Italien: Holocaust-Überlebende braucht Polizeischutz

In Italien hat die 89-jährige Senatorin auf Lebenszeit und Holocaust-Überlebende Liliana Segre nun Polizeischutz bekommen. Sie hatte – eigentlich unbeabsichtigt – eine der heftigsten Auseinandersetzungen mit Antisemitismus in Italien seit dem Ende des Faschismus ausgelöst.

Holocaust-Überlebende Liliana Segre
AP/Luca Bruno

Täglich 200 Hasspostings

Die 89-jährige Überlebende des NS-Konzentrations- und -Vernichtungslagers Auschwitz hatte kürzlich bekanntgegeben, dass sie täglich via Soziale Netzwerke rund 200 antisemitische und rassistische Posts erhält. In Reaktion darauf forderte Segre die Einsetzung eines parlamentarischen Ausschusses, um Hass, Rassismus und Antisemitismus zu bekämpfen.

Die Entscheidung für den Polizeischutz fiel nun, nachdem zuletzt ein Plakat der Rechtsaußenpartei Forza Nuova bei einem öffentlichen Termin, an dem Segre teilnahm, gezeigt wurde.

Rechtsparteien brachen mit Konsens

Ihr Antrag wurde angenommen – aber ohne die Stimmen der Rechtsparteien, allen voran Matteo Salvinis Lega. Sie brachen damit mit einem Prinzip, das die italienische Politik nach 1945 geprägt hat, nämlich: dass alle Parteien aktiv gegen jede Form von Rassismus und Faschismus kämpfen.

Die Abstimmung in der vergangenen Woche und die fast gleichzeitig erfolgten rassistischen Vorfälle bei einem Erstligafußballspiel lösten eine heftige Debatte aus. Zahlreiche Beobachterinnen und Beobachter sprechen davon, dass die Dreistigkeit, sich öffentlich antisemitisch und rassistisch zu äußern, zunehme.

Bei Fluchtversuch gefangen und in KZ deportiert

Segre wurde 1930 in einer jüdischen Familie in Mailand geboren. Nach einer gescheiterten Flucht mit ihrem Vater in die Schweiz wurde sie Ende 1943 verhaftet und im Jänner 1944 ins KZ Auschwitz-Birkenau deportiert. Sie überlebte dort als Arbeiterin in einem Rüstungsbetrieb.