Private Kunstsammler haben es mitunter nicht leicht, wenn sie Licht und Strahlkraft der Öffentlichkeit suchen. Die eigenen Sammlungen haben sie mit großer Eigenwilligkeit und auch der Besessenheit des Kollektors aufgebaut. Und der Wunsch, gerade hier und da eine Entdeckung zu machen oder auch ein großes Werk durch Findigkeit in den eigenen Bestand zu bringen, kann eine beinahe süchtig machende Triebfeder sein. „Notkäufe“ soll Rudolf Leopold jene Okkasionen genannt haben, bei denen der Sammler zuschlagen muss, auch wenn etwa die budgetäre Planung längst ausgereizt ist.
Von den großen Privatsammlungen, die öffentlich wurden, sind nach der Essl-Pleite momentan jene des Kärntner Industriellen Herbert W. Liaunig in Neuhaus an der Drau in Kärnten (eröffnet 2008) und jene des oberösterreichischen Industriellen Heinz Josef Angerlehner in Thalheim bei Wels (eröffnet 2013) für das breite Publikum zugänglich. Beide Sammlungen haben bei aller Unterschiedlichkeit der Sammlerpersönlichkeiten wohl eines gemeinsam: Sie zeigen im Bestand eine sehr persönliche Note des Sammlers im Umgang mit der Gegenwartskunst. Und sie liegen an Orten fernab der Massenströme. Was für die breite Entdeckung durchaus ein Hindernis ist.
Beim ORF.at-Lokalaugenschein in Thalheim bei Wels präsentiert Sammler Angerlehner nicht von ungefähr zuerst jenen Steg, den er auf eigene Initiative errichten ließ, um vom Bereich des Messegeländes in Wels aus eine Erreichbarkeit des Museums zu ermöglichen. „Heute nutzen alle den Steg, nicht zuletzt die Jogger und Spaziergänger“, erzählt Angerlehner, der sich aber von Region und Land eine Unterstützung bei der Verkehrsanbindung wünscht, um nicht zuletzt Schulklassen einen öffentlich geförderten Weg in sein Museum zu ermöglichen.
Ein Ort, der einladen will
Das Museum in der ehemaligen Montagehalle von Angerlehners früherer Firma ist eigentlich ein Ort für Puristen. Die ehemaligen Teile der Industriehalle haben die Planer von Wolf Architektur in Schwarz belassen, alle eingebauten Teile sind weiß. Unter dem einstigen Montagekran in Westen des Hauses, der wie eine gelbe Skulptur über dem Museum schwebt, werden großzügige Präsentationsflächen im White Cube des Museums möglich, die geradezu nach riesigen Kunstwerken schreien.
Momentan ist im Erdgeschoß des Museums die Jahresausstellung zu Hannes Mlenek zu sehen, der seine abstrakten Torsi auf großformatigen Leinwänden entworfen hat – und daneben überdimensionale Skulpturen. Nebenan hängt die großformatige Arbeit „Puglia Marina“ von Markus Prachensky aus dem Jahr 1978, die Angerlehner, wie er stolz erzählt, aus der Restmasse der früheren AUA-Zentrale erworben hat.
Die Kunst ab 1950
Kunst seit 1950 ist der Sammlungsschwerpunkt des Museums, das mittlerweile etwa zur heimischen Gegenwartskunst auf einen breiten, repräsentativen Bestand verweisen kann. Doch es gibt auch internationalere Positionen aus dieser Zeit bei Angerlehner zu sehen. Und so macht die Besichtigung des Schaudepots deutlich: Angerlehner hat die Gegenwartskunst seiner Heimat Oberösterreich im Auge und sieht sein Haus als Rampe, Positionen gerade oberösterreichischer Künstlerinnen und Künstler sichtbar zu machen.
Die jetzige Schau von Josef Bauer im Belvedere 21 folgt auf eine große Werkschau des Welser Konzept- und Sprachpoeten im Museum Angerlehner. Gemeinsam mit dem jungen Schärdinger Künstler Patrick Schmierer war die Schau Bauers zu sehen. Und Schmierer streut Angerlehner Rosen, was die Bedeutung des Museums gerade als Plattform für die Vermittlung junger Kunst anbelangt.
„Angerlehners Qualitäten liegen in einer unkomplizierten Herangehensweise zum Thema Kunst und Künstler“, so Schmierer gegenüber ORF.at, der damit auch den mitunter hörbaren Einwand einer Beliebigkeit der Angerlehner’schen Sammlung kontert. Schmierer ortet beim ehemaligen Industriellen eine „intuitive Treffsicherheit in Bezug auf Unentdecktes und Neues“. Für die Kunstentwicklung in Österreich seien Sammler dieses Zuschnitts unerlässlich und bereichernd, so Schmierer.
Ein „Salon“ für die Jungen
Im „Salon“ des Obergeschoßes, den man für junge zeitgenössische Kunst aus der Region ausgelegt hat, zeigt man aktuell Arbeiten der Künstlerin Evelyn Kreinecker, die dem Thema beweglicher Menschenmassen nicht nur großflächige Arbeiten, sondern eine eindringliche Stop-Motion-Illustration ihres Kompositionsprozesses widmet. Im Fall der ebenfalls gerade gezeigten Schau zu den Arbeiten des deutschen Philosophen und Malers Rene Schoemakers wird die Ausrichtungsproblematik des Hauses evident.
Schoemakers’ hyperrealistische Inszenierungen, die wie ein Kunstkrimi zwischen den Bildwelten der Alten Meister und Horrorkabinetten eines David Lynch angelegt sind, haben documenta-Niveau und dürften wohl in städtischen Räumen mit dem Zulauf eines interessierten Kunstpublikums rechnen – hier an der Peripherie von Wels ist die Vermittlung derart komplexer Kompositionen mehr als eine Sisyphos-Arbeit. Museumskuratorin Marlene Steinz verweist im Rahmen der Vermittlung ihres Themas auf einen eigenen Micro-Site, den man gestaltet habe, um mögliche fiktive Zusammenhänge zwischen den Bildern auszuleuchten.
Depot auf Sichtachse
Markantestes Element des Hauses ist das vom Erdgeschoß einsehbare Depot, von dem der Umfang des Bestands der Sammlung sichtbar ist. Was Museen und Sammlungen gerne im Keller verstecken, ist hier hinter einer langen Glasfassade öffentlich einsichtig. Wenn Angerlehner als Herr des Hauses die einzelnen Regale mit den gesammelten Werken rauszieht, wird nicht nur der Stolz des Sammlers deutlich. Eigentlich würden sich hier neue Ansätze der Kunstvermittlung eröffnen, gerade wenn man, wie der Museumschef, selbst daran denkt, Schüler und junge Menschen für die zeitgenössische Kunst zu begeistern.
Was das Museum in jedem Fall braucht: ein höheres Publikumsaufkommen. Sonst, so rechnet der ehemalige Wirtschaftstreibende vor, sei absehbar, wann das Betriebsbudget auch dieses Museums aufgebraucht wäre. „Meinen Kindern kann und will ich das nicht umhängen“, sagt Angerlehner. Der auf jeden Fall den Wunsch hat, dass mehr Menschen in den Kunsttempel hinter dem Forellenbach abzweigen mögen.