Sebastian Kurz
ORF.at/Lukas Krummholz
ÖVP-Chef Kurz

„Grüne berechenbarer als SPÖ“

ÖVP-Chef Sebastian Kurz begründet in Interviews mit dem ORF und österreichischen Tageszeitungen, warum er mit den Grünen in Koalitionsverhandlungen getreten ist. Doch Kurz weist auch auf die großen inhaltlichen Differenzen hin – und bedauert, dass sich die FPÖ selbst aus dem Spiel genommen hat und die SPÖ keine Alternative sei. „Wenn ich eine stabile Regierung will, sind die Grünen politisch berechenbarer als die SPÖ“, so Kurz im „Kurier“ (Dienstag-Ausgabe).

Es sei in der Tat so, dass die Situation in der SPÖ unübersichtlich sei, „dass man nicht weiß, wohin dort die Reise geht, wer sich dort am Ende durchsetzen wird“, so Kurz über die SPÖ weiter. „Wir als ÖVP sind bei der Wahl gestärkt worden, aber wir haben keine absolute Mehrheit. Wir brauchen einen Koalitionspartner“, so Kurz.

„Die FPÖ hat – leider, das sage ich dazu – gesagt, dass sie keine Koalitionsverhandlungen führen will, und hat den Gang in Opposition angekündigt. Das muss ich respektieren“, so Kurz in dem Interview. Er habe dennoch eine gute Gesprächsbasis zu (FPÖ-Chef Anm.) Norbert Hofer. Inhaltlich seien ÖVP und Grüne sehr weit entfernt. Die ÖVP sei eine Mitte-rechts-Partei. Jeder, der ihn kenne, wisse, wofür er stehe.

„Gewisse Geschlossenheit und Disziplin“

Dass die Entscheidung bei den Grünen zu Koalitionsverhandlungen einstimmig gewesen sei, „habe ich als sehr positiv wahrgenommen“, so Kurz im Interview mit der „Kronen Zeitung“. Für eine politische Zusammenarbeit brauche es eine gewisse Geschlossenheit und Disziplin. „Ich hatte aber auch schon vorher den Eindruck, dass (Grünen-Chef Anm.) Werner Kogler in seiner Partei sehr geschätzt wird“, so Kurz weiter.

Man werde sehen, so Kurz laut „Kurier“, „wie wir mit den inhaltlichen Unterschieden umgehen, die Gesprächsbasis ist aber eine gute. Da und dort wird es eine andere Form des Regierens sein müssen.“ Aber noch gebe es Türkis-Grün nicht, der Prozess sei ergebnisoffen. Am Ende müsse eine Regierung stehen, „von der man sagt, dass sie zur richtigen Zeit das Richtige für Österreich macht“, so Kurz weiter im „Kurier“.

Die größten Herausforderungen

Als wichtige Punkte zählte Kurz die Herausforderungen der sich verschlechternden Konjunktur, „dass die Menschen Arbeit haben und von dieser Arbeit auch leben können“ und den Kampf gegen illegale Migration sowie gegen den Klimawandel auf. Die ÖVP habe sich nicht verändert, so Kurz in der „Krone“, „wir sind eine Mitte-rechts-Partei. Die Grünen sind eine Mitte-links-Partei. Beide Parteien müssten sich in einer Regierung deutlich wiederfinden.“ Es sei klar, wofür beide Parteien gewählt wurden, so Kurz in der „Krone“.

Interview mit ÖVP-Obmann Sebastian Kurz

ÖVP-Parteiobmann Sebastian Kurz in der Langfassung des Interviews mit ORF2-Chefredakteur Matthias Schrom über die mögliche Koalition mit den Grünen.

Er habe in den Gesprächen mit Kogler den Eindruck gewonnen, dass es ihm wirklich ernst sei, Österreich zu einem Vorreiter in Europa zu machen. „Ich kann das nachvollziehen, dafür ist er ja auch gewählt worden. Wir allerdings wurden für unsere Haltung in der Migrationsfrage und der Standortpolitik gewählt.“

„Werden versuchen, möglichst schnell zu sein“

Ob sich eine Regierungsbildung rasch ausgeht, darüber zeigte sich Kurz in der „Krone“ skeptisch. Er sei jemand, der stets aufs Tempo drücke, aber es müsse auch die Qualität stimmen. „Im Jahr 2017 waren wir mit der FPÖ sehr schnell, da gab es aber auch wesentlich mehr Gemeinsamkeiten als jetzt. Wir werden versuchen, möglichst schnell zu sein, aber ich habe auch das Bewusstsein dafür, dass es für die meisten Grünen die erste Regierungsverhandlung ist“, so Kurz.

Koalitionsgespräche beginnen

Nach dem Ende der Sondierungsgespräche soll die erste Verhandlungsrunde zwischen ÖVP und Grünen stattfinden.

Hofer kann sich doch Verhandlungen vorstellen

FPÖ-Chef Norbert Hofer bringt sich im Interview mit oe24.TV und der Tageszeitung Österreich (Dienstag-Ausgabe) wieder in Stellung für ÖVP-FPÖ-Koalitionsgespräche. „Wenn die Gespräche mit den Grünen scheitern, werde ich den Bundesparteivorstand einberufen und empfehlen, in Gespräche einzutreten.“

„Die inhaltlichen Unterschiede (zwischen ÖVP und Grüne Anm.) sind zu groß. Dass man zusammenkommt, kann ich mir nur schwer vorstellen. Bei Wirtschaft und Zuwanderung etwa sehe ich überhaupt keine Schnittmengen.“

Kurz: „Diese Frage stellt sich derzeit ohnedies nicht“

Die Situation in der freiheitlichen Partei „ist so, wie sie ist“, so Kurz im Interview mit dem „Standard“. „Wenn es hier jetzt zu einem Meinungsumschwung käme, dann ändert das ad hoc nichts an der Situation, weil wir die Regierungsverhandlungen ehrlich und aufrichtig und auch exklusiv mit den Grünen führen“, so Kurz weiter. „Darüber hinaus müsste ja erst einmal geprüft werden, wie ernst das gemeint ist. Denn die Statements der FPÖ in den letzten Wochen waren doch sehr eindeutig“ so Kurz weiter.

Durch die Vorgänge der letzten Woche, Stichwort NS-Liederbuchaffäre in der Steiermark rund um den FPÖ-Abgeordneten Wolfgang Zanger, sieht Kurz die FPÖ auf eine entsprechende Frage des „Standard“ hin nicht disqualifiziert. Er habe vor der Wahl gesagt, dass jede demokratisch gewählte Partei ein potenzieller Partner ist. Er wüsste nicht, warum er diese Meinung nach der Wahl ändern sollte. „Es gibt ohnedies zu viele Politiker, die ihre Meinung ständig ändern. Aber diese Frage stellt sich derzeit ohnedies nicht, weil sich die Freiheitlichen selbst aus dem Rennen genommen haben und wir mit den Grünen verhandeln“, so Kurz im „Standard“.