Ausweichquartier des österreichischen Parlaments mit Blick auf die Hofburg
ORF.at/Carina Kainz
Nationalrat

Klima, Koalition und Kräftespiel

Am Mittwoch ist der Nationalrat zur zweiten Plenarsitzung nach der Wahl zusammengetreten. Regierung gibt es noch keine – und das zeichnet sich auch im Parlamentsquartier ab. Zum einen herrscht nach wie vor das „freie Spiel der Kräfte“, zum anderen strahlen die Koalitionsverhandlungen zwischen ÖVP und Grünen schon aus. Das zeigte sich bereits im Vorfeld der Sitzung, als sich Streit an Klimamilliarde und Mautausnahmen entzündete.

Basis für die Agenda des Nationalrats waren die Beschlüsse des Budgetausschusses am Montag. In diesem war mit Stimmen von ÖVP, FPÖ und Grünen einen SPÖ-Antrag für eine Klimaschutzmilliarde vertagt worden – zum Zorn der Sozialdemokraten. Während Grünen-Chef Werner Kogler die Ablehnung mit einer fehlenden Folgenabschätzung begründete, ortete die SPÖ bereits einen möglichen „Stillstandspakt“ zwischen ÖVP und Grünen und eine „180-Grad-Wende“ beim grünen Einsatz für offenen Parlamentarismus.

Der Klimaschutz gehört ohnehin zu den brisanten Themen des Tages: Debattiert wird auch der Nationale Energie- und Klimaplan (NEKP), der derzeit in Begutachtung ist. Umweltministerin Maria Patek gibt dem Nationalrat eine Erklärung dazu ab. Der Plan gibt den Rahmen für die österreichische Klimapolitik von 2021 bis 2030 im Einklang mit der europäischen Klimapolitik vor.

Der Klimaplan und die „rote Linie“

Allerdings hagelte es bis zuletzt scharfe Kritik am NEKP. Die Grünen brachten deswegen am Montag im Budgetausschuss einen Entschließungsantrag zur Überarbeitung des Klimaplans zugunsten einer Folgenabschätzung ein, der einstimmig angenommen wurde. Vor dem Nationalrat legten nun auch Forscherinnen und Forscher neuerlich Warnungen vor. Das Wegener Center der Universität Graz warnte davor, dass mit dem Plan „die rote Linie der politischen Verantwortungslosigkeit überschritten“ werde.

Wirbel um Mautausnahmen

Auch ein anderes Umweltthema sorgt für erhitzte Gemüter: Fixiert werden soll eine Novelle zum Mautgesetz, die Ausnahmen von der Vignettenpflicht für fünf grenznahe Autobahnabschnitte in Vorarlberg, Tirol, Salzburg und Oberösterreich vorsieht. Damit soll der Ausweichverkehr vorwiegend deutscher Autofahrer über niederrangige Straßen beendet werden. Die Novelle wird von ÖVP, Grünen und NEOS mitgetragen.

Konkret geht es dabei um Abschnitte der Inntalautobahn A12 (Kufstein Süd), der Westautobahn A1 (Salzburg Nord), der Rheintal/Walgau-Autobahn A14 (Anschlussstelle Hohenems), der Linzer Autobahn A26 und der Mühlkreisautobahn A7 (noch zu bauende Bypassbrücke zwischen Ausfahrt Hafenstraße und Urfahr). Außerdem erlaubt der Entwurf weitere Ausnahmen von der Mautpflicht unter bestimmten Voraussetzungen, die über eine Verordnung des Verkehrsministers im Einvernehmen mit dem Finanzminister beschlossen werden kann.

Maßnahme für Kogler „grundvernünftig“

Auch hier kritisierte die SPÖ die Grünen und sprach von einer Maßnahme, die umweltpolitisch „wenig Sinn“ ergebe. Kogler hingegen verwies darauf, dass die betroffenen Länder die Maßnahme seit Langem verfolgen und man so Abhilfe schaffen könne. „Was auf den ersten Blick seltsam erscheinen mag, ist grundvernünftig“, so Kogler.

Langfristig setzt Kogler auf eine kilometerabhängige Maut, wobei er davon ausgeht, dass die Systemumstellung hier einiges an Zeit brauchen wird. Jedenfalls dürfte es zu einem Beschluss kommen – und der sorgt auch in den Ländern schon für Widerstand. In Vorarlberg dachten am Dienstag etwa Hohenems und Lustenau laut über Straßensperren und Abfahrverbote nach – mehr dazu in vorarlberg.ORF.at.

Abseits davon startet die Sitzung mit einer Aktuellen Stunde zu Österreichs Rolle in der EU – einem von der ÖVP gewähltem Thema. Auf Bestreben der FPÖ wird am Mittwoch in einer Ersten Lesung erneut das Thema Volksbegehren diskutiert. Geht es nach der Partei, sollen vier Prozent der Stimmberechtigten – also rund 260.000 Unterschriften – ausreichen, um eine Volksabstimmung zu erzwingen, sofern der Nationalrat die Forderungen nicht umsetzt. Ein zweiter Antrag der FPÖ dreht sich um die Erhaltung des Bargeldes, ein dritter fordert die sukzessive Anhebung des Verteidigungsbudgets auf ein Prozent des BIP bis 2030.

Parteien mit breiter Themenpalette

Eine weitere freiheitliche Gesetzesinitiative will Österreichern, die freiwillig für eine organisierte bewaffnete Gruppe aktiv an Kampfhandlungen im Ausland im Rahmen eines bewaffneten Konfliktes teilnehmen oder solche Gruppen unterstützen, die Staatsbürgerschaft entziehen. Zudem will die FPÖ das Kopftuchverbot an Schulen bis zum vollendeten 14. Lebensjahr gesetzlich ausdehnen. Beide Vorschläge kommen in die Erste Lesung.

Die FPÖ bringt außerdem einen Entschließungsantrag zur Erhöhung des Pflegegelds ein. Menschen, die daheim betreut werden, sollen um 50 Prozent mehr Pflegegeld in allen Stufen ab Stufe drei erhalten, heißt es in einem Entschließungsantrag. In einem weiteren Antrag fordern die Freiheitlichen ein „Maßnahmenpaket für öffentlich-rechtliche Bedienstete im Sicherheitsbereich“. Polizei, Justizwache und andere Berufsgruppen sollen damit finanziell bessergestellt, deren Persönlichkeitsrechte gestärkt werden.

Konstituierende Sitzung des Nationalrates 2019
ORF.at/Christian Öser
Am Mittwoch geht die zweite Sitzung der Legislaturperiode über die Bühne

Die SPÖ kündigte an, den Vorschlag für die Klimamilliarde und weitere vertagte Anträge neu einzubringen und debattieren zu lassen. Die Partei hatte auch Anträge gegen Kinderarmut, für die Ausweitung der Hacklerregelung und die finanzielle Absicherung des Vereins für Konsumenteninformation (VKI) eingebracht. Dieser fürchtet erneut um sein Fortbestehen – mehr dazu in help.ORF.at.

NEOS wird ein Informationsfreiheitsgesetz beantragen, mit dem sämtliche nicht schützenswerte Informationen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden sollen. Das entspricht einer Aufhebung des Amtsgeheimnisses. Ausnahmen wären beispielsweise Materien, bei deren Veröffentlichung die nationale Sicherheit oder die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung gefährdet wäre.

NEOS will Modell gegen Asylwerberabschiebung

Zudem bringt NEOS das Thema der Asylwerber in Lehre in den Nationalrat. Mit zwei Anträgen wollen sie Lehrlingsabschiebungen verhindern und hoffen auf eine Mehrheit für das deutsche „3plus2-Modell“. Diesem Modell zufolge sollen die Betroffenen drei Jahre lang ihre Lehre absolvieren und danach zwei Jahre lang im Betrieb arbeiten dürfen. Bei einem kürzlichen Treffen hatten sich alle Fraktionen außer der FPÖ dafür ausgesprochen, Asylwerber in Lehre vor der Abschiebung zu bewahren. Ein aktueller Entwurf des Innenministeriums enthalte allerdings wieder „Schikanen“ und gehe nicht weit genug, kritisierte NEOS-Sprecherin für Inneres, Stephanie Krisper.

NEOS will, dass die mehr als 800 „Altfälle“ von Asylwerbern in Lehre, „nicht durch fremdenrechtliche Maßnahmen daran gehindert werden, ihre Ausbildung abzuschließen“, so Krisper und sprach von einer „Lotterie des Schicksals“. Deswegen will NEOS zwei Anträge einbringen: Der eine abgemildert als „3plus2 ohne die zwei“, erklärte Krisper mit der Hoffnung auf einen Kompromiss. Der andere Antrag entspricht einem alten Initiativantrag von NEOS und beinhaltet das „3plus2-Modell“, für NEOS „die einzig wahre Lösung“.