens neun Menschen getötet – drei Frauen und sechs Kinder. Acht weitere Kinder überlebten, wurden aber alle verletzt. Insgesamt drei Frauen und 14 Kinder der Großfamilie waren in mehreren Wagen in einer gebirgigen Gegend zwischen den nördlichen Bundesstaaten Sonora und Chihuahua unterwegs zum Flughafen, als Unbekannte auf sie schossen. Es könne sich um eine Verwechslung durch Verbrecherbanden handeln, die um die Kontrolle der Region kämpfen, sagte Mexikos Sicherheitsminister Alfonso Durazo.

Nachdem seine Mutter und zwei seiner Brüder erschossen worden waren, hatte der 13-jährige Devin Langford sechs weitere Geschwister in Büschen und unter Ästen versteckt. Er ging dann sechs Stunden lang zurück nach La Mora, wo die Mormonenfamilie lebt, schrieb eine Verwandte laut BBC auf Facebook. Er ging also 23 Kilometer, um Hilfe für die Geschwister zu holen.

Auch neunjährige Schwester machte sich auf den Weg

Nach mehreren Stunden des Wartens machte sich auch die neunjährige Schwester auf den Weg und ließ ihrerseits fünf Geschwister in dem notdürftigen Versteck, um Hilfe zu organisieren. Sie wurde später von Rettungskräften gefunden. Ein sieben Monate altes Baby überlebte den Überfall ebenfalls. Ihrer Mutter war es noch gelungen, den Kindersitz, in dem sich das Baby befand, auf dem Boden des Autos abzustellen. Sie stieg laut Angaben der überlebenden Kindern mit erhobenen Händen aus dem Auto aus, um die Angreifer zu bitten, mit dem Schießen aufzuhören, wurde aber niedergeschossen und getötet. Nach Angaben von Angehörigen sind die überlebenden Kinder – fünf von ihnen wurden ins Spital gebracht – schwer traumatisiert.

Angehörige neben ausgebrannten Auto
Reuters/Jose Luis Gonzalez
Familienmitglieder trauern am Ort des Angriffs

Familienmitglied beschreibt Szenen des Angriffs

Ein Familienmitglied hatte zuvor bereits in einem Telefonat mit der „New York Times“ Details des Angriffs geschildert: Ein Kind sei niedergeschossen worden, als es wegrennen wollte. Andere seien in einem brennenden Auto eingesperrt gewesen. Zwei der Opfer seien nicht einmal ein Jahr alt gewesen.

„Als Mutter fühle ich Wut, Empörung und tiefen Schmerz angesichts der feigen Tat“, schrieb die Gouverneurin von Sonora, Claudia Pavlovich, auf Twitter. „Ich weiß nicht, welche Art von Monstern es wagen, Frauen und Kinder zu verletzen. Als Gouverneurin werde ich alles dafür tun, dass dies nicht ungesühnt bleibt und dass die Täter zur Verantwortung gezogen werden.“

Abgebranntes Autowrack
Reuters/KENNETH MILLER/LAFE LANGFORD JR
Die Täter feuerten offenbar auf einen Transporter und setzten ihn in Brand

Fall wird zu Politikum

Der Fall ist längst zum Politikum geworden: Nach dem Überfall auf die Mormonenfamilie bot US-Präsident Donald Trump seine Hilfe für einen „Krieg“ gegen Drogenkartelle an. Mexikos Präsident Andres Manuel Lopez Obrador kündigte daraufhin an, über eine mögliche Kooperation mit Trump zu sprechen.

„Es ist jetzt an der Zeit für Mexiko, mit Hilfe der Vereinigten Staaten einen Krieg gegen Drogenkartelle zu führen und sie vom Erdboden hinwegzufegen“, schrieb Trump zuvor auf Twitter. „Wir erwarten einen Anruf von ihrem großartigen neuen Präsidenten!“, schrieb der US-Präsident außerdem. Lopez Obrador habe den Kampf gegen Drogenkartelle zu einem Topthema gemacht, so Trump. Die Kartelle seien „so groß und mächtig“ geworden, dass es manchmal „eine Armee braucht, um eine Armee besiegen zu können“, hieß es in einer Serie an Tweets zudem.

Mexikos Präsident drückte bei seiner täglichen Pressekonferenz den Angehörigen sein Beileid aus und kündigte eine Untersuchung an. Am Mittwoch betonte Lopez Obrador, dass Mexiko bei den Ermittlungen mit der US-Bundespolizei FBI zusammenarbeiten will. „Wir kümmern uns darum, dass ermittelt wird und das Gerechtigkeit geübt wird“, sagte Lopez Obrador. „Wenn sie sich daran beteiligen wollen, können sie das tun.“

Immer wieder Drohungen

In der Gegend, wo der Überfall stattfand, ist unter anderem das Sinaloa-Kartell des früheren Drogenbosses Joaquin „El Chapo“ Guzman aktiv. Bei den Opfern handelte es sich um eine bekannte Familie mormonischen Glaubens, die nach Medienberichten sowohl die US-amerikanische als auch die mexikanische Staatsbürgerschaft hat. Es hatte vor Jahren bereits Drohungen und Gewalt gegen die Familie durch kriminelle Banden gegeben. Die Verletzten wurden nach Angaben des US-Botschafters in Mexiko, Christopher Landau, in die USA gebracht.

Im Norden von Mexiko leben seit Jahrzehnten zahlreiche Großfamilien mormonischen Glaubens, die ursprünglich aus den USA stammen. Immer wieder geraten sie in das Visier der mächtigen Verbrechersyndikate, die die Region kontrollieren.

250.000 Tote im Drogenkrieg

Seit dem Beginn des Armeeeinsatzes gegen die Drogenbanden im Jahr 2006 starben bereits mehr als 250.000 Menschen. Allein im Vorjahr wurden in Mexiko mehr als 36.000 Morde registriert. Die seit Jahren hohen Gewaltraten in dem lateinamerikanischen Land gehen zu einem großen Teil auf das Konto von Banden, die in Drogenhandel sowie in Entführung und Erpressung verwickelt sind. Sie haben oft Verbindungen zu örtlichen Sicherheitskräften.

Erst vor wenigen Wochen hatte das Sinaloa-Kartell die Stadt Culiacan stundenlang mit Gewalt in Atem gehalten, als Sicherheitskräfte einen Sohn von „El Chapo“ festnehmen wollten. Dieser wurde schließlich freigelassen, um ein Blutbad zu verhindern.