Peter Handke
APA/AFP/Alain Jocard
„Jugoslawisch“

Rätsel um Reisepass von Handke

Die Debatte über die Haltung von Literaturnobelpreisträger Peter Handke zum Jugoslawien-Krieg ist seit Donnerstag um ein Detail reicher. Offenbar wurde dem in Kärnten geborenen Schriftsteller im Jahr 1999 ein jugoslawischer Reisepass ausgestellt. Nun wird der „Sachverhalt“ geprüft, teilte das Innenministerium mit.

Das US-Onlinemagazin The Intercept hatte zuvor über den Reisepass Handkes berichtet. Der Pass wurde am 15. Juni 1999 in der jugoslawischen Botschaft in Wien ausgestellt. Der Pass stand damals nur Bürgerinnen und Bürgern Jugoslawiens zu, das zu diesem Zeitpunkt aus Serbien und Montenegro bestand. Handkes Nationalität sei darin als „jugoslawisch“ angegeben, schrieb der Autor des Intercept-Artikels, Peter Maass, auf Twitter.

Das Dokument stammt aus dem Besitz des langjährigen Pressesprechers der Salzburger Festspiele, Hans Widrich. Er habe Handke über mehr als ein Jahrzehnt ein Landhaus in Salzburg vermietet, sagte der 83-Jährige dem Magazin The Intercept. Handke habe ihm eine Vielzahl von persönlichen Dokumenten ausgehändigt, sagte Widrich, darunter „Manuskripte und alte Reisepässe“. Den Besitz des jugoslawischen Passes habe Handke ihm gegenüber damit gerechtfertigt, so bessere Preise in Hotels in Serbien zu bekommen.

Kärnten prüft jugoslawischen Pass

Falls der Reisepass echt ist und dem Schriftsteller die jugoslawische Staatsbürgerschaft verliehen wurde, dann hätte Handke im Jahr 1999 automatisch die österreichische Staatsbürgerschaft verloren. Das wird nun überprüft, teilte das Innenministerium ORF.at mit. Zuvor hatte der Politikwissenschaftler Ralph Janik auf Twitter eine Stellungnahme des Innenressorts veröffentlicht.

Darin hieß es: „Wenn ein österreichischer Staatsbürger eine fremde Staatsangehörigkeit durch eine Willenserklärung erwirbt, verliert er damit automatisch die österreichische Staatsbürgerschaft, außer er hätte vorher um eine Bewilligung der Beibehaltung der österreichischen Staatsbürgerschaft angesucht.“ Da der Vollzug des Staatsbürgerschaftsgesetzes den Ländern obliege, wurde das Amt der Landesregierung in Kärnten über den „Sachverhalt“ informiert.

Dem „Standard“ teilte das Kärntner Staatsbürgerschaftsreferat am Donnerstag mit, dass Handke nie um eine Bewilligung angesucht habe, die österreichische Staatsangehörigkeit behalten zu dürfen. Man wisse aber auch nicht, ob es eine Einbürgerung in Jugoslawien je gegeben habe. Man kenne lediglich das Foto, das Medien veröffentlicht haben. Ein Bild des Dokuments ist im Handke-Archiv auf der Website der Österreichischen Nationalbibliothek zu finden.

Von der serbischen Botschaft ausgestellt

Serbien war Ende der 1990er Jahre international geächtet worden. Grund war der Kosovo-Krieg, der am 10. Juni 1999 nach einem 78-tägigen Militäreinsatz der USA und der NATO-Staaten mit dem Rückzug der jugoslawischen Truppen aus dem Kosovo endete. Eine Woche bevor der Pass ausgestellt wurde, feierte Handkes „Die Fahrt im Einbaum oder Das Stück zum Film vom Krieg“ im Wiener Burgtheater Premiere.

Handke hatte sich im Kosovo-Krieg auf die Seite des damaligen serbischen Präsidenten Slobodan Milosevic gestellt. „Mein Platz ist in Serbien, sollten die NATO-Verbrecher das Land bombardieren“, erklärte er damals. Schon in den Jahren davor war Handke wegen relativierender Aussagen über das Massaker von Srebrenica kritisiert worden. Nach der Vergabe des Literaturnobelpreises am 10. Dezember kochte die Debatte erneut wieder auf.