Feier anlässlich des Mauerfalls
Reuters/Fabrizio Bensch
30 Jahre Mauerfall

Jubiläum zwischen Party und Appellen

Deutschland hat am Samstag den 30. Jahrestag des Falls des Berliner Mauer gefeiert. Am Abend kamen in Berlin Zehntausende Menschen zu einer Party vor dem Brandenburger Tor zusammen. In die Feierstimmung mischten sich am Jubiläumstag aber auch mahnende Worte und Appelle.

Mit einem Klassiker der DDR-Rockmusik begann am Abend jenes Fest, das den Höhepunkt der Feierlichkeiten zu 30 Jahre Mauerfall bilden sollte: 1987 hatte Dirk Michaelis seine Rockballade „Als ich fortging“ veröffentlicht. In den folgenden Jahren wurde sie zur „Wendehymne“. Die Zeile „Nichts ist unendlich, so sieh das doch ein“, bezogen in den letzten Monaten der DDR viele auf die politischen Entwicklungen im Land. Neben Michaelis standen am Abend noch zahlreiche weitere Künstler auf der Bühne. Unter anderem spielte die Staatskapelle Berlin unter der Leitung von Daniel Barenboim Ludwig van Beethovens „Schicksalssinfonie“.

Vor der Musik war aber die Politik am Wort. Und die fand – wie mehrfach diesem Jubiläumstag – mahnende Worte. Die große Mauer, die so viele Opfer gefordert habe, sei ein für alle Mal weg, sagte der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bei der Mauerfallparty. „Aber quer durch unser Land sind neue Mauern entstanden: Mauern aus Frust, Mauern aus Wut und Hass, Mauern der Sprachlosigkeit und der Entfremdung. Mauern, die unsichtbar sind, aber trotzdem spalten. Mauern, die unserem Zusammenhalt im Wege stehen.“ Steinmeier rief dazu auf, dieser Entwicklung nicht tatenlos zuzuschauen. „Reißen wir diese Mauern endlich ein!“

Feier anlässlich des Mauerfalls
AP/Michael Sohn
Zehntausende kamen zur Mauerfallparty vor dem Branderburger Tor in Berlin

Die frühere DDR-Bürgerrechtlerin Marianne Birthler erinnerte an die Menschen, deren Leben durch die SED-Diktatur zerstört worden war oder die ums Leben gekommen waren. Stille legte sich kurz über den Platz vor dem Brandenburger Tor als sie die Zehntausenden Besucher bat für „einen kleinen Moment inne“ zu halten. Nur diejenigen hätten das moralische Recht, sich auf die friedliche Revolution vom Herbst 1989 zu berufen, die heute für Offenheit und Freiheit eintreten, so Birthler. „Wer dagegen seinem Hass freien Lauf lässt und andere mit Worten und Taten bedroht, ist nicht besser als die Stasi, die Menschenleben zersetzte und zerstörte“.

Merkel-Appell für Freiheit und gegen Hass

Für Steinmeier war der Auftritt vor dem Brandenburger Tor der Abschluss eines langen Tages. Zuvor hatte der Bundespräsident bereits an der zentralen Gedenkfeier in Berlin teilgenommen. Die Spitzen des Staates gedachten auf dem früheren Todesstreifen an der Bernauer Straße des Mauerfalls. Der 9. November ermahne uns, „dass wir Hass, Rassismus und Antisemitismus entschlossen entgegentreten müssen“, sagte dort die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel.

Berlin feiert 30 Jahre Mauerfall

Vor genau 30 Jahren ist die Berliner Mauer gefallen. Die Bilder tanzender Menschen auf der Mauer gingen um die Welt.

Sie erinnerte an die Pogromnacht der Nazis von 1938. Darauf sei das Menschheitsverbrechen des Holocaust gefolgt. Das Niederreißen der Mauer 1989 zeige: „Keine Mauer, die Menschen ausgrenzt und Freiheit begrenzt, ist so hoch oder so breit, dass sie nicht doch durchbrochen werden kann.“

Präsident Frank-Walter Steinmeier, Janos Ader, Andrzej Duda, Zuzana Caputova und Milos Zeman
AP/Markus Schreiber
Steinmeier, Merkel und andere hochrangige Politiker steckten gelbe und orange Rosen in die Hinterlandmauer

Bei dem Gedenken an der Bernauer Straße steckten Steinmeier, Merkel und andere hochrangige Politiker wie Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) und Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) für die Mauer-Opfer gelbe und orange Rosen in die Hinterlandmauer. Zur Erinnerung an den Mut der DDR-Opposition im Herbst 1989 wurden Kerzen angezündet. Auf Demonstrationen getragene Kerzen waren damals das Symbol des gewaltlosen Widerstands. Die Bernauer Straße gilt als Symbol der deutschen Teilung. Als die Mauer 1961 hochgezogen wurde, lag die Häuserfront der Straße im Osten, der Bürgersteig im Westen.

Feiern in den deutschen Bundesländern

Auch außerhalb der deutschen Hauptstadt feierten Menschen am Samstag den Zusammenbruch des Eisernen Vorhangs. Im einst geteilten Dorf Mödlareuth an der Grenze von Bayern und Thüringen durchbrach ein Trabikorso noch einmal symbolisch die Mauer – in diesem Fall war sie aus Styropor. Sachsen-Anhalt und Niedersachsen feierten gemeinsam am ehemaligen deutsch-deutschen Grenzübergang Marienborn. Mehrere Tausend Menschen besuchten die heutige Gedenkstätte Deutsche Teilung Marienborn.

Birgit Schwarz zur mangelnden Angleichung von Ost- und Westdeutschland

ORF-Korrespondentin Birgit Schwarz berichtet aus Berlin, weshalb eine deutliche Mehrheit der Deutschen sagt, dass Deutschland in den vergangenen 30 Jahren nur wenig zusammengewachsen ist.

Hessen und Thüringen erinnerten im Dorf Großburschla an den Mauerfall – der Ortsteil der thüringischen Stadt Treffurt lag im Grenzgebiet und ragte wie eine Landzunge nach Westdeutschland hinein. Der Ort durfte damals nur von Einwohnern oder mit Sondergenehmigung betreten werden.

Van der Bellen: Sieg für Mut, Freiheit und Demokratie

In Österreich wurde der Jahrestag des Falls der Mauer ebenfalls gewürdigt. Bundespräsident Alexander Van der Bellen schrieb auf Facebook, am 9. November 1989 sei „vielleicht zum ersten Mal“ die Idee eines vereinten Europas „tatsächlich greifbar nahe“ gewesen. „Damals, am 9. November 1989, haben der Mut, die Freiheit und die Demokratie einen Sieg errungen.“

Damals wie heute sei es „eine einfache Wahrheit, dass wir gemeinsam stärker sind als alleine“, betonte der Bundespräsident in der bereits am Freitag veröffentlichten Stellungnahme. „Der 9. November 1989 und die darauffolgenden Tage haben sich in das kollektive Gedächtnis von uns allen eingeprägt“, so Van der Bellen, der von „Schicksalsstunden für unseren Kontinent“ sprach. „Denn mit der Mauer fiel auch der Eiserne Vorhang endgültig. Vorangegangen waren die ersten freien Wahlen in Polen, bei denen die Opposition siegte, und die Öffnung der Grenze zwischen Österreich und Ungarn.“

Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein bezeichnete den Fall der Berliner Mauer als „Zäsur in der Geschichte unseres Kontinents und unerlässlich für die Einheit Europas“: „Bei allen noch immer bestehenden Herausforderungen und Unterschieden leben wir heute in eng verbundener europäischer Nachbarschaft, geprägt von Frieden und Freiheit. Das ist keine Selbstverständlichkeit und muss von allen Generationen bewahrt und verteidigt werden“, so Bierlein laut einer der APA am Samstag übermittelten Stellungnahme.

Trump sieht „Lehre für Unterdrücker in aller Welt“

Eine offizielle Botschaft schickte auch US-Präsident Donald Trump. Das Schicksal der Berliner Mauer müsse eine „Lehre für repressive Regime und Herrscher überall“ sein, hieß es darin. „Kein Eiserner Vorhang kann jemals den eisernen Willen eines Volkes zurückhalten, das entschlossen ist, frei zu sein.“ Trump bezeichnete die Bundesrepublik als einen der „geschätztesten“ Partner der Vereinigten Staaten.

Bilder, die um die Welt gingen

Von 1961 an teilte die Mauer Berlin in einen Ost- und einen Westteil. Jahrzehntelang war sie das Beton gewordene Symbol der Teilung Deutschlands, ehe am 9. November der DDR-Politiker Günter Schabowski am 9. November 1989 die „unverzügliche“ Grenzöffnung verkündete. Die Bilder tanzender Menschen auf der Mauer gingen um die Welt.

Fotostrecke mit 8 Bildern

Impressionen des Berliner Mauerfalls vor 30 Jahren
AP/Jockel Finck
Die Bilder der Stunden und Tage nach der innerdeutschen Grenzöffnung gingen um die Welt
Impressionen des Berliner Mauerfalls vor 30 Jahren
Reuters/David Brauchli
Die DDR-Bürgerinnen und -Bürger, die den Osten verließen, wurden im Westen mit Applaus empfangen
Impressionen des Berliner Mauerfalls vor 30 Jahren
AP
Auf der Mauer wurde getanzt und gefeiert
Impressionen des Berliner Mauerfalls vor 30 Jahren
APA/AFP/dpa/Wolfgang Kumm
Die Meldung über den Mauerfall verbreitete sich wie ein Lauffeuer
Impressionen des Berliner Mauerfalls vor 30 Jahren
AP/Claus Eckert
Die Freude über ein Wiedersehen war groß
Impressionen des Berliner Mauerfalls vor 30 Jahren
AP/Lionel Cironneau
In den folgenden Tagen wurden bei Demonstrationen Teile der Mauer abgetragen
Impressionen des Berliner Mauerfalls vor 30 Jahren
AP/Thomas Kianzla
Nach und nach wurde die Mauer niedergerissen
Impressionen des Berliner Mauerfalls vor 30 Jahren
Reuters/Wolfgang Rattay
Menschen strömten über die innerdeutsche Grenze

Schabowski hatte bei einer internationalen Pressekonferenz, eher beiläufig auf die Frage des italienischen Journalisten Riccardo Ehrman, die Reisefreiheit für DDR-Bürgerinnen und -Bürger verkündet. Auf Nachfrage, ab wann diese in Kraft trete, sagte Schabowski: „Das tritt nach meiner Kenntnis … ist das sofort, unverzüglich.“ Die Nachricht verbreitete sich wie ein Lauffeuer – um 21.15 Uhr passierten die ersten DDR-Bürger die innerdeutsche Grenze. Das Ende der Mauer war nach über 28 Jahren besiegelt.

Der Fall der Mauer wurde das symbolträchtige Zeichen des Endes der DDR, gleichzeitig war der Mauerfall aber nur ein Teil des Umsturzes in Ostdeutschland. Bis zur endgültigen Wiedervereinigung der DDR mit der Bundesrepublik dauerte es noch fast ein ganzes Jahr, am 3. Oktober 1990 wurde die deutsche Einheit offiziell vollendet. Nach wissenschaftlichen Erkenntnissen starben in den mehr als 28 Jahren ihres Bestehens mindestens 140 Menschen durch das Grenzregime.