Roter Teppich im Winterpalais
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Koalitionsgespräche

Fahrplan von ÖVP und Grünen

ÖVP und Grüne streben offiziell eine Regierungskoalition an. Die Verhandlungen werden in den kommenden Wochen geführt. Man wolle zwar rasch die Gespräche zu Ende bringen, aber mit Qualität, wie ÖVP-Chef Sebastian Kurz am Montag sagte. Zunächst wird sich wohl alles um die Verhandlungsteams drehen. Wer wird welches Thema behandeln?

Am Dienstag wird es ein Gespräch zwischen Kurz und Grünen-Chef Werner Kogler geben. „Wir werden die Struktur und den Prozess dieser Verhandlungen festlegen“, sagte der ÖVP-Chef. Geplant sei, bestimmte „Unterarbeitsgruppen“ zu besprechen, die alle Themen, die man behandeln möchte, abdecken sollen. Sobald die Organisation eines „Themenclusters" feststeht, werden wir die Öffentlichkeit darüber informieren“, so Kurz. Für Mittwoch um 17.30 Uhr ist jedenfalls eine Pressekonferenz mit Kogler und Kurz anberaumt worden.

Wie lange die Verhandlungen dauern, kann Kurz noch nicht sagen. Dass eine neue Regierung in zwei Monaten gebildet werden kann, wie das beim letzten Mal zwischen ÖVP und FPÖ der Fall war, nannte er „irrsinnig ambitioniert“ und „sehr, sehr schnell“. Es könnte auch länger dauern, wenn man etwa mit den Grünen nicht auf einen Nenner kommt. Dann müsste ein neuer Partner gesucht werden. Derzeit bieten sich die SPÖ und die FPÖ an, mit denen man eine Mehrheit im Nationalrat habe.

Steuerungsgruppe, Cluster und Fachgruppen

Grünen-Chef Kogler sagte bereits am Sonntag nach dem Erweiterten Bundesvorstand seiner Partei, dass es ein Verhandlungsteam schon am Dienstag geben könnte. Nach dem Nationalratsplenum am Mittwoch soll es dann Informationen über die einzelnen Verhandlungsgruppen geben. Wie lange die Verhandlungen dauern werden, dazu wollte auch Kogler keine Spekulationen anstellen. So schnell wie möglich, aber so lange als notwendig würden die Gespräche dauern. Denn die Verhandlungen hätten einen offenen Ausgang, man arbeite jedoch auf einen erfolgreichen Abschluss hin: „Das kann seine Zeit brauchen.“

Bei den Koalitionsverhandlungen vor zwei Jahren waren Kurz, Elisabeth Köstinger, Stefan Steiner, Bettina Glatz-Kremser und Gernot Blümel für die ÖVP in der Steuerungsgruppe, die die Gespräche mit der FPÖ leitete. Statt Glatz-Kremser, die heute Generaldirektorin der Casinos Austria ist, könnten August Wöginger oder Margarethe Schramböck nachrücken, die bei den Sondierungsgesprächen teilgenommen haben. Die Grünen könnten ebenfalls ihr Team in die Verhandlungen schicken: Kogler, Birgit Hebein, Leonore Gewessler, Rudi Anschober, Alma Zadic und Josef Meichenitsch.

2017 gab es insgesamt fünf Cluster, die aus mehreren Fachgruppen zusammengesetzt waren. So gliederte sich der Cluster „Standort“ unter anderem in die Fachgruppen „Finanzen/Steuern“, „Energie“ und „Verkehr“. Für die Koalitionsverhandlungen zwischen ÖVP und Grünen könnten die fünf Cluster jene Themen sein, die Kogler und Kurz während der Sondierungen als „Herausforderungen“ bezeichneten: Migration, Bildung, Transparenz, Klimakrise und Wirtschaft.

Schwierige Koalitionsverhandlungen erwartet

Gerade hier dürften sich die Parteien auf schwierige Verhandlungen einstellen. Wie schon 2003, als ÖVP und Grüne zum ersten Mal überhaupt über eine mögliche Zusammenarbeit sprachen, gilt auch 2019, dass es einige Hürden bis zur Regierungsbildung gibt. Damals, so heißt es in einem aktuellen Artikel in der Österreich-Beilage der „Zeit“, seien nicht etwa die Wiener Grünen – wie oft ventiliert wurde – für den Abbruch der Gespräche verantwortlich gewesen. Die Verhandlungen seien wegen der „massiven Meinungsdifferenz über die kostspielige Aufrüstung der Luftstreitkräfte“ (Eurofighter, Anm.) gescheitert.

Heute kann zwar bezweifelt werden, dass das Thema Eurofighter im Fokus der erneuten Regierungsverhandlungen ist. Jedoch gibt es einige andere Positionen, die für Diskussionsstoff sorgen könnten. Das sagte auch Kurz indirekt am Montag. Man werde sich bemühen, auf „das Tempo zu drücken“ und qualitätsvoll zu verhandeln, sagte der ÖVP-Chef. Eine Koalition mit den Grünen sei jedenfalls noch nicht fix. Denn: Die Unterschiede zwischen den beiden Parteien seien groß.

Stellungnahme von ÖVP-Chef Kurz

ÖVP-Bundesparteiobmann Sebastian Kurz hat am Montag die Grünen zu Koalitionsverhandlungen eingeladen. Er betonte, dass eine Koalition mit den Grünen noch nicht fix sei. Der Prozess sei ergebnisoffen. (Quelle: ORF)

Unterschiedliche Positionen in vielen Bereichen

Die Grünen hätten starke Positionen im Umwelt- und Klimabereich, mit denen sich die ÖVP nicht leichttue, für die die Grünen aber gewählt worden seien. Auf der anderen Seite sei das auch bei der ÖVP so, und zwar in Fragen der Migration, der Sicherheit oder der Standort- und Steuerpolitik. „Sollten wir eine Vereinbarung mit den Grünen zustande bringen, wird da auf jeden Fall ein Stück weit an Kreativität notwendig sein müssen“, sagte Kurz.

Pressekonferenz von ÖVP-Chef Sebastian Kurz
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ÖVP-Chef Kurz stellt sich auf schwierige Verhandlungen ein

Auch Grünen-Chef Kogler verwies am Sonntag auf die Unterschiede zwischen den Parteien. Wichtig seien den Grünen, so Kogler, neben der Umwelt- und Klimapolitik, etwa die Bekämpfung der Kinderarmut und das „Eintreten für die Anliegen sozial Benachteiligter“. Zudem sei die Tür für ein „Informationsfreiheitsgesetz“ offen. Handlungsbedarf sah er auch in der Gleichstellung der Geschlechter und im Bildungsbereich.

Tatsächlich hatten die Grünen umgesetzte Maßnahmen der damaligen ÖVP-FPÖ-Regierung heftig kritisiert. Darunter etwa die Deutschförderklassen, die Wiedereinführung der Ziffernnoten in der Volksschule, die Studiengebühren für Erwerbstätige und die neuen Uni-Zugangsbeschränkungen (Stichwort Studienplatzfinanzierung). Im sozialen Bereich mit der Mindestsicherung oder der Indexierung der Familienbeihilfe, die vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) landen könnte, kam teils scharfe Kritik von den Grünen.

Neue Forderungen von außen

Neben den bekannten Positionen kommen auch noch Forderungen von Interessenvertretungen und NGOs dazu, die in Koalitionsgesprächen schon Thema werden können. So wird beispielsweise mehr Geld für Schulen und Klimaschutz verlangt, das Pariser Klimaschutzabkommen soll umgesetzt werden, und der „wettbewerbsfähige Standort“ müsse in den Fokus der Verhandlungen rücken. Es ist anzunehmen, dass noch weitere Forderungen folgen werden.

Kogler will „deutlich Besseres als Türkis-Blau“

Die ÖVP will mit den Grünen Koalitionsverhandlungen führen. Grünen-Bundessprecher Werner Kogler spricht in der ZIB2 von einem Wagnis, Ziel sei nicht zuletzt etwas „deutlich Besseres als Türkis-Blau“.

Bereits am Sonntag hatte sich der Erweiterte Bundesvorstand (EBV) der Grünen nach vierstündigen Beratungen einstimmig für die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen mit der ÖVP ausgesprochen. „Unsere Hand zur ÖVP ist ausgestreckt“, sagte Bundessprecher Kogler auf einer Pressekonferenz nach dem EBV in der Wiener Urania. Das Ja zu Gesprächen über die Bildung einer Regierung aus ÖVP und Grünen sei auf seine Empfehlung erfolgt, sagte er, aber auch auf Vorschlag des Sondierungsteams. „Wie das ausgeht, wissen wir nicht.“

Grünen-Chef Werner Kogler
APA/Herbert Pfarrhofer
Grünen-Chef Kogler erklärte am Sonntag, mit der ÖVP verhandeln zu wollen

Ein Verhandlungsteam der Grünen wird es vermutlich schon am Dienstag geben. Nach dem Nationalratsplenum am Mittwoch soll es dann Informationen über die einzelnen Verhandlungsgruppen geben. Wie lange die Verhandlungen dauern werden, dazu wollte Kogler keine Spekulationen anstellen. So schnell wie möglich, aber so lange als notwendig würden die Gespräche dauern. Denn die Verhandlungen hätten einen offenen Ausgang, man arbeite jedoch auf einen erfolgreichen Abschluss hin: „Das kann seine Zeit brauchen.“

FPÖ kritisiert ÖVP-Entscheidung, NEOS und SPÖ drängen

Kein gutes Haar lässt die FPÖ an der Entscheidung der ÖVP. „Die ÖVP verlässt den Mitte-rechts-Kurs in der Regierungsarbeit und liefert Österreich den Grünen aus“, kritisierte FPÖ-Chef Norbert Hofer. Er fordert die ÖVP auf, sich „von der Illusion einer fruchtbaren Zusammenarbeit mit den Grünen“ zu verabschieden, bevor Schaden für die Republik eintrete.

NEOS begrüßt hingegen die Aufnahme von Verhandlungen zwischen ÖVP und Grünen. Vorsitzende Beate Meinl-Reisinger bezeichnete es als „erfreulich“, dass die Entscheidung dafür gefallen ist. Sie hofft jetzt auf einen raschen Abschluss. „Denn jeder Tag, der ohne handlungsfähige Regierung vergeht, fehlt, um tragfähige Konzepte für die Zukunft zu bauen.“

Auch SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner forderte ÖVP und Grüne auf, nun umgehend in Verhandlung zu treten und rasch eine neue Regierung zu bilden. „Die Inszenierungen und Verzögerungen müssen ein Ende haben. Es muss mehr Tempo geben. Die Verhandlungen sollten nun zügig geführt werden“, hieß es in einer Aussendung. Es brauche eine „stabile Regierung, die sich um die Anliegen der Österreicherinnen und Österreicher und um die drängenden Herausforderungen kümmert.“