ÖVP-Chef Sebastian Kurz
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Koalitionsverhandlungen

Ball liegt nun bei der ÖVP

Nach der Zustimmung der Grünen zu Koalitionsverhandlungen mit der ÖVP liegt der Ball jetzt bei der Volkspartei. ÖVP-Obmann Sebastian Kurz wird Montagvormittag die Entscheidung seiner Partei bekanntgeben. Ein Nein zu Koalitionsgesprächen halten Beobachterinnen und Beobachter für nahezu ausgeschlossen. Die Verhandlungen über eine Zusammenarbeit dürften aber schwierig werden.

Der Erweiterte Bundesvorstand (EBV) der Grünen hatte sich am Sonntag nach vierstündigen Beratungen einstimmig für die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen mit der Volkspartei ausgesprochen. „Unsere Hand zur ÖVP ist ausgestreckt“, sagte Bundessprecher Werner Kogler auf einer Pressekonferenz nach dem EBV in der Wiener Urania.

Das Ja zu Gesprächen über die Bildung einer Regierung aus ÖVP und Grünen sei auf seine Empfehlung erfolgt, sagte Kogler, aber auch auf Vorschlag des Sondierungsteams. „Wie das ausgeht, wissen wir nicht.“ Kogler räumte ein, dass die Grünen ein „Wagnis“ eingingen. „Dafür gibt es auf der Landkarte keinen Weg, darum ist es auch Pionierarbeit, die wir hier machen.“

Der grüne Bundessprecher zitierte den Schweizer Schriftsteller Friedrich Dürrenmatt: „Was alle angeht, können am besten alle lösen und nicht einer allein.“ Ohne die Grünen würde das Land anders aussehen – auch wenn die Partei auf Bundesebene noch nie mitregiert habe.

Verbindung von Ökologie und Ökonomie

Thematisch kam Kogler in der Pressekonferenz als Erstes auf die Klimakrise zu sprechen. „Da geht es auch um zehn Jahre und noch länger“, betonte Kogler. Ähnlich hatte er sich bereits Freitagabend nach der letzten Sondierungsrunde mit der ÖVP geäußert. Es gehe um das Vereinbaren von Ökologie und Ökonomie. Beim Klimaschutz solle Österreich „Vorreiter in Europa“ werden, wünschte sich Kogler.

Pressekonferenz nach dem Bundesvorstand der Grünen

Die Grünen sind zu konkreten Koalitionsverhandlungen mit der ÖVP bereit. Der Erweiterte Bundesvorstand habe das am Sonntagnachmittag einstimmig beschlossen, berichtete Grünen-Chef Werner Kogler.

Kogler verwies auch auf andere Anliegen der Grünen neben der Umwelt- und Klimapolitik, etwa die Bekämpfung der Kinderarmut und das „Eintreten für die Anliegen sozial Benachteiligter und Pflegebedürftiger“. Zudem sei die Tür für ein „Informationsfreiheitsgesetz“ offen. Handlungsbedarf ortete er auch im Bereich Bildung – „von der vorschulischen Ausbildung bis zu den Universitäten“ – sowie bei der Gleichstellung der Geschlechter.

Er sei sich sicher, dass Österreich mit einer Regierungsbeteiligung der Grünen anders aussehen werde als unter „Türkis-Blau“. Und: Auch, was das Reden über Politik und das Zusammenleben in Österreich betreffe, mache es einen Unterschied, ob die „Mitte-rechts-Partei“ ÖVP mit den Grünen oder einer Rechtspartei regiere. Auf „europäischer Ebene“ hätte es ebenfalls Bedeutung, „wenn so ein Experiment gelingen würde“, sagte Kogler.

„Türkis-Blau“ für Kogler nicht vom Tisch

Kogler erinnerte daran, dass schon seit dem Bundespräsidentschaftswahlkampf 2016 Gräben aufgerissen worden seien: „Wir wollen einen Beitrag leisten, diese Gräben zu überwinden.“ Daher schaue man nun, ob es sich mit der ÖVP ausgehe. Freilich schließt Kogler eine Neuauflage von „Türkis-Blau“ weiter nicht aus.

Grünen-Chef Werner Kogler
APA/Herbert Pfarrhofer
Grünen-Chef Kogler: „Unsere Hand zur ÖVP ist ausgestreckt“

Über kritische Stimmen im EBV wollte Kogler nicht viel sagen. Er sei selbst eine kritische Stimme. Rote Linien seien ihm von der Partei nicht vorgegeben worden. Über die Verteilung der Ministerien habe man bei den Sondierungen mit der ÖVP noch gar nicht gesprochen, dementierte er erneut entsprechende mediale Spekulationen.

Schwierige Verhandlungen erwartet

Positive Stimmung herrschte Sonntagabend nach der Pressekonferenz der Grünen jedenfalls bei den anwesenden Nationalratsabgeordneten und Ländergranden. „Ich hätte zugestimmt“, meinte etwa Vizeklubchefin Sigrid Maurer, die selbst im EBV nicht stimmberechtigt ist. Es sehe so aus, als ob es Bewegung in der ÖVP gebe, und man sei schon weiter als zu Beginn der Sondierungen. Alma Zadic wertete den einstimmigen Beschluss als „echt schön“.

Koalition: Grüne für Verhandlungen mit ÖVP

Die Grünen haben sich am Sonntag für die Aufnahme von Koalitionsgesprächen mit der ÖVP entschieden. Die Chancen auf einen positiven Abschluss schätzt man in der Partei auf „mehr als 50 Prozent“.

Mandatar Michel Reimon schätzte die Chance auf einen positiven Abschluss auf „mehr als 50 Prozent“. Man habe nur noch zehn Jahre Zeit, um für eine Wende in der Klimapolitik zu sorgen. Daher stehe man als Grüne – „wann, wenn nicht jetzt“ – für eine allfällige Regierungsbeteiligung bereit.

Ideologiebehaftete Themen

Eine Spur weniger euphorisch zeigte sich die Wiener Grünen-Chefin Birgit Hebein. „Wir wissen, es wird hart“, sagte sie über die kommenden Runden mit der ÖVP, auch wenn Bewegung bemerkbar sei. In die Verhandlungen einzutreten sei jedenfalls gut – „im Sinne einer Verantwortung“. Hebein betonte übrigens bereits jetzt gegenüber dem ORF-Landesstudio Wien, keinen Ministerinnenposten anzustreben – mehr dazu in wien.ORF.at.

Der oberösterreichische Landesrat Rudi Anschober betonte den Unterschied zwischen Bund und Landesebene. Auf letzterer kenne man einander besser, und es gebe weniger ideologiebehaftete Themen. Johannes Rauch, der in Vorarlberg gerade eine zweite Koalitionsperiode mit der ÖVP ausverhandelt hat, sah sein Land als Vorbild. Was man im Mindestsicherungsbereich, beim Klimaschutz- und beim Energiepaket erreicht habe, könne man nun auch im Bund heranziehen.

Grünes Verhandlungsteam soll am Dienstag stehen

Ein Verhandlungsteam der Grünen wird es vermutlich erst am Dienstag geben. Nach dem Nationalratsplenum am Mittwoch soll es dann Informationen über die einzelnen Verhandlungsgruppen geben. Wie lange die Verhandlungen dauern werden, dazu wollte Kogler keine Spekulationen anstellen. So schnell wie möglich, aber so lange als notwendig würden die Gespräche dauern. Denn die Verhandlungen hätten einen offenen Ausgang, man arbeite jedoch auf einen erfolgreichen Abschluss hin: „Das kann seine Zeit brauchen.“

FPÖ-Kritik an „Anbiederung“ der Grünen

Scharfe Kritik kam am Sonntag von der FPÖ. Der freiheitliche Generalsekretär Christian Hafenecker warf den Grünen „Anbiederung“ vor. Eine Regierungsbeteiligung der Grünen würde Österreich verändern, „aber nicht unbedingt zum Positiven“, so Hafenecker: „Steuern, verhinderte Infrastrukturen, ungezügelte Zuwanderung und ein unleistbarer Individualverkehr wären nur einige Punkte zulasten der österreichischen Bürger.“