Bundeskanzlerin Merkel bei den Feierlichkeiten zum Berliner Mauerfall
Reuters/Fabrizio Bensch
30 Jahre Mauerfall

Merkel-Appell für Freiheit und gegen Hass

Zum 30. Jahrestag des Mauerfalls hat die deutsche Kanzlerin Angela Merkel aufgerufen, die 1989 errungene Freiheit gegen neue Anfeindungen zu verteidigen. „Der 9. November, in dem sich in besonderer Weise sowohl die fürchterlichen als auch die glücklichen Momente unserer Geschichte widerspiegeln, ermahnt uns, dass wir Hass, Rassismus und Antisemitismus entschlossen entgegentreten müssen“, so Merkel in Berlin.

Der 9. November sei ein „Schicksalstag“ der deutschen Geschichte, sagte Merkel. Sie erinnerte an die Pogromnacht der Nationalsozialisten von 1938. Darauf seien Menschheitsverbrechen und der Holocaust gefolgt. Zugleich forderte sie die Menschen bei den zentralen Feierlichkeiten in Berlin am Samstag auf, sich nicht entmutigen zu lassen. „Keine Mauer, die Menschen ausgrenzt und Freiheit begrenzt, ist so hoch oder so breit, dass sie nicht doch durchbrochen werden kann“, sagte Merkel.

Spitzen des deutschen Staates gedachten bei der zentralen Feier auf dem früheren Todesstreifen an der Bernauer Straße des Falls der Mauer. Die Straße gilt als Symbol der deutschen Teilung. Als die Mauer 1961 errichtet wurde, lag die Häuserfront der Straße im Osten, der Gehsteig im Westen.

Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel zündet an einer Gedenkstätte an der ehemaligen Berliner Mauer eine Kerze an
Reuters/Fabrizio Bensch
Merkel nahm an der Veranstaltung zum Jahrestag des Falls der Mauer teil

Bei dem Gedenken steckten der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, Merkel und andere hochrangige Politiker wie der deutsche Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble und Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller für die Mauer-Opfer gelbe und orange Rosen in die Hinterlandmauer. Zur Erinnerung an den Mut der DDR-Opposition im Herbst 1989 wurden Kerzen entzündet. Bei Demonstrationen getragene Kerzen waren damals das Symbol des gewaltlosen Widerstands.

Steinmeier: Selbst errichtete Mauern einreißen

Am Abend sprach Steinmeier auch bei der großen Feier vor dem Brandenburger Tor. Der deutsche Bundespräsident rief die Bürgerinnen und Bürger in seiner Rede auf, ihre selbst errichteten Mauern einzureißen. „Mauern aus Frust, Mauern aus Wut und Hass. Mauern der Sprachlosigkeit und der Entfremdung“, so Steinmeier. Diese Mauern seien unsichtbar, stünden aber dem Zusammenhalt im Wege. „Reißen wir diese Mauern endlich ein!“ Für den Zusammenhalt könne jeder und jede im Land etwas tun, appellierte der Bundespräsident.

Berlin feiert 30 Jahre Mauerfall

Vor genau 30 Jahren ist die Berliner Mauer gefallen. Sie teilte von 1961 an Deutschland in Ost und West, ehe der DDR-Politiker Günter Schabowski am 9. November 1989 die Grenzöffnung verkündete.

Er wünsche sich, „dass wir etwas von dem Mut, der Zuversicht und dem Selbstbewusstsein jener Tage des Mauerfalls in unsere Zeit heute holen“. Steinmeier betonte, die Mauer sei nicht einfach gefallen – die friedlichen Revolutionäre hätten sie eingerissen. Die „Mutigen in der DDR“ hätten Geschichte geschrieben, dafür könnten die Deutschen ihnen auch 30 Jahre später „nicht dankbar genug sein“.

Präsident Frank-Walter Steinmeier, Janos Ader, Andrzej Duda, Zuzana Caputova und Milos Zeman
AP/Markus Schreiber
Steinmeier, Merkel und andere hochrangige Politiker steckten gelbe und orange Rosen in die Hinterlandmauer

Der deutsche Bundespräsident würdigte in seiner Rede auch den Beitrag der Menschen in Polen, Ungarn, Tschechien und der Slowakei zum Mauerfall. Ihr Mut habe die Teilung Europas beendet. Bereits zuvor hatte Steinmeier die Präsidenten der Slowakei, Polens, Tschechiens und Ungarns in seinem Amtssitz im Berliner Schloss Bellevue empfangen.

Van der Bellen: Sieg für Mut, Freiheit und Demokratie

Auch in Österreich wurde der Jahrestag des Falls der Mauer gewürdigt. Bundespräsident Alexander Van der Bellen schrieb auf Facebook, am 9. November 1989 sei „vielleicht zum ersten Mal“ die Idee eines vereinten Europas „tatsächlich greifbar nahe“ gewesen. „Damals, am 9. November 1989, haben der Mut, die Freiheit und die Demokratie einen Sieg errungen.“

Damals wie heute sei es „eine einfache Wahrheit, dass wir gemeinsam stärker sind als alleine“, betonte der Bundespräsident in der bereits am Freitag veröffentlichten Stellungnahme. „Der 9. November 1989 und die darauffolgenden Tage haben sich in das kollektive Gedächtnis von uns allen eingeprägt“, so Van der Bellen, der von „Schicksalsstunden für unseren Kontinent“ sprach. „Denn mit der Mauer fiel auch der Eiserne Vorhang endgültig. Vorangegangen waren die ersten freien Wahlen in Polen, bei denen die Opposition siegte, und die Öffnung der Grenze zwischen Österreich und Ungarn.“

Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein bezeichnete den Fall der Berliner Mauer als „Zäsur in der Geschichte unseres Kontinents und unerlässlich für die Einheit Europas“: „Bei allen noch immer bestehenden Herausforderungen und Unterschieden leben wir heute in eng verbundener europäischer Nachbarschaft, geprägt von Frieden und Freiheit. Das ist keine Selbstverständlichkeit und muss von allen Generationen bewahrt und verteidigt werden“, so Bierlein laut einer der APA am Samstag übermittelten Stellungnahme.

Trump sieht „Lehre für Unterdrücker in aller Welt“

Eine offizielle Botschaft schickte auch US-Präsident Donald Trump. Das Schicksal der Berliner Mauer müsse eine „Lehre für repressive Regime und Herrscher überall“ sein, hieß es darin. „Kein Eiserner Vorhang kann jemals den eisernen Willen eines Volkes zurückhalten, das entschlossen ist, frei zu sein.“ Trump bezeichnete die Bundesrepublik als einen der „geschätztesten“ Partner der Vereinigten Staaten.

Bilder, die um die Welt gingen

Von 1961 an teilte die Mauer Berlin in einen Ost- und einen Westteil. Jahrzehntelang war sie das Beton gewordene Symbol der Teilung Deutschlands, ehe am 9. November der DDR-Politiker Günter Schabowski am 9. November 1989 die „unverzügliche“ Grenzöffnung verkündete. Die Bilder tanzender Menschen auf der Mauer gingen um die Welt.

Fotostrecke mit 8 Bildern

Impressionen des Berliner Mauerfalls vor 30 Jahren
AP/Jockel Finck
Die Bilder der Stunden und Tage nach der innerdeutschen Grenzöffnung gingen um die Welt
Impressionen des Berliner Mauerfalls vor 30 Jahren
Reuters/David Brauchli
Die DDR-Bürgerinnen und -Bürger, die den Osten verließen, wurden im Westen mit Applaus empfangen
Impressionen des Berliner Mauerfalls vor 30 Jahren
AP
Auf der Mauer wurde getanzt und gefeiert
Impressionen des Berliner Mauerfalls vor 30 Jahren
APA/AFP/dpa/Wolfgang Kumm
Die Meldung über den Mauerfall verbreitete sich wie ein Lauffeuer
Impressionen des Berliner Mauerfalls vor 30 Jahren
AP/Claus Eckert
Die Freude über ein Wiedersehen war groß
Impressionen des Berliner Mauerfalls vor 30 Jahren
AP/Lionel Cironneau
In den folgenden Tagen wurden bei Demonstrationen Teile der Mauer abgetragen
Impressionen des Berliner Mauerfalls vor 30 Jahren
AP/Thomas Kianzla
Nach und nach wurde die Mauer niedergerissen
Impressionen des Berliner Mauerfalls vor 30 Jahren
Reuters/Wolfgang Rattay
Menschen strömten über die innerdeutsche Grenze

Schabowski hatte bei einer internationalen Pressekonferenz, eher beiläufig auf die Frage des italienischen Journalisten Riccardo Ehrman, die Reisefreiheit für DDR-Bürgerinnen und -Bürger verkündet. Auf Nachfrage, ab wann diese in Kraft trete, sagte Schabowski: „Das tritt nach meiner Kenntnis … ist das sofort, unverzüglich.“ Die Nachricht verbreitete sich wie ein Lauffeuer – um 21.15 Uhr passierten die ersten DDR-Bürger die innerdeutsche Grenze. Das Ende der Mauer war nach über 28 Jahren besiegelt.

Der Fall der Mauer wurde das symbolträchtige Zeichen des Endes der DDR, gleichzeitig war der Mauerfall aber nur ein Teil des Umsturzes in Ostdeutschland. Bis zur endgültigen Wiedervereinigung der DDR mit der Bundesrepublik dauerte es noch fast ein ganzes Jahr, am 3. Oktober 1990 wurde die deutsche Einheit offiziell vollendet. Nach wissenschaftlichen Erkenntnissen starben in den mehr als 28 Jahren ihres Bestehens mindestens 140 Menschen durch das Grenzregime.