Peter Handke
AP/Francois Mori
Handke zu „Novosti“

„Keine jugoslawische Staatsbürgerschaft“

Literaturnobelpreisträger Peter Handke hat laut einem Bericht der serbischen Tageszeitung „Novosti“ nie eine jugoslawische Staatsbürgerschaft besessen. Das Medium veröffentlichte am späten Donnerstagabend einen Bericht über Handkes jugoslawischen Reisepass und zitierte den in Kärnten geborenen Schriftsteller.

Das US-Onlinemagazin The Intercept hatte am Donnerstag über den jugoslawischen Reisepass Handkes berichtet. Der Pass wurde am 15. Juni 1999 in der jugoslawischen Botschaft in Wien ausgestellt. Laut The Intercept stand dieser damals nur Bürgerinnen und Bürgern Jugoslawiens zu, das zu diesem Zeitpunkt aus Serbien und Montenegro bestand. Handkes Nationalität sei darin als „jugoslawisch“ angegeben, schrieb der Autor des Intercept-Artikels, Peter Maass, auf Twitter.

Handke dementierte laut „Novosti“ allerdings, je die jugoslawische Staatsbürgerschaft erhalten zu haben. „Ich hatte keine jugoslawische Staatsbürgerschaft. Den Reisepass habe ich für Reisen bekommen“, wird Handke zitiert. Dass er die österreichische Staatsbürgerschaft verlieren könnte, sollte er in Jugoslawien eingebürgert werden, wischt der Autor quasi beiseite. „Wer sagt das?“, fragt Handke „genervt, während er noch an seiner Rede schreibt, die er bei der Verleihung des Nobelpreises am 10. Dezember in Stockholm halten will“, so das serbische Medium.

Kärnten prüft Handkes Reisepass

Einige serbische Medien haben die Aussagen Handkes bereits übernommen. Eine Stellungnahme des Schriftstellers liegt ORF.at bisher nicht vor. Eine Anfrage an unterschiedliche serbische Behörden ist noch unbeantwortet. Tatsache ist nur, dass das zuständige Amt der Kärntner Landesregierung den „Sachverhalt“ derzeit prüft. Das teilte das Innenministerium am Donnerstag ORF.at mit. Zuvor hatte der Politikwissenschaftler Ralph Janik auf Twitter eine Stellungnahme des Innenressorts veröffentlicht.

Darin hieß es: „Wenn ein österreichischer Staatsbürger eine fremde Staatsangehörigkeit durch eine Willenserklärung erwirbt, verliert er damit automatisch die österreichische Staatsbürgerschaft, außer er hätte vorher um eine Bewilligung der Beibehaltung der österreichischen Staatsbürgerschaft angesucht.“ Da der Vollzug des Staatsbürgerschaftsgesetzes den Ländern obliege, wurde das Amt der Landesregierung in Kärnten über den „Sachverhalt“ informiert.

Staatsbürgerschaftsrechtliches Ermittlungsverfahren

Dem „Standard“ teilte das Kärntner Staatsbürgerschaftsreferat am Donnerstag mit, dass Handke nie um eine Bewilligung angesucht habe, die österreichische Staatsangehörigkeit behalten zu dürfen. Man wisse aber auch nicht, ob es eine Einbürgerung in Jugoslawien je gegeben habe. Man kenne lediglich das Foto, das Medien veröffentlicht haben. Ein Bild des Dokuments ist im Handke-Archiv auf der Website der Österreichischen Nationalbibliothek (ÖNB) zu finden.

Die Kärntner Landesamtsdirektion wird in den kommenden Tagen oder Wochen ein staatsbürgerschaftsrechtliches Ermittlungsverfahren führen. „Dieses kann grundsätzlich unterschiedliche Ermittlungsschritte wie Anfragen bei anderen Behörden oder Befragungen von Parteien und Auskunftspersonen umfassen“, hieß es auf ORF.at-Anfrage. Wie lange die Prüfung dauert, könne man jetzt noch nicht abschätzen. Aus Gründen des Datenschutzes und der Amtsverschwiegenheit dürfe man aber keine Details verraten.

Von der serbischen Botschaft ausgestellt

Der Pass stammt aus dem Besitz des langjährigen Pressesprechers der Salzburger Festspiele, Hans Widrich. Er habe Handke über mehr als ein Jahrzehnt ein Landhaus in Salzburg vermietet, sagte der 83-Jährige The Intercept. Handke habe ihm eine Vielzahl von persönlichen Dokumenten ausgehändigt, sagte Widrich, darunter „Manuskripte und alte Reisepässe“. Den Besitz des jugoslawischen Passes habe Handke ihm gegenüber damit gerechtfertigt, dass er so bessere Preise in Hotels in Serbien bekommen habe.

Serbien war Ende der 1990er Jahre international geächtet worden. Grund war der Kosovo-Krieg, der am 10. Juni 1999 nach einem 78-tägigen Militäreinsatz der USA und der NATO-Staaten mit dem Rückzug der jugoslawischen Truppen aus dem Kosovo endete. Eine Woche bevor der Pass ausgestellt wurde, feierte Handkes „Die Fahrt im Einbaum oder Das Stück zum Film vom Krieg“ im Wiener Burgtheater Premiere.

Handke hatte sich im Kosovo-Krieg auf die Seite des damaligen serbischen Präsidenten Slobodan Milosevic gestellt. „Mein Platz ist in Serbien, sollten die NATO-Verbrecher das Land bombardieren“, sagte er damals. Schon in den Jahren davor war Handke wegen relativierender Aussagen über das Massaker von Srebrenica kritisiert worden. Nach der Vergabe des Literaturnobelpreises am 10. Dezember kochte die Debatte erneut wieder auf.