Schallenberg: „Zu viele standen 1938 am Heldenplatz“

„Österreich hat sich zu lange selbst ausschließlich als Opfer des Nationalsozialismus betrachtet.“ Dieses Bekenntnis gab heute Außenminister Alexander Schallenberg bei einem Akt zum Gedenken an die Novemberpogrome gegen jüdische Mitbürger im November 1938 im Jüdischen Museum in Wien ab.

„Zu viele standen im März 1938 am Heldenplatz und haben mitgejubelt“, sagte Schallenberg: „Zu viele haben zugeschaut und mitgemacht, als ihre Mitmenschen beraubt, vertrieben und ermordet wurden. Wir haben zu lange weggesehen, bis wir uns der Täterrolle und unserer daraus wachsenden historischen Verantwortung bewusst geworden sind.“

„Die abscheulichen Gräueltaten und Verbrechen, die vor 81 Jahren in Deutschland und Österreich begangen wurden, machen uns bis heute zu Recht beschämt und betroffen“, so Schallenberg. Es reiche jedoch nicht, sich der Verantwortung für Taten bewusst zu sein: „Wir müssen uns auch der Verantwortung für Unterlassungen bewusst sein. Wir dürfen nicht schweigen, wenn antisemitisch motivierte Gewalttaten auf europäischem Boden begangen werden.“

„Antisemitismus jeden Tag“

Der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG), Oskar Deutsch, erinnerte daran, dass in jener Nacht des 9. auf den 10. November „der Judenhass in Mord eskalierte“. Allerdings erlebe die jüdische Gemeinde auch heute „Antisemitismus jeden Tag“, sagte Deutsch und warnte: „Am Anfang steht immer der Hass.“

In der Nacht auf den 10. November 1938 kam es im nationalsozialistischen Deutschland, zu dem damals auch Österreich gehörte, zur Reichspogromnacht. Synagogen brannten, jüdische Geschäfte wurden zerstört sowie Juden deportiert und ermordet.

Den Gedenktag des Novemberpogroms nahm auch Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) in einer Aussendung „zum Anlass, um darauf hinzuweisen, dass die Erinnerung an die Vergangenheit auch den Auftrag bedeutet, Zukunft zu gestalten und sicherzustellen, dass sich nichts Ähnliches mehr wiederholen kann“. Auch Sobotka warnte davor, dass der Antisemitismus weiter eine konkrete gesellschaftliche Gefahr darstelle.