ÖVP-Chef Sebastian Kurz und Grünen-Chef Werner Kogler
Reuters/Leonhard Foeger
ÖVP und Grüne

Große Hürden für Regierungsbildung

Mehr als 40 Tage nach der Nationalratswahl ist es fix: ÖVP und Grüne werden über eine mögliche Regierung verhandeln. ÖVP-Chef Sebastian Kurz lud am Montag die Grünen zu Koalitionsgesprächen ein. Schon 2003 sprachen die beiden Parteien über eine mögliche Zusammenarbeit. Die Gespräche scheiterten. Aber auch 2019 gibt es noch einige Hürden.

Damals, so heißt es in einem aktuellen Artikel in der Österreich-Beilage der „Zeit“, seien nicht etwa die Wiener Grünen – wie oft ventiliert wurde – für den Abbruch der Gespräche verantwortlich gewesen. Die Verhandlungen seien wegen der „massiven Meinungsdifferenz über die kostspielige Aufrüstung der Luftstreitkräfte“ (Eurofighter, Anm.) gescheitert. Heute darf zwar bezweifelt werden, dass das Thema Eurofighter im Fokus der erneuten Regierungsverhandlungen ist. Jedoch gibt es einige andere Positionen, die für Diskussionsstoff sorgen könnten.

Das sagte auch Kurz indirekt am Montag, als er verkündete, mit den Grünen verhandeln zu wollen. Man werde sich bemühen, auf „das Tempo zu drücken“ und „qualitätsvoll“ zu verhandeln, sagte der Chef der Volkspartei. Wann ein konkretes Ergebnis vorliegen werde, könne er aber noch nicht sagen. Eine Koalition mit den Grünen sei jedenfalls noch nicht fix. Denn: Die Unterschiede zwischen den beiden Parteien seien groß.

Stellungnahme von ÖVP-Chef Kurz

ÖVP-Bundesparteiobmann Sebastian Kurz hat am Montag die Grünen zu Koalitionsverhandlungen eingeladen. Er betonte, dass eine Koalition mit den Grünen noch nicht fix sei. Der Prozess sei ergebnisoffen. (Quelle: ORF)

Unterschiedliche Positionen in vielen Bereichen

Die Grünen hätten starke Positionen im Umwelt- und Klimabereich, mit denen sich die ÖVP nicht leichttue, für die die Grünen aber gewählt worden seien. Auf der anderen Seite sei das auch bei der ÖVP so, und zwar in Fragen der Migration, der Sicherheit oder der Standort- und Steuerpolitik. „Sollten wir eine Vereinbarung mit den Grünen zustande bringen, wird da auf jeden Fall ein Stück weit an Kreativität notwendig sein müssen“, sagte Kurz.

Pressekonferenz von ÖVP-Chef Sebastian Kurz
AP/Ronald Zak
ÖVP-Chef Kurz stellt sich auf schwierige Verhandlungen ein

Auch Grünen-Chef Kogler verwies am Sonntag auf die Unterschiede zwischen den Parteien. Wichtig seien den Grünen, so Kogler, neben der Umwelt- und Klimapolitik, etwa die Bekämpfung der Kinderarmut und das „Eintreten für die Anliegen sozial Benachteiligter“. Zudem sei die Tür für ein „Informationsfreiheitsgesetz“ offen. Handlungsbedarf sah er auch in der Gleichstellung der Geschlechter und im Bildungsbereich.

Tatsächlich hatten die Grünen umgesetzte Maßnahmen der damaligen ÖVP-FPÖ-Regierung heftig kritisiert. Darunter etwa die Deutschförderklassen, die Wiedereinführung der Ziffernnoten in der Volksschule, die Studiengebühren für Erwerbstätige und die neuen Uni-Zugangsbeschränkungen (Stichwort Studienplatzfinanzierung). Im sozialen Bereich mit der Mindestsicherung oder der Indexierung der Familienbeihilfe, die vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) landen könnte, kam teils scharfe Kritik von den Grünen.

Neue Forderungen von außen

Neben den bekannten Positionen kommen auch noch Forderungen von Interessenvertretungen und NGOs dazu, die in Koalitionsgesprächen schon Thema werden können. So wird beispielsweise mehr Geld für Schulen und Klimaschutz verlangt, das Pariser Klimaschutzabkommen soll umgesetzt werden, und der „wettbewerbsfähige Standort“ müsse in den Fokus der Verhandlungen rücken. Es ist anzunehmen, dass noch weitere Forderungen folgen werden.

Grüne für Koalitionsverhandlungen mit ÖVP

Die Grünen sind zu konkreten Koalitionsverhandlungen mit der ÖVP bereit. Der Erweiterte Bundesvorstand habe das am Sonntagnachmittag einstimmig beschlossen, berichtete Bundessprecher Werner Kogler.

Bereits am Sonntag hatte sich der Erweiterte Bundesvorstand (EBV) der Grünen nach vierstündigen Beratungen einstimmig für die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen mit der ÖVP ausgesprochen. „Unsere Hand zur ÖVP ist ausgestreckt“, sagte Bundessprecher Kogler auf einer Pressekonferenz nach dem EBV in der Wiener Urania. Das Ja zu Gesprächen über die Bildung einer Regierung aus ÖVP und Grünen sei auf seine Empfehlung erfolgt, sagte er, aber auch auf Vorschlag des Sondierungsteams. „Wie das ausgeht, wissen wir nicht.“

Grünen-Chef Werner Kogler
APA/Herbert Pfarrhofer
Grünen-Chef Kogler erklärte am Sonntag, mit der ÖVP verhandeln zu wollen

Ein Verhandlungsteam der Grünen wird es vermutlich schon am Dienstag geben. Nach dem Nationalratsplenum am Mittwoch soll es dann Informationen über die einzelnen Verhandlungsgruppen geben. Wie lange die Verhandlungen dauern werden, dazu wollte Kogler keine Spekulationen anstellen. So schnell wie möglich, aber so lange als notwendig würden die Gespräche dauern. Denn die Verhandlungen hätten einen offenen Ausgang, man arbeite jedoch auf einen erfolgreichen Abschluss hin: „Das kann seine Zeit brauchen.“

FPÖ kritisiert ÖVP-Entscheidung, NEOS und SPÖ drängen

Kein gutes Haar lässt die FPÖ an der Entscheidung der ÖVP. „Die ÖVP verlässt den Mitte-rechts-Kurs in der Regierungsarbeit und liefert Österreich den Grünen aus“, kritisierte FPÖ-Chef Norbert Hofer. Er fordert die ÖVP auf, sich „von der Illusion einer fruchtbaren Zusammenarbeit mit den Grünen“ zu verabschieden, bevor Schaden für die Republik eintrete.

NEOS begrüßt hingegen die Aufnahme von Verhandlungen zwischen ÖVP und Grünen. Vorsitzende Beate Meinl-Reisinger bezeichnete es als „erfreulich“, dass die Entscheidung dafür gefallen ist. Sie hofft jetzt auf einen raschen Abschluss. „Denn jeder Tag, der ohne handlungsfähige Regierung vergeht, fehlt, um tragfähige Konzepte für die Zukunft zu bauen.“

Auch SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner forderte ÖVP und Grüne auf, nun umgehend in Verhandlung zu treten und rasch eine neue Regierung zu bilden. „Die Inszenierungen und Verzögerungen müssen ein Ende haben. Es muss mehr Tempo geben. Die Verhandlungen sollten nun zügig geführt werden“, hieß es in einer Aussendung. Es brauche eine „stabile Regierung, die sich um die Anliegen der Österreicherinnen und Österreicher und um die drängenden Herausforderungen kümmert.“